2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview der Woche
F: Martinschledde
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Nach »Shitstorm«: „Würde jederzeit wieder so handeln“

Schiedsrichter Ali Senol verteidigt im Gespräch mit FuPa Ostwestfalen seine Entscheidung zu den Platzverweisen beim Kreispokalspiel FSC Rheda – FC Gütersloh.

Ali Senol – so heißt der 28-jährige Unparteiische, der das Gütersloher Pokal-Viertelfinale zwischen dem FSC Rheda und dem FC Gütersloh leitete. Aufgrund seiner Entscheidung, vor dem Tor zum 2:1 durch Sinan Aygün (49.) seinen Assistent Fredrick Jaschinski, der für alle sichtbar die Fahne gehoben hatte, zu überstimmen und regelkonform weiterspielen zu lassen, wurde Senol heftig kritisiert. FuPa Ostwestfalen sprach mit dem jungen Offiziellen und traf einen aufgeräumten, sachlich reflektierenden Schiedsrichter, der Verständnis äußert – sich aber nichts vorzuwerfen hat.

Im Alter von 16 Jahren pfiff der Gütersloher erstmals ein Fußballspiel. Begonnen hatte seine sportliche Laufbahn bei Viktoria Rietberg sowie dem SC Verl. „Irgendwann wurde ich von Andreas Münster (Kreisschiedsrichterausschuss Gütersloh) gefragt, ob ich nicht Lust hätte, auch mal zu pfeifen. Damals herrschte nämlich auch schon ein Schiedsrichtermangel“, erzählt der 28-Jährige. Von der Idee nicht abgeneigt, absolvierte Ali Senol die ersten Lehrgänge, stieg schnell auf und wurde nach kürzester Zeit in der Bezirksliga eingesetzt.

Heute leitet der Jurist, der ab Januar 2018 in einer renommierten und großen Bielefelder Kanzlei für Strafverteidigung tätig ist, regelmäßig Spiele in der Westfalenliga und kommt sogar in der Oberliga zum Einsatz. Ein Kreispokalspiel ist für Senol also business as usual. „Ab der Westfalenliga und aufwärts sind meine Einsatzligen. Im Schnitt komme ich da mit drei Karten pro Partie aus.“ Bei der Begegnung zwischen dem FSC Rheda und dem FC Gütersloh war das leider nicht möglich. Der Vorwurf vieler Beobachter, Fans und Anhänger des FSC Rheda: Der Schiedsrichter hat das Spiel entschieden!

Herr Senol, können Sie den »Shitstorm« vieler User bei FuPa Ostwestfalen nachvollziehen?
Emotional aus Spielersicht des FSC Rheda ist es vielleicht noch nachvollziehbar, bzw. verständlich – ja. Aber die Berichterstattung von FuPa Ostwestfalen hat daran großen Anteil.

Wie meinen Sie das?
Ganz einfach. Es wurden Unwahrheiten verbreitet und sich nicht an die Faktenlage gehalten. Ich habe den Spieler Niklas von Mutius nicht nur für – die von Ihrem Redakteur höhnisch als – „üble Beleidigung“ („Schiri, die Fahne war hoch.“) vom Platz gestellt, sondern für minutenlanges Protestieren und Meckern.

Können Sie uns die Situation aus Ihrer Sicht schildern?
In den FuPa.TV-Aufnahmen hören Sie den Tonfall des Spielers – der überdies zuvor wegen Meckerns ermahnt wurde. Da er dann in dieser Situation nochmals meckerte, und zwar lautstark, musste in der Konsequenz zur vorherigen Ermahnung die erste Verwarnung (Gelbe Karte) her. Daraufhin beruhigte sich der Spieler immer noch nicht. Er meckerte permanent weiter, lamentierte und reklamierte. Selbst als er rief, „Gib mir doch Gelb-Rot“, ließ ich dem Spieler das durchgehen. Schließlich war die Aufregung rein menschlich auch nachzuvollziehen. Trotzdem hörte der betroffene Spieler nicht auf zu diskutieren. Sogar seine eigenen Spieler haben ihn am Trikot gezerrt und versucht zurückzuhalten. Als er sich dann selbst im Vorbeilaufen immer noch nicht beruhigen konnte und weiterhin lautstark beschwerte, musste ich handeln. Folgerichtig wurde der Spieler mit Gelb-Rot des Platzes verwiesen.

Sie stehen also für eine konsequente Umsetzung des Regelwerks.
Der Unparteiische muss von den Spielern ernst genommen werden. Ich war selbst Spieler und kann wie gesagt viele Dinge nachvollziehen. Wenn ein Spieler beispielsweise nach einem Fouspiel im ersten Moment eine Äußerung tätigt, die vielleicht nicht hundertprozentig „politisch korrekt“ ist, überhöre ich das natürlich. Der Betroffene ist aufgebracht und reagiert emotional. Aber dann nach ein paar Minuten muss man sich wieder besinnen. Dann kann es nicht sein, dass man dem Schiedsrichter weiterhin respektlos gegenübertritt. So ein Verhalten muss geahndet werden. Die Autorität des Unparteiischen sollte stets gewahrt werden. Sonst machen die Spieler mit einem, was sie wollen. Und dann kann Niemand mehr ein Spiel kontrollieren und sachlich vernünftig leiten.

Bei der Situation, die zum 2:1-Anschluss führte, haben Sie ihren Assistent überstimmt. Wieso?
Mein Assistent hat fälschlicherweise gedacht, bzw. gesehen, dass der Ball – der in dieser Szene in die Mitte gespielt wurde – von einem FC Gütersloh Spieler abgefälscht wurde und es deswegen hätte Abseits geben müssen. Wenn es so gewesen wäre. Dies war jedoch eindeutig – wie auch die FuPa.TV-Aufnahmen zeigen – nicht der Fall. Der Ball kam vom FSC Rheda. Daher musste mein Assistent überstimmt werden. Mir ist bewusst, dass eine solche Entscheidung für Zuschauer und Beobachter unglücklich aussieht, aber letztlich zählt nur die regeltechnisch korrekte Entscheidung. Und die habe ich getroffen. Außerdem habe ich noch während der Spielsituation gerufen: „Der Ball kam vom eigenen Mann! Weiterspielen!“

Der FC Gütersloh war also schlicht gedankenschneller?
So könnte man es ausdrücken. Der FC Gütersloh hat geistesgegenwärtig geschaltet. Die Spieler des FSC Rheda wollten lieber diskutieren, statt weiterzuspielen.

Einer der besonders viel Redebedarf hatte, scheint Faulus Bulut gewesen zu sein.
Ganz traurige Geschichte. Ich bin wirklich lange Schiedsrichter. Kenne so ziemlich jeden Spieler im Kreis Gütersloh und komme echt mit den meisten gut klar – sowohl auf als auch abseits des Platzes. Ich finde es auch völlig nachvollziehbar, dass ein Spieler mal enttäuscht oder wütend ist. Es kann auch mal ein „böses“ Wort fallen, wenn es nach dem Spiel dann auch wieder gut ist. Aber was die von Ihnen erwähnte Person betrifft, war es eindeutig ein Ausnahmefall.

Faulus Bulut wurde von Ihnen mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. Wieso gibt es einen Sonderbericht?
Während des Spielverlaufs fiel der Spieler Bulut immer wieder durch abfällige Bemerkungen auf. Bereits in der 8. Spielminute musste ich das laufende Spielgeschehen unterbrechen, es gab indirekten Freistoß und Herr Bulut wurde verwarnt. Auch im weiteren Spielverlauf kommentierte der Spieler jede Entscheidung oder zweifelte sie an. Nach dem 2:4 äußerte er sich wie folgt: „Meine Fresse, Du hast das Spiel richtig gef....“. Trotz dieser extrem harten Wortwahl habe ich aus Nachsicht die Szene nur als Unsportlichkeit, und nicht als grobe Unsportlichkeit, gewertet. Dadurch entging Herr Bulut einer glatten Roten Karte.

Damit war das Kapitel aber anscheinend noch nicht beendet.
Vollkommen nicht. Nach Spielschluss, auf dem Weg in die Kabine, folgte dann Etwas, dass ich so bisher auch noch nie erlebt habe. Als ich mit meinen beiden Assistenten an der Kabine des FSC Rheda vorbeiging, saß Herr Bulut vor der Tür auf einer Bank. Im Vorbeigehen stand er auf, klatschte höhnisch Beifall und sagte die folgenden Worte: „Schön gemacht. Hoffentlich kannste dir jetzt einen drauf w...!“

Welche Konsequenzen ziehen Sie?
Aufgrund der Schwere der Beleidigungen von Faulus Bulut, sowie seinen öffentlichen Äußerungen auf Ihrer Facebook-Seite (Reichweite von mehr als 100.000 Menschen) strebe ich ein strafrechtliches Verfahren an. Gleiches gilt für den Spieler Josef Faal.

Abschließend bleibt noch die Frage: Würden Sie ihre Entscheidungen wieder so treffen?
Jederzeit. Ich stehe voll und ganz hinter jeder einzelner Entscheidung. Sie waren korrekt und regelkonform. Wäre das Spiel morgen, würde ich genauso wieder entscheiden.

Herr Senol, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Ich danke Ihnen für diese Möglichkeit.

Aufrufe: 012.10.2017, 14:45 Uhr
FuPaAutor