Jürgen Heun hat beim FC Rot-Weiß Erfurt Legendenstatus. Der schussgewaltige Angreifer ist nicht nur Rekordspieler des früheren DDR-Erstligisten, sondern hat in der langen Historie der Thüringer auch die meisten Tore erzielt. In seiner Glanzzeit trug Heun das Trikot der DDR-Nationalmannschaft, für die er es auf 17 Einsätze brachte und dabei vier Treffer erzielte. Im Sommer 1993 wechselte Heun gemeinsam mit seinem Teamkameraden Heiko Räthe nach Niederbayern und schloss sich dem damaligen Bezirksoberligisten SV Landau an.
"Ich habe bei Rot-Weiß Erfurt alle Höhen und Tiefen mitgemacht. Im letzten Jahr der DDR-Oberliga sind wir haarscharf an einer Sensation vorbeigeschrammt und hätten uns fast für die erstmalige gesamtdeutsche 1. Bundesliga qualifiziert. Wenn wir Dynamo Dresden ein paar Wochen vor Saisonende daheim - das Spiel endete 0:0 - geschlagen hätten, dann wären in der darauffolgenden Spielzeit Top-Klubs wie Bayern, Dortmund, Gladbach, Frankfurt, Hamburg und Bremen nach Erfurt gekommen", berichtet der 62-Jährige, der mit seinem Herzensverein in der Saison 1991/1992 aber immerhin in der der 2. Liga sowie im Europapokal ran durfte. "In der 2. Liga haben wir kein Land gesehen, sind sang- und klanglos abgestiegen. Im UEFA-Pokal haben wir allerdings die erste Runde überstanden und sind dann auf Ajax Amsterdam getroffen. Die beiden Begegnungen gegen die Holländer waren - obwohl es zwei Niederlagen gab - natürlich etwas ganz Besonderes. Zudem haben wir im DFB-Pokal Schalke geschlagen", erzählt der Thüringer, dessen Karriere-Highlight im Januar 1982 ein Länderspiel mit der DDR-Auswahl in Brasilien war: "Für uns Ost-Deutschen war es der Wahnsinn, in Brasilien antreten zu dürfen. Vor 56.000 Zuschauern gingen wir sogar mit 1:0 in Führung, haben dann am Ende jedoch mit 1:3 verloren. Auf der Gegenseite stand mit Zico der zu dieser Zeit wohl weltbeste Fußballer. Ich bin in der zweiten Halbzeit eingewechselt worden. Dieses Spiel werde ich nie vergessen."
Im Sommer 1993 wechselte Heun, der in Erfurt auch unter Kult-Trainer Hans Meyer spielte, gemeinsam mit seinem Teamkollegen Heiko Räthe, der auch Stammkraft bei RWE war, zum SV Landau an der Isar, der damals in der Bezirksoberliga um Punkte und Tore kämpfte. "Wir hatten damals einen Kumpel, der nach der Wende nach Deggendorf gegangen ist. Über ihn kam der Kontakt zustande und wir haben dann gemeinsam mit unseren Familien dieses Abenteuer in Angriff genommen", sagt Heun, der kein Geheimnis daraus macht, dass das Leben in Ostdeutschland unmittelbar nach der Wiedervereinigung nicht einfach war: "Es war eine schwierige Zeit. Wir Fußballer konnten zwar unter Profi-Bedingungen arbeiten, haben aber nicht wirklich viel verdient und meine aktive Laufbahn befand sich ohnehin bereits auf der Zielgeraden. Wir wollten uns das im Westen ansehen und letztendlich war es eine gute Entscheidung", sagt Heun. Beim SVL war der Standard-Spezialist zunächst nur Spieler und hatte mit 19 Saisontreffern maßgeblichen Anteil an der Bezirksoberliga-Meisterschaft. Zudem bewirtschaftete das Erfurter Fußball-Denkmal gemeinsam mit seiner Frau die SVL-Gaststätte, ehe er später auch bei einem Sponsor arbeitete.
In der Landesliga fungierte Jürgen Heun dann hauptsächlich als Trainer und kam nur mehr sporadisch zum Einsatz: "Ich habe mich auf den Trainerjob konzentriert und überwiegend in der zweiten Mannschaft, mit der wir dann sogar bis in die Bezirksliga aufgestiegen sind, gespielt. Hin und wieder bin ich aber auch noch in der Ersten aufgelaufen." Die Landauer Fußballer mischten in der Landesliga Mitte stets gut mit - es sprangen die Ränge 8, 6, 7 und 11 heraus. "Wir hatten eine richtig gute Truppe. Ich bin mit den Jungs zweimal in Erfurt im Trainingslager gewesen. Wir haben dort unter anderem gegen Landesliga-Teams aus Thüringen gespielt, die wir regelrecht vom Feld geschossen haben. Das war schon ein starkes Team mit vielen hervorragenden Fußballern", lobt Heun seine frühere Mannschaft, die im Sommer 1996 nur knapp den ganz großen Coup verpasste. Als niederbayerischer Pokalsieger - im Endspiel besiegte der SVL den damaligen Bayernligisten 1. FC Passau mit 2:0 - hatten Höfler, Sagmeister, Sokol & Co. auf heimischen Geläuf die entscheidenden Partie um den Einzug in die 1. DFB-Pokalhauptrunde, die vor 650 Zuschauern gegen die SpVgg Fürth, die seinerzeit in der dritthöchsten Liga spielte, mit 0:2 verloren ging.
Anders entwickelte sich die Situation bei Heiko Räthe, der auch nach seiner aktiven Zeit mit seiner Familie im Raum Landau geblieben ist. Der kantige Abwehrspieler war beim SVL eine große Stütze und erzielte aufgrund seiner Schuss- und Kopfballstärke auch etliche Tore. Bei einem Räthe-Elfmeter kam der seinerzeit beim 1. FC Bad Kötzting im Tor stehende Lutz Pfannenstiel, der als Fußball-Globtrotter bekannt wurde und bis vor Kurzem Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf war, ans Leder und brach sich bei dem wuchtigen Versuch, der dennoch den Weg in die Maschen fand, die Hand. An seine Landauer Anfangszeit erinnert sich der Ex-Profi jedoch nur ungern zurück: "Wir sind zwar im ersten Jahr aufgestiegen, aber für mich persönlich ist es nicht gut gelaufen. Die sportliche Umstellung war groß. In Erfurt hatten wir zum Teil zweimal am Tag Training, in Landau waren es während der Saison nur zwei Einheiten in der Woche. Zu allem Überfluss bin ich in der ersten Saison zwei- oder dreimal vom Platz geflogen. Rückblickend habe ich das am Anfang alles wahrscheinlich etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen und unterschätzt. Auch auf die zugesagte Arbeitsstelle musste ich eine Weile warten, so dass die ersten Monate im Westen für mich schwierig verliefen." Dass Räthe überhaupt in Landau gelandet ist, liegt in erster Linie an seiner Gattin. "Ich hatte damals ein Angebot von Union Berlin. Aber meine Frau hat ihr Veto eingelegt und deshalb sind wir mit unserer kleinen Tochter nach Bayern gegangen. Wir wollten uns das mal ein Jahr ansehen, mittlerweile sind fast drei Jahrzehnte daraus geworden", schmunzelt der sympathische Sportsmann, für den der Mauerfall etwas zu spät gekommen ist: "Wäre die Wende schon ein paar Jahre früher gekommen, hätte ich mir mit dem Fußball wohl richtig gutes Geld verdienen können."
In der Landesliga lief es dann für Heiko Räthe wesentlich besser und der Routinier war in der Hintermannschaft der Bergstädter nicht mehr wegzudenken. "Wir hatten eine Top-Mannschaft, in der es mir richtig Spaß gemacht hat. Eigentlich hätten wir insgeheim sogar mal den Aufstieg in die Bayernliga ins Visier genommen, aber trotz guten Personals haben wir nie ganz vorne mitmischen können." Die finanziellen Turbulenzen und die daraus resultierende Insolvenz war auch für Räthe ein Schlag: "Eine solche Geschichte ist immer sehr traurig. Ich habe das bedauert, weil ich immer gerne für den SV Landau gespielt habe und eigentlich schon noch etwas länger in der Landesliga kicken wollte." Der Abwehrmann war dann noch dreieinhalb Jahre Spielertrainer in der Kreisklasse beim SV Großköllnbach, ehe er sich 2002 nahezu komplett von der Fußballbühne verabschiedete. "Ich habe vor ein paar Jahren meinen Nachzügler noch als Kleinfeld-Trainer begleitet, ansonsten verfolge ich den regionalen Fußball nur noch ein bisschen am Rande", erzählt der 56-Jährige, der 2001 in Großköllnbach Haus gebaut hat und längst in Niederbayern heimisch geworden ist. "Wir fühlen uns hier wohl und es hat sich rentiert, dass wir 1993 von der Großstadt Erfurt nach Niederbayern gegangen sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir von Großköllnbach nochmal weggehen werden", sagt ein schmunzelnder Heiko Räthe.