2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
– Foto: Schepp

»Der Rückzug damals hat uns gutgetan«

VL MITTE: +++ Geschichte des (Wieder-)Aufstiegs des FSV Fernwald in die Hessenliga hat einige besondere Facetten / Hoffnung auf mehr Resonanz +++

giessen. Der FSV Fernwald ist in die Fußball-Hessenliga zurückgekehrt. Der souverän herausgespielte Aufstieg in der Fußball-Verbandsliga Mitte ist ein Höhepunkt in der Erfolgsgeschichte des 2007 aus dem FSV Steinbach hervorgegangenen Vereins, der seitdem aber auch einige Rückschläge erlebt hat. So zum Beispiel mit dem verpassten Aufstieg in der vorletzten Saison, als das Ziel als Tabellenzweiter in der Relegation gegen Türk Gücü Friedberg verfehlt wurde.

Überraschend für die heimische Fußballszene kam dabei aber der freiwillige Rückzug nach der Saison 2014. Spekulationen, Hauptsponsor Günter Hühn sei der Initiator gewesen, widerspricht Lutz Becker vehement, heute wie damals neben Hühn „Vorstand Sport“ im FSV: „Der Rückzug war die Konsequenz aus der Resonanz. Wir Verantwortlichen haben erkannt, dass der Aufwand für den Spielbetrieb in der Hessenliga nicht berechtigt ist, wenn dann zum Spiel gerade mal 150 Zuschauer kommen. Da steht auch das Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Helfer im Umfeld in keinem Verhältnis zum Interesse für den Amateurfußball.“ Auch bei anderen Vereinen ein nach wie vor aktuelles Thema, wie zum Beispiel der Rückzug des FSC Lohfelden aus der Hessenliga zeigt.

Der Neubeginn startete dann 2014/15 in der Kreisoberliga, in der die bisherige „Zweite“ des FSV mit Ralf Pinkl als Trainer auflief. Als das Team in Abstiegsgefahr geriet, gelang mit Roger Reitschmidt als Coach noch der Klassenerhalt. Auch dank einer prominenten Verstärkung aus der Bundesliga. Durch Reitschmidts Verbindung kam Martin Schneider, ein ehemaliger Profi, der u.a. für den 1. FC Nürnberg und Borussia Mönchengladbach über 400 Bundesligaspiele absolviert hatte, und verhalf in den letzten zehn Spielen dem FSV noch zum Ligaerhalt. Es folgten danach der Aufstieg in die Gruppen- bzw. ein Jahr später in die heutige Verbandsliga. Und Reitschmidts Nachfolger Karl-Heinz Stete schaffte nun die Rückkehr in Hessens höchste Amateur-Liga.

Dort hatten die Steinbacher, die mit der Umbenennung den Bezug zur Gemeinde Fernwald dokumentieren, aber auch insbesondere ein Alleinstellungsmerkmal schaffen wollten, bereits ab der Saison 2005/06 neun Jahre Hessenliga erlebt. Mit der besten Platzierung 20011/12, als der FSV die Saison als Tabellen-Dritter abschloss. Das gelang Trainer Daniyel Bulut, der drei Jahre an der Oppenröder Straße seine Spuren hinterließ und dem das. da er zuvor nur im Jugendbereich tätig gewesen war, nicht alle „Experten zugetraut hatten. Neben ihm haben im heimischen Raum bekannte Namen wie Niko Semlitsch, Claus-Peter Zick, Ottmar Wagner, Stefan Hassler, Timo Becker, Günther Stiebig und Roger Reitschmidt bis hin zu Ronny Bochers, dem ehemaligen Profi von Eintracht Frankfurt, auf der FSV-Bank gesessen. Aber auch das kickende Personal war dank der Unterstützung von Sponsoren meist hochkarätig und hatte weitgehend die Qualität für höhere Ligen.

Wenn auch Spieler und Trainer kamen und gingen, die Verantwortlichen blieben dem Verein treu. So kickten Becker und Hühn schon zusammen in einem FSV-Team, das 1980 aus der B- in die A-Liga aufstieg. Hühn, der wie seine Kollegen auch mal selbst Hand anlegt, um Reparaturen auf dem Sportgelände zu erledigen, brachte es mittlerweile auf 43 Jahre und Becker auf 30 Jahre Vereinstätigkeit. Und auch der derzeitige Sportliche Leiter, Marco Semlitsch, ist nach Trainerstationen in Lich und Naunheim wieder bei seinem Heimatverein gelandet, für den der 50-Jährige sieben Jahre als Spieler und zwischenzeitlich als Trainer im Einsatz war.

„Der Rückzug damals hat uns gutgetan.“ Lutz Becker blickt zufrieden auf den freiwilligen Abstieg von der Hessen- in die Kreisoberliga, denn er brachte auch den Impuls für ein neues Konzept. Zwar wurden in den letzten Jahren auch immer wieder zum Teil namhafte Spieler mit höherklassiger Erfahrung verpflichtet, aber die Verantwortlichen wollen laut Becker „immer mehr auch Talente aus der Region sammeln, die sich beim FSV sportlich und auch persönlich entwickeln sollen.“ Dazu gehört auch ein Unterbau mit 2. Mannschaft und Jugendarbeit. Deshalb hat die „Zweite“ mit Trainer Matthias Lehmann, die mit vorwiegend Spielern aus der eigenen Jugend (Durchschnittsalter 21 Jahre) Tabellenrang vier in der B-Liga belegte, die A-Klasse als Ziel. In der Jugendabteilung der JFV Mittelhessen, aus der nach dem Aufstieg in die Regionalliga der SC Teutonia Watzenborn-Steinberg ausgeschieden ist, spielen derzeit rund 200 Kinder in 14 Mannschaften, wobei die A-Jugend in der Gruppenliga aufläuft. „Wir wollen uns mit der Jugend hinter dem FC Gießen und der TSG Wieseck etablieren“, erhofft sich Becker für die Zukunft.

Aber nur mit Talenten wird es schwer gelingen, die positive Entwicklung fortzusetzen. Deshalb freut sich Hühn, dass er „einen neuen Hauptsponsor und weitere Unterstützer für die Finanzierung des Spielbetriebs gewinnen“ konnte. „Wir wollen in der Hessenliga nichts mit dem Abstieg zu tun haben und attraktiven Fußball bieten“, gibt der Sportliche Leiter Semlitsch für die kommende Runde der „Ersten“ vor und ist sich mit Hühn und Becker einig: „Regionalliga ist für uns kein Thema.“

Zurzeit wird das Sportgelände weiter aufgepeppt. Nach dem neuen Kunstrasenplatz entsteht zurzeit nun ein neuer Restaurationsraum zwischen Rasen- und Kunstrasenplatz. Dazu wird die bisherige Imbissbude zur Umkleidemöglichkeit für die Jugend ausgebaut. „Mit der Unterstützung der Kommune können wir sehr zufrieden sein“, kommentiert Becker in dem Zusammenhang das Verhältnis des Vereins zur Gemeinde Fernwald mit dem ehemaligen Bürgermeister Dieter Howe – der auch lange Jahre im Vorstand der FSVler maßgeblich aktiv war und unter dessen Ägide die Umbenennung fiel – und dem aktuellen Gemeindeoberhaupt Stefan Bechthold.

Nach dem Wunsch der Verantwortlichen sollen sich in der kommenden Hessenliga-Runde ab 250 Zuschauer im Schnitt auf dem Gelände einfinden. Dazu sollen auch die Termine des FC Gießen in der Regionalliga besser berücksichtigt werden. Die Hessenliga kann also kommen!



Aufrufe: 08.7.2019, 08:00 Uhr
Rolf Birkhölzer (Gießener Anzeiger)Autor