2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
– Foto: Mehmet Dedeoglu Dedepress

Leidenschaftlich, polarisierend und auch mal unbequem

Mit einer abwechslungsreichen und bewegten Laufbahn im Gepäck folgte Pierre Becken 2018 dem Ruf von Rot-Weiß Erfurt. Mit Anfang 30 wollte der Defensivspieler in Erfurt ankommen, konnte sich vorstellen bis zum Laufbahnende in der Thüringer Landeshauptstadt zu spielen und darüber hinaus in Erfurt zu bleiben. Diesmal zwang ihn die enorme finanzielle Schieflage des Vereins und der damit verbundene Mannschaftsrückzug einmal mehr seine Zelte abzubrechen.

Pierre Becken (32), er weiß, dass er auch polarisiert, war hier und da durchaus unbequem. Einer, der seine Meinung sagt und damit auch mal aneckt. „Ja, ich denke sehr präsent und polarisierend passt schon für mich“, sagt der Mann, der in Celle geboren wurde und die aktuelle Corona-Pause bei seiner Familie im hohen Norden verbringt. Dort versucht er sich individuell fit zu halten. „Ich musste auch erst lernen, dass es vielleicht manchmal besser ist, seine Meinung für sich zu behalten“, sagt Pierre Becken. Spontan fällt ihm eine Anekdote zu Nordhäuser Zeiten ein, als Toni Sailer zum ihm sagte: „Ich dachte immer du bist ein richtiger Rowdy.“ Aber Sailer änderte seine Meinung, berichtet Pierre Becken.

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Nun ist der Innenverteidiger bei Schwarz-Weiß Rehden unter Vertrag. Rehden ist ein beschauliches Örtchen in Niedersachsen mit rund 1.700 Einwohnern. Schwarz-Weiß kickt in der Regionalliga Nord, ist aber doch so komplett anders als Beckens vorherige Stationen. „Das ist natürlich im Vergleich zu Erfurt ein kleinerer Verein und komplett anders als das, was ich bisher gemacht habe“, meint Pierre Becken. „Die Jungs aus Rehden haben sich im Winter sehr um mich bemüht. Aber zunächst hatte ich bis zum letzten Tag gehofft und gekämpft, dass es in Erfurt doch weitergehen kann“, so der 32-Jährige, der während der RWE-Hängepartie am Anfang das Jahres viele schlaflose Nächte hatte. „Wir Spieler haben das erst richtig mitbekommen, als wir Mitte Januar unser Geld nicht bekamen. Die nächsten Wochen waren eine Achterbahnfahrt. Ich hatte auch immer noch die Hoffnung, dass es weitergeht und habe auch versucht, die Spieler bei der Stange zu halten“, meint Becken, für den klar ist: „Es wäre ein Armutszeugnis gewesen, wenn wir uns alle gleich vom Hof gemacht hätten. Wenn sowas ist, muss man auch mal die Arschbacken zusammenkneifen.“

Aber auch das Zusammenkneifen half seinerzeit nicht. Der Rückzug der Mannschaft konnte nicht mehr verhindert werden. „Ich hatte den Plan, dass ich mit 30 einen Standort habe, an dem ich bleiben kann. Da wäre Erfurt ziemlich cool gewesen. Ich hatte das Gefühl: Da kann ich bleiben bis ich aufhöre und konnte mir auch vorstellen nach der Laufbahn was in Erfurt zu machen.“ Daraus wurde nichts: Wieder Koffer packen. Ein neuer Verein, eine neue Stadt. Genau das, was Becken eigentlich nicht mehr unbedingt brauchte. Denn sehr oft hat er das bereits erlebt, hat viele – zum Teil kurze Stationen – in seiner Vita. Schwarz-Weiß Rehden ist seine 11. Station im Herrenbereich.

Pierre Becken im Wacker-Trikot: Zwei Spielzeiten verbrachte der Verteidger bei Wacker Nordhausen
Pierre Becken im Wacker-Trikot: Zwei Spielzeiten verbrachte der Verteidger bei Wacker Nordhausen – Foto: Sportfotos Nordhausen

Ganz sicher erlebte der Abwehr-Recke dabei schöne und weniger schöne Spielzeiten bei verschiedenen Vereinen. Doch eine wurmt ihn ganz besonders. Das Ende in Halle nagt an ihm. Denn die Station in Halle war so ganz anders geplant. Dritte Liga, er wollte sich etablieren, vielleicht kann man sogar mal Richtung zweite Liga schauen, wenn alles klappt. „Ich war vom Pech gebeutelt, hatte in zwei Jahren drei Fußbrüche. Eigentlich wollte ich zu dieser Zeit in eine ganz andere Richtung. Der Abschied von Halle war meiner Meinung nach nicht ganz fair. Jemandem, der in kurzer Zeit diese Verletzungen durchmacht aber immer wieder versucht in die Bresche zu springen, sich immer wieder rangekämpft hat, zu sagen: Du kannst jetzt gehen. Man hat mich mit meinem Gepäck auf die Straße gesetzt. Das war für mich ein Unding.“, sagt Becken noch heute enttäuscht. Es folgten Stationen in Jena, Nordhausen, Wuppertal und beim Berliner AK, bis der Kicker eben in Erfurt landete. Bei dem Verein, in der Stadt, wo er vermutlich das meiste Herzblut investiert hat und bis heute investiert. Denn auch vom hohen Norden aus versucht Becken irgendwie in der aktuellen Lage zu unterstützen, ist im Austausch mit dem Förderverein des FC RWE. „Mit dem Förderverein bin ich regelmäßig in Kontakt und versuche den Jungs zu helfen. Ich will zeigen, dass ich nach wie vor dazu stehe“, so Pierre Becken.

Beim FC Carl Zeiss Jena mit der Kapitänsbinde am Arm: Becken machte zwei mal Station in Jena.
Beim FC Carl Zeiss Jena mit der Kapitänsbinde am Arm: Becken machte zwei mal Station in Jena.

Wie es für Becken fußballerisch nach der Coronakrise weitergeht? „Mein erster Ansprechpartner ist Rehden“, sagt er dazu. „Ich hatte gerade erstmal ein Spiel gemacht und dachte dann: Jetzt kann es richtig losgehen. Dann wurden wir wieder ausgebremst.“

Aufrufe: 025.4.2020, 20:57 Uhr
FuPaAutor