2024-05-22T11:15:19.621Z

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Interview zum BFV-Beschluss: „Der Verband hatte keine andere Wahl!“

Ex-Landesligaspielleiter Peter Moossmann im Interview

Ex-Landesligaspielleiter Peter Moossmann äußert sich im Interview zum Beschluss des BFV, die Saison 2020/21 zu streichen.

Aussetzung des Spielbetriebs auf unbestimmte Zeit, virtuelle Großkonferenzen und Vereinsabstimmungen, bundesweite Wettrennen um Schutzkonzepte und Lockerungen. Und jetzt wird sogar eine komplette Spielzeit gestrichen.

Eine vergleichbare Ausnahmesituation wie sie der Bayerische Fußball-Verband seit drei Monaten verwaltet, hat Peter Moosmann, 72, in seiner 30-jährigen Funktionärslaufbahn nicht erlebt.

„Ich hätte Mitte März alles sein wollen, aber bloß kein Verbandsfunktionär, der über den Spielbetrieb entscheiden muss“, sagt der Ex-Landesligaspielleiter aus Anzing im Gespräch mit der Ebersberger Zeitung.

„Damals konnten wir in Ruhe arbeiten, waren nicht an Termine gebunden“

Was waren die größten Herausforderungen in Ihrer aktiven Zeit beim BFV?

Die Umstrukturierung der Spielkreise Erding, Freising und Dachau. Da bin ich wochenlang mit Alfred Fackler (verstorbener BFV-Ehren-Vizepräsident, d. Red.) in München rumgedüst, um den Vereinen klarzumachen, dass sie eingefahrene Strukturen ändern müssen.

Und die Eingliederung der Reservemannschaften in den Punktspielbetrieb. Beides ist aber kein Vergleich zu der Situation heute.

Damals konnten wir in Ruhe arbeiten, waren nicht an Termine gebunden. So weit ich zurückdenken kann, ist die Streichung der Saison 20/21 die schwierigste Entscheidung, die der Verband je treffen musste.

Ist es eine richtige Entscheidung?

Entscheidungen auf dem grünen Rasen sind immer besser als am grünen Tisch. Der Verband hatte in der jetzigen Situation aber keine andere Wahl. Vielleicht ist es auch das Beste, was passieren kann, weil man damit eine punktspielfreie Pause im Frühjahr überbrücken könnte. Im Kreis Ebersberg könnte man vielleicht den Landkreispokal umdenken. Mit Hin- und Rückspielen hätten Teams so vielleicht drei Spiele im Monat.

Damit wären wir bei zukünftigen Entscheidungsprozessen. Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement des BFV bisher?

Hervorragend. Kaum einer weiß, wie viel Zeit, Freizeit, Hirnschmalz und Diskussionen mit den Vereinen die Kollegen einbringen. Auch das neue Wechselrecht ist sehr durchdacht. Ich schließe jedoch bis zur Bezirksliga bei 90 Prozent der Spielern Wechsel aus. Nur die Abmeldefrist ist zu kurz und eine echte Schwachstelle.

Dass eine ganze Saison gestrichen wird, liegt auch am bayerischen Sonderweg der Saisonfortsetzung. 19 von 21 Landesverbänden haben die Saison inzwischen abgebrochen. Warum hat der BFV das nicht hinbekommen?

Hingekriegt hätte der BFV das auch. Auch rechtlich hätte er das durchgestanden, denn in einer Sondersituation muss man Zugeständnisse machen. Ob aber alle bayerischen Vereine damit zurechtgekommen wären, setze ich – auch in den anderen Verbänden – in Zweifel. In Bayern haben wir das Pech und Glück, die meisten Vereine und Spieler zu haben.

Bedeutet?

Auch bei uns im Verein in Anzing war die Mehrheit für einen Abbruch. Ohne Auf- und Absteiger ist das aber Käse! Ab der Bayernliga abwärts sind Loch-Ligen nämlich nicht spielbar. Ich habe so einen Spielplan in einer 18er-Liga mal erstellt. Da braucht es mindestens fünf englische Wochen. Ich glaube nicht, dass unsere Anzinger Spieler und der Großteil der Amateurmannschaften, die teils mit 13 Spielern pro Saison auskommen müssen, dazu nebenberuflich in der Lage sind.

Eine frühzeitige Annullierung im März wäre bei den Vereinen nicht mehrheitsfähig gewesen?

Wenn 66 Prozent der Vereine bei der Abstimmung nicht gesagt hätten, sie wollen weiterspielen, hätte der Verband auch diese Entscheidung sicherlich akzeptiert.

Na ja, das Prozedere dieser Abstimmung …

… war natürlich von Verbandsseite ein bisschen meinungsgefärbt. So gut wie ich die Kreis- und Bezirksvorsitzenden aber noch kenne, weiß ich, dass sie sehr vereinsseitig geprägt sind. Zu unserem Vorstand kann ich nichts sagen. Ich glaube aber, dass Rainer Koch inzwischen mehr Verbands- als Vereinspräsident und ein bisschen weit weg von den Vereinen ist. Trotzdem bin ich sicher, dass in der Vereinsspitze mit der Wahl alles fair und zum Wohl der Vereine zugegangen ist. Wir haben die Spitze selbst gewählt, also sollte doch etwas Vertrauen da sein.

Wann sind die Amateurkicker wieder im Wettkampfmodus?

Ich hoffe im September. Dazu muss aber Kontakttraining im August möglich sein. Und eines ist klar: Ohne Zuschauer macht Amateurfußball keinen Sinn! Da habe ich bei der Organisation und Sicherheit die meisten Befürchtungen. Lieber später anfangen! Da macht dann auch die BFV-Entscheidung Sinn, weil nach hinten kein Zeitdruck mehr besteht.

Ist das gesamte Ausmaß dieser Ausnahmesituation schon absehbar?

Also bei Vereinen, die von Zuschauern oder Sponsoren leben, kann’s schwierig werden. Vor allem Verträge mit Trainern können teuer werden, die zahlst du auch, wenn sie nix machen.

Und wie wird sich eine gelöschte Spielzeit bemerkbar machen?

Als Spieler spürst du das überhaupt nicht. Hauptsache, keine zu lange Pause zur nächsten Wettkampf-Saison. Sonst besteht gerade im Jugendbereich die Gefahr, dass du Spieler verlierst. Und der Verein muss sowieso schauen, dass er die Leute und seine finanzielle Basis zusammenhält. Nur in der Chronik wird es irgendwann heißen: Saison 2020/21 ausgefallen. Kein Meister, kein Absteiger. Das klingt schon jetzt sehr komisch.

Das Gespräch führte Julian Betzl

Aufrufe: 08.6.2020, 12:36 Uhr
Ebersberger Zeitung /Autor