2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
– Foto: Volkhard Patten

»Nicht immer der Beliebteste sein«

HESSENLIGA: +++ Der neue SC Waldgirmes-Kapitän Kian Golafra im Interview über seine Rolle und die kommende Hessenliga-Saison +++

Waldgirmes. Ein neuer Trainer und der Verlust einiger Leistungsträger: Nach zwei ruhigen Hessenliga-Jahren ohne größere Abstiegssorgen steht der SC Waldgirmes vor einem Umbruch und hat erneut den Klassenerhalt als Ziel ausgegeben.

Defensiv-Abräumer und Leistungsträger Kian Golafra spricht im Interview mit dieser Zeitung über die Vorbereitung, seine neue Rolle als Kapitän, Abwanderungsgedanken, sein Verhältnis zum alten Trainer Daniyel Bulut und zum neuen Coach Otmar Velte, die Qualität der Liga und das Auftaktprogramm des SCW.

Herr Golafra, seit dieser Saison tragen Sie als Nachfolger von Dennis Lang die Kapitänsbinde beim SC Waldgirmes, wie kam es dazu?

Ich habe vergangene Saison diese Rolle schon während Dennis‘ Sperre und seiner anschließenden Verletzung übernommen. Nach dessen Abgang hat sich der neue Trainer Otmar Velte für mich entschieden, auch weil ich bei Watzenborn-Steinberg zu Hessenliga- und Regionalliga-Zeiten bereits zwei Jahre Kapitän war. Das wurde dann der Mannschaft ganz offen kommuniziert.

Und wie interpretieren Sie diese Rolle?

Ich bin das Bindeglied zwischen Trainer und Team. Ich spreche viel mit Otmar Velte und versuche, auf dessen Wünsche einzugehen. Genauso bin ich für die Mannschaft da und gebe dortige Probleme oder Anregungen an Otmar Velte weiter. Einer meiner früheren Coaches hat mal zu mir gesagt: Als Kapitän sollte man nicht immer der Beliebteste sein (lacht). Das bedeutet, auch Sachen auszusprechen, die wehtun. Daran halte ich mich.

Bereits beim FSV Fernwald vor über sieben Jahren war Daniyel Bulut ihr Trainer und Förderer. Wie haben Sie dessen Entschluss, zum Saisonende beim SCW aufzuhören, aufgenommen?

Ich dachte eigentlich, dass er weiter macht, und war zunächst schockiert und auch traurig. Denn Daniyel Bulut hat Christopher Schadeberg, Volkan Vural und mich damals beim Wechsel von der Jugend der TSG Wieseck auf die Fernwälder Trainerbank in die Hessenliga mitgenommen und uns gefördert. Ich rechne ihm hoch an, dass er mich trotz meiner vielen Verletzungen in jungen Jahren immer wieder reingeworfen und mir viel Vertrauen vorgeschossen hat. Das war keine Selbstverständlichkeit. Er ist ein sehr ehrlicher Mensch und mittlerweile nicht nur ein Trainer, sondern auch ein Freund geworden. Auch war Daniyel ein Grund für mich, 2017 zum SC Waldgirmes zu wechseln.

Haben Sie überlegt, mit Bulut den SCW zu verlassen?

Natürlich macht sich nahezu jeder Fußballer mit Blick auf die Sommer-Transferphase seine Gedanken. Und ja, ich hatte kurz überlegt, ob das Team für die anstehende Spielzeit stark genug ist. Gerade auch, weil Daniyel immer gute Kontakte hat und eher unbekannte Spieler holt, die überraschend einschlagen. So war es beispielsweise zuletzt bei Nicolas Strack.

Und was hat Sie letztlich überzeugt, beim SCW zu bleiben?

Zum einen war es ein starkes Signal des Clubs, dass sie einen Spieler wie Barbaros Koyuncu zurückgewinnen konnten. Damit ist die von Tolga Duran hinterlassene Lücke gefüllt. Barbaros halte ich für einen der absoluten Topspieler in der Hessenliga. Mit Robin Dankof von Dietkirchen haben wir zudem einen guten Mann für die Sturmspitze verpflichtet. Außerdem ist das Umfeld in Waldgirmes sehr familiär und es herrscht ein sehr respektvoller Umgang miteinander. Das unterscheidet den Verein von manch anderem.

Mit Otmar Velte, der zuletzt lange Jahre Hessenligist FSC Lohfelden trainiert hat, hat ein neuer Trainer das Ruder übernommen. Was macht er anders beziehungsweise wo setzt er die Schwerpunkte?

Otmar Velte arbeitet mit uns sehr viel im theoretisch-taktischen Bereich an der Tafel, damit wir das Verschieben und das Positionsspiel perfektionieren. Er macht einen sehr guten Job. Aber letztlich ist entscheidend, wie wir das auf dem Platz umsetzen. Da müssen wir einfach Gas geben.

Und was hat der Trainer bezüglich Spielsystem und Taktik konkret verändert?

Der neue Trainer will uns variabler auftreten lassen und uns noch spezifischer auf den Gegner abstimmen. In der Grundordnung wird es zwar ein klassisches 4-3-3 werden, aber einen ticken offensiver ausgerichtet. Generell will Otmar Velte mit mehr Vorwärtsdrang spielen lassen, sieht lieber einen 4:3- als einen 1:0-Erfolg.

Sie fühlen sich auf der Sechser-Position am wohlsten. Welche Rolle hat der neue Trainer für Sie im System vorgesehen?

Ich werde auch im neuen System auf der „Sechs“ spielen, ich kann auch gar nichts anderes (lacht). Das ist vielleicht meine größte Schwäche. Für eine offensivere Position fehlt mir schlicht der Torinstinkt. Ich habe es zwar noch nie groß auf einer anderen Position probiert, das ist aber wohl auch besser so (lacht).

Wie lief aus Ihrer Sicht die Vorbereitung des SC Waldgirmes?

Die 0:1-Niederlagen gegen Oberligist SV Gonsenheim und TuBa Pohlheim sorgten nicht unbedingt für Ernüchterung, aber wir waren nicht wirklich zufrieden. Eine richtig gute Leistung haben wir dagegen beim 2:0-Erfolg gegen Oberligist Erndtebrück gezeigt.

Mit Tolga Duran, Dennis Lang, Marvin Helm, Nicolas Strack sowie Kouami Edem „Raoul“ Dalmeida hat der SC Waldgirmes einige wichtige Leistungsträger verloren. Wie werden diese Abgänge aufgefangen, und wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Die Quantität im Kader ist in jedem Fall vorhanden, vor allem dank der vielen guten Spieler aus der eigenen Jugend. Diese sind aber eben auch immer ein gewisses Risiko. Sie können sich gut entwickeln und sich in der Hessenliga durchsetzen, so wie es Mert Ciraci zuletzt geschafft hat, oder sie schaffen es nicht. Leichte Bedenken habe ich dagegen in der Defensive. Ich halte Dennis Lang für einen der besten Innenverteidiger im gesamten Kreis. Auch menschlich ist er ein super Typ. Ihn kann man einfach nicht eins-zu-eins ersetzen, weshalb wir diesen Verlust auch intern auffangen wollen. Außerdem dürfen uns nicht, wie in der zurückliegenden Saison, mit Dennis und Raoul wichtige Leistungsträger verletzungsbedingt ausfallen. Dann wird es dünn.

Die Regionalliga-Absteiger Eintracht Stadtallendorf und Hessen Dreiech. Dazu Barockstadt Fulda-Lehnerz und Hessen Kassel, die vergangene Saison hinter den Erwartungen geblieben sind. Hat die Liga aus Ihrer Sicht an Qualität gewonnen?

Das würde ich so nicht unbedingt sagen. Interessanter und vielschichtiger ist die Liga aber durch die sechs Aufsteiger geworden. Deswegen sehe ich sie jedoch qualitativ ein wenig schlechter als vergangene Saison. Das sind einige Teams dabei, die schnell Probleme bekommen könnten. Dafür ist die Spitze vermutlich ausgeglichener als zuletzt.

Auch in dieser Saison lautet das offizielle Ziel des SCW wieder Klassenerhalt. Ist vielleicht sogar mehr drin?

Durch die erwähnten Abgänge wichtiger Eckpfeiler befinden wir uns in einem kleinen Umbruch. Daher bin ich in puncto Saisonziel sehr, sehr vorsichtig. Wir wollen nicht bis zuletzt zittern, sondern so früh wie möglich den Klassenerhalt einfahren. Für mehr reicht es in meinen Augen erst einmal nicht, aber mal schauen. Viel hängt auch vom Saisonstart ab, der ist immens wichtig.

Dort warten zweimal Hanau 93, Baunatal, Kassel und Fernwald. Es gibt sicherlich leichtere Auftaktprogramme.

Ja, gerade der Vergleich mit Kassel vor heimischer Kulisse wird interessant. Hanau ist dagegen eine Unbekannte, kann daher ein harter Brocken werden. Wobei mir nach wie vor nicht verständlich ist, dass wir an den ersten vier Spieltagen zweimal gegen sie spielen. Da hätte es sicher interessantere Auftaktduelle für beide Teams gegeben. Und auch, dass das Rückspiel nicht am ersten Spieltag nach der Winterpause stattfindet, verstehe ich nicht ganz. Dennoch sind fünf bis sechs Punkte aus den ersten vier Spielen unser Ziel, damit wir mit guter Stimmung ins Derby gegen Fernwald gehen.

Wer sind für Sie die Meisterschaftsfavoriten?

Neben Hessen Kassel würde ich auch noch Absteiger Dreieich nenen. Die haben sich gut verstärkt und mit Lars Schmidt einen sehr guten Trainer.

Das Interview führte Tim Georg.



Aufrufe: 022.7.2019, 08:00 Uhr
Gießener AnzeigerAutor