2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
F: Leschek
F: Leschek

Abstiegskampf bis zum letzten Pfiff

KOL HOCHTAUNUS: +++ Quartett aus dem Usinger Land erlebt eine Saison mit besonderer Dramatik +++

Das Quartett der heimischen Teams in der Fußball-Kreisoberliga Hochtaunus war in der Saison 2016/2017 komplett in den dramatischen Abstiegskampf verwickelt, in dem die halbe Liga um den Klassenerhalt kämpfte. Am Ende hatten die FSG Weilnau/Weilrod/Steinfischbach als Neunter, die Usinger TSG II als Zehnter und der FC Neu-Anspach II als Elfter erst am allerletzten Spieltag den Ligaverbleib sicher. Die SG Wehrheim/Pfaffenwiesbach muss als Schlusslicht den bitteren Gang in die A-Liga antreten. Im Gespräch mit dem Usinger Anzeiger analysierten die Trainer Ingo Wassum (W/W/S), Ben Platt (UTSG II), Michael Riemann (FC NA II) und Gregory Strohmann (Wehrh./Pfaff.) die vergangene Spielzeit und und blickten voraus.

Warum hat die Mannschaft so lange um den Klassenerhalt gekämpft? Warum hat es nicht für mehr gereicht?

Ben Platt: "Die Qualität hat ein wenig gefehlt, aber wir haben das Mögliche gemacht. Ein Sieg war nur drin, wenn wir 100 Prozent gegeben haben. Das ging nicht über die ganze Saison. Ausfälle konnten wir nicht kompensieren. Am Ende war die Luft raus und wir waren froh, dass uns die A-Jugend ausgeholfen hat. Der Kader der „Zweiten“ war für die Kreisoberliga zu eng."

Michael Riemann: "Unser Ziel war ein einstelliger Tabellenplatz. Den haben wir außer an zwei Spieltagen immer geschafft und ihn am Ende doch noch verloren. Es war früh klar, dass es angesichts der Abgänge und langfristigen Ausfälle nicht leicht wird. Wir hatten wichtige Bestandteile der Mannschaft verloren, die nicht einfach zu kompensieren waren. Allerdings sind 37 Punkte viel. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass man damit so weit hinten landet. Wir waren neu aufgestellt. Das hat nicht ganz geklappt."

Gregory Strohmann: "Die Trainingsbeteiligung nur von der ersten Mannschaft war mangelhaft. Man kann für die Kreisoberliga nicht nur einmal die Woche ins Training kommen. Da haben zum Spiel-Ende immer einige Prozent gefehlt. Das war einfach zu wenig."

Ingo Wassum: "Vor der Winterpause lief es schlecht, weil wir personell auf dem letzten Loch pfiffen und überhaupt nur zwölf oder 13 Feldspieler zur Verfügung hatten. Danach gab es für uns nur noch hopp oder top. 2017 waren bis auf einen die Leistungsträger zumindest spielfähig. Wir haben für die Kreisoberliga die Klasse, wenn alle da und fit sind. Wenn drei oder vier wegbrechen, spielen wir gegen den Abstieg.

Was war das größte Manko in der Saison und was hat trotz der Misere im Abstiegskampf gut geklappt?

Ben Platt: "Wir haben defensiv überwiegend sehr gut gearbeitet. Wir waren gut, wenn taktisch diszipliniert agiert wurde und wir sehr gut standen. Nach vorne hat schon ein bisschen Qualität gefehlt. Es wurden zu viele Torchancen liegengelassen. Das große Plus war, dass wir auch bei hohen Niederlagen immer wieder diszipliniert verteidigt haben. Das war ausschlaggebend."

Michael Riemann: "Die fußballerische Entwicklung hat gut geklappt. Wir haben bereits sehr schönen Fußball gespielt. Unser Manko war fehlende Konstanz. Wir haben unsere Leistung nicht über 90 Minuten oder über zwei Spieltage gehalten. Da waren Siege gegen Stierstadt oder die SGK, aber in den entscheidenden Spielen hat Konstanz gefehlt."

Gregory Strohmann: "Wir haben zu viele Torchancen vergeben. Das hat nicht gereicht. Gut geklappt hat die Defensivarbeit. Die Mannschaft hat sich als Verbund immer besser zusammengefunden und in der Gesamtbewegung gut funktioniert."

Ingo Wassum: "Zu Saisonbeginn wollte die Mannschaft Viererkette spielen. Nach den Abgängen von Brück, Y. Wanzke und Schmitz mussten wir die Abwehr komplett umstellen und es standen mit Jochen Schäfer, Marc Kaul, Yücel Demiröz und Yannik Dietrich gelernte Stürmer hinten. Die haben schön gespielt, aber viele unnötige Tore kassiert. 2017 haben wir je nach Gegner mit unterschiedlichen Systemen gespielt und auch den Libero wieder rausgeholt. Das war Risiko, aber die Flexibilität im Team und die Akzeptanz, dass jeder einmal eine andere Rolle spielt, haben uns die Klasse erhalten. Die drei Auswärtsspiele gegen direkte Konkurrenten, als wir immer einen Rückstand gedreht haben, waren entscheidend."

Wie entscheidend für das Abschneiden waren Größe und Qualität des Kaders und was wird sich 2017/2018 personell verbessern?

Ben Platt: "Der Zusammenhalt in der Truppe war überragend. Das war angesichts der Kaderbreite wichtig. In der nächsten Saison wird das mit vielen A-Jugend-Spielern besser. Das macht die Sache für den neuen Trainer einfacher. Wir werden nicht weiter vorne stehen, aber das Personal ist leichter zu handhaben. Mehr Konkurrenzkampf ist für die Mannschaft und den Trainer besser. Dann stellt sich die Startelf nicht von selbst auf."

Michael Riemann: "Zu Saisonbeginn war der Kader sehr breit, aber das hatte keinen Einfluss, weil sich die Mannschaft erst finden musste. Am Ende hatten wir nur noch elf Spieler im Kreisoberligakader. Ohne Gruppenligaverstärkung hätten wir alt ausgesehen. Es kam viel zusammen und ist nicht so gelaufen wie gedacht."

Gregory Strohmann: "Die Größe des Kaders hat gereicht, aber durch Abgänge fehlte Qualität. 2017 wurde es besser, als die junge Garde einsprang. Die Jungs haben zwar nicht die Qualitäten wie zum Beispiel ein Kütt, aber sie haben Männerfußball kennengelernt, ihre Knochen hingehalten und werden behutsam aufgebaut. Die sind ehrgeizig und wir bauen auf sie. Die fünf oder sechs Spieler waren vor der Saison gar nicht auf dem Zettel. Jetzt müssen sie Konstanz reinkriegen."

Ingo Wassum: "Die Mannschaft braucht drei neue Spieler, die für die Kreisoberliga infrage kommen. Die Breite des Kaders muss größer werden. Kaul, Schäfer und Demiröz müssen wieder nach vorne rücken. Ein großes Manko war, dass die Nachrücker aus der Reserve beruflich bedingt nicht voll trainieren konnten. Gerry Gellrich und Marcel Krieger waren überhaupt nicht auf der Rechnung, aber haben das super gemacht."

Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus und was hätten Sie im Nachhinein gerne anders gemacht?

Ben Platt: "Ich hätte alles genauso wieder gemacht. Es war schwierig, nach drei Wochen Vorbereitung als Trainer einzusteigen, aber wir haben erreicht, was wir wollten. Sicher habe ich auch mal einen Fehler gemacht, aber das waren Kleinigkeiten. Insgesamt war es für mich zufriedenstellend und für die Mannschaft auch."

Michael Riemann: "Eigentlich sehr positiv. Ich hätte gerne drei Punkte mehr, also 40 Punkte, gehabt. Insgesamt war es zufriedenstellend. Die Mannschaft musste sich neu finden. Ich hätte nicht gedacht, dass 37 Punkte nicht zu mehr reichen. Ich hätte mir eine ruhigere Saison gewünscht. Wir müssen nächstes Jahr eine Schippe drauflegen. Denn 2017/2018 wird die Liga, alleine schon durch die Absteiger, sehr gut werden. Da wird es ganz schwer."

Gregory Strohmann: "Ich bin tief enttäuscht, weil ich in meiner ersten Trainerstation abgestiegen bin. Aber man muss auch mal einen Schritt zurückgehen, um daraus gestärkt hervorzugehen. Im Großen und Ganzen hätte ich nicht viel anders gemacht. Wir hatten im Rahmen unserer Möglichkeiten keine falschen Entscheidungen getroffen. Personaldiskussionen gibt es immer."

Ingo Wassum: "Wir wussten um die Schwere der Aufgabe und dass der Abstiegskampf bis zum Schluss dauern wird. Wir hatten in der Vorrunde zu wenig Durchschlagskraft und hinten zu viele leichte Fehler. Vielleicht hätte ich früher auf Libero umstellen sollen. Häufig war aber die Mannschaftsaufstellung alternativlos. Wir waren doch zur Winterpause eigentlich schon tot."

Fast zwei Drittel der Liga waren in den Abstieg verstrickt. Was sagt das über ihre Stärke aus?

Ben Platt: "Ein Urteil über die Stärke der Liga ist schwierig. Der FSV Friedrichsdorf hat 2017 jedes Spiel gewonnen und war das dominante Team der Liga. Der Rest in der Kreisoberliga war gleichwertig aufgestellt. Ob das die Liga schlechter gemacht hat, kann ich nicht sagen. In jedem Fall ist Friedrichsdorf völlig zu Recht Meister geworden."

Michael Riemann: "Dieses Jahr hat vielen Favoriten die Konstanz gefehlt. Einige Teams spielten eine gute Vorrunde und sind dann nicht mehr so gut gewesen. Wir auch. Einen Rückschluss auf die Stärke der Liga kann man daraus nicht ziehen. In jedem Fall wird die Liga nächste Saison stärker sein."

Gregory Strohmann: "Außer dem FSV Friedrichsdorf war keine Mannschaft konstant. Das spricht für Ausgeglichenheit. Ohne überheblich zu wirken: Wir hätten gegen jeden gewinnen können. Das Niveau war überschaubar. Die SF Friedrichsdorf waren nach der Hinrunde Fünfter und am Ende im Abstiegskampf. Die Liga war einen Tick schwächer als im Vorjahr, aber wir auch. Deswegen sind wir abgestiegen."

Ingo Wassum: "Die Liga war aus meiner Sicht selten so schwach. Wir haben Weißkirchen 7:1 geschlagen, das Vizemeister Stierstadt besiegte. Das spricht Bände. Außer dem FSV Friedrichsdorf gab es keine Mannschaft mit Konstanz. Diese Ausgeglichenheit ist keine Stärke."

Wie sehen aus Ihrer Sicht die Perspektiven für die Saison 2017/2018 aus?

Ben Platt: "Der Kader wird zwar größer werden, aber es wird nicht leichter. Ich will dem neuen Trainer Michael Müller nicht vorgreifen, aber die vielen A-Jugend-Spieler müssen sich erst an die Liga gewöhnen und ihren Weg finden. Die Euphorie vom Aufstieg aus dem Vorjahr ist nicht mehr da. Allerdings hat die UTSG Müller extra ausgewählt, weil er gut mit jungen Spielern arbeiten kann. Der Klassenerhalt in der Kreisoberliga wird aber deswegen nicht einfacher."

Michael Riemann: "Das ist sehr schwer zu beurteilen. Wir wollen und müssen mehr machen. In jedem Fall wird es nicht leichter, die Punkte zu holen. Nächste Saison wollen wir so schnell wie möglich den Klassenerhalt klarmachen. Wir müssen das Karriereende unserer Routiniers Christian Rodeck und Marc Holzapfel kompensieren. Ansonsten bleibt das Team zusammen. Es gilt, die A-Jugendlichen schnell zu integrieren. Jeder muss mehr Verantwortung übernehmen und seine Interessen dem gemeinsamen Ziel unterordnen.

Gregory Strohmann: "Unsere Perspektiven sind positiv, denn der komplette Kader bleibt zusammen und es kommen drei oder vier Zugänge. Der neue Kunstrasen in Pfaffenwiesbach verbessert unsere Trainings- und Spielmöglichkeiten. Euphorie ist spürbar. Seulberg ist für uns ein Vorbild. Wir wollen so weit wie möglich oben mitspielen. Wir wollen uns mit demselben Kader die KOL wieder verdienen."

Ingo Wassum: "Vielleicht wird etwas von der Euphorie des Klassenerhaltes rübergerettet. Es ist schwer zu sagen, was mein Nachfolger Thorsten Crecelius zur Verfügung hat. Wenn die Breite des Kaders stimmt und Konkurrenzkampf da ist, sieht es top aus. Wenn der Kader wieder so klein bleibt, wird es schwer, egal wer Trainer ist. Aus der Jugend kommt nichts nach."

Was muss sich im Verein tun, um die Lage nachhaltig zu verbessern?

Ben Platt: "Der Weg für die UTSG II geht nur über die A-Jugend. Wir setzen auf Eigengewächse, also junge Usinger Fußballer. Das ist schön und gut so. Sicher werden es die A-Jugendlichen nicht gleich in die Verbandsliga schaffen. Aber die zweite Mannschaft bietet die Perspektive, sich zu empfehlen."

Michael Riemann: "Ein Generationswechsel vollzieht sich. Um die besondere Stimmung des alten Team wiederherzustellen braucht es Zeit. Der Unterschied zwischen der KOL und der Gruppenliga ist mächtig. Wir bauen auf unsere super Jugendarbeit mit einer A-Jugend, die gerade Meister geworden ist."

Gregory Strohmann: "Die Gesamtkonstellation in der Gemeinde ist gut. Wir haben Zulauf aus der Jugend und werden 2018 wieder eine A-Jugend stellen. Der Verein organisiert viel und da passen viele Mosaiksteine zusammen. Die handelnden Personen im Gesamtverein sorgen für eine gute Lage."

Ingo Wassum: "Zusammenhalt war ausschlaggebend. Im Team war der richtige Geist. Angesichts der vielen Verletzungen hatten wir nur eine Chance, weil die Mannschaft mit Herz auftrat. Die Kameradschaft ist die Basis. Das sind Hobbyfußballer mit einer großen Vereins-Verbundenheit."

Aufrufe: 010.6.2017, 07:00 Uhr
Usinger AnzeigerAutor