2024-06-14T14:12:32.331Z

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– Foto: Boris Hempel

Fortuna-II-Trainer Michaty: "Haben einige Spieler mit Profi-Potenzial"

Nico Michaty ist seit zweieinhalb Jahren Trainer von Fortunas U23-Mannschaft. Der 47-Jährige hat das Team aktuell zu einem Spitzenteam der Regionalliga geformt. Er mahnt jedoch trotz der bislang geholten 35 Punkte zur Wachsamkeit.

Als Nico Michaty die Kamera zum Video-Interview einschaltet, lächelt er freundlich. Der Trainer von Fortunas Regionalliga-Fußballern ist gut drauf. Am Wochenende geht es nach knapp vierwöchiger Pause wieder um Punkte: Die „Zwote“ startet gegen den SV Straelen (Samstag, 14 Uhr, Paul-Janes-Stadion) in die Rückrunde.

Herr Michaty, trotz des 4:2-Siegs im Test gegen Bergisch Gladbach waren Sie am Wochenende unzufrieden. Wie hat die Mannschaft Ihre Kritik aufgenommen?

Michaty Mir ging es einfach darum, vor dem Start in die Rückrunde die Sinne zu schärfen, zu sensibilisieren. Ich habe die Dinge ja genannt: Chancenverwertung, Konzentration, Konsequenz. Die Jungs haben in dieser Woche gut trainiert. Man merkt, dass sich jeder für das Spiel am Samstag gegen Straelen zeigen und aufdrängen will.

Dennis Gorka stand zu Saisonbeginn in allen Partien im Tor, bis er sich verletzte. Mittlerweile ist er wieder fit. Spielt Gorka gegen Straelen?

Michaty Ich denke, für Samstag ist er noch kein Thema. Er trainiert zwar wieder bei den Profis mit, aber nach meinen Informationen kommt das Spiel gegen Straelen noch zu früh für ihn.

Haben Sie die Befürchtung, dass die Erwartungen an Ihr Team nach der überragenden Hinrunde in nächster Zeit zu groß werden könnten?

Michaty Die Hinrunde war außergewöhnlich, das konnte man so nicht erwarten. Die Messlatte liegt sicherlich sehr hoch. Aber wir wollen – so wie wir das bisher auch gemacht haben – jeden Tag nutzen. Gerade in der heutigen Zeit. Wir wissen das schon zu schätzen, dass wir trainieren und spielen dürfen. Wir wollen weiter versuchen, uns zu verbessern, jedes Spiel mit dem Ziel angehen, unsere beste Leistung abzurufen. Das ist uns in der Hinrunde sehr, sehr gut gelungen. Und dann schauen wir, was dabei herumkommt.

Worauf wird es ankommen, um die starke erste Saisonhälfte bestätigen zu können?

Michaty Wir müssen gut in die Rückrunde reinkommen. In der Hinrunde hat uns der gute Start in einen Flow gebracht. Das Selbstvertrauen ist dann immer mehr gewachsen. Allerdings ist Straelen deutlich besser als Bergisch Gladbach am Wochenende. Das wird zum Start eine sehr schwere Aufgabe. Trotzdem, auch wenn es abgedroschen klingt: Wir schauen wirklich von Tag zu Tag, von Spiel zu Spiel.

Als Saisonziel haben Sie im Sommer erneut den Klassenerhalt ausgegeben. Ihr Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz beträgt momentan 17 Punkte. Haben Sie das Ziel schon erreicht?

Michaty Man muss immer wachsam sein. Ich erinnere mich an Heribert Bruchhagen, der vor einigen Jahren in der Winterpause über Eintracht Frankfurt gesagt hat: ,Absteigen können wir nicht mehr.‘ Die Eintracht hatte damals einen großen Vorsprung – und ist am Ende doch abgestiegen.

Also sehen Sie den Klassenerhalt noch nicht in trockenen Tüchern?

Michaty Für uns sieht es sehr gut aus, wir waren in der Hinrunde wirklich stabil und homogen. Es müsste schon etwas Dramatisches passieren, wenn wir noch in den Abstiegsstrudel geraten würden. Ich glaube, am Ende brauchen wir 45 Punkte. Die wollen wir so schnell wie möglich holen. Aber es ist einfach so: Man muss immer wachsam sein. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir eine sorgenfreie Rückrunde spielen können.

Durststrecken gab es in der Hinrunde kaum, lediglich einmal zwei Niederlagen am Stück. Glauben Sie, dass Ihr Team auch mit einer längeren Sieglosserie umgehen könnte, falls es mal dazu kommt?

Michaty Bisher hat die Mannschaft einen sehr stabilen Eindruck gemacht, auch weil unsere Achse immer zur Verfügung stand. In der Hinrunde sind wir nach Niederlagen immer gut zurückgekommen und haben daraus gelernt. Ich bin zuversichtlich und überzeugt, dass uns das auch in der Rückrunde gelingt. Wir hatten zuletzt viele Englische Wochen, sodass wir auch viel rotiert haben. Deshalb sind alle zu ihren Einsätzen gekommen. Über die Erfolgserlebnisse war dann eine gute Stimmung in der Mannschaft. In der Rückrunde haben wir – Stand jetzt – nur eine Englische Woche. Von daher müssen wir schauen, wie sich die Dinge letztlich entwickeln.

Unter welchen Umständen bezeichnen Sie ein Spiel als „schön“? Was muss passieren, damit Sie mit der Leistung Ihrer Truppe zufrieden sind?

Michaty Generell wollen wir aktiv sein, mutig, zielstrebig, leidenschaftlich. Es zeichnet uns dieses Jahr aus, dass wir eine sehr hohe Intensität und viel Miteinander auf den Platz bekommen. Das sind meiner Meinung nach auch die Punkte, die heute im modernen Spitzensport und im Profifußball gefragt sind. Deshalb versuchen wir, diese Dinge zu vermitteln und einzufordern.

Ist man als erfolgreicher U23-Trainer eigentlich automatisch in Lauerstellung, was den Job als Chefcoach bei den Profis angeht?

Michaty Als U23-Trainer kennt man seine Aufgabe. Ich mache das ja jetzt auch schon viele Jahre. Da geht es darum, junge Spieler zu entwickeln und weiterzubringen. Man ist letztendlich ein Dienstleister für die Profimannschaft, es gibt einen Austausch zwischen oben und unten. Natürlich ist es auch mein Ziel, mich persönlich weiterzuentwickeln. Das gelingt mir bei der Fortuna durch die konstruktive, gute Zusammenarbeit mit meinem Trainerteam, der Profiabteilung und der sportlichen Leitung. Mir machen meine Aufgabe und meine Rolle viel Spaß. Und sie füllen mich auch aus.

Das heißt, Sie schielen nicht nach oben?

Michaty Nein, ich freue mich über jeden Erfolg der Profis. Es ist wichtig, dass man loyal und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Und das ist bei uns absolut der Fall.

Wie hat sich diese Zusammenarbeit – also zwischen Profis und U23 – verändert, seitdem Uwe Rösler das Zweitliga-Team trainiert?

Michaty Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren hier. In der Zeit habe ich Friedhelm Funkel und Uwe Rösler als Cheftrainer erlebt. Mit beiden war und ist die Zusammenarbeit sehr gut. Natürlich muss man dazusagen, dass die Kommunikation hauptsächlich über die Co-Trainer läuft, speziell über Axel Bellinghausen.

Können Sie dessen Rolle näher erläutern?

Michaty Axel ist der Verbindungsmann. Ein Verbindungstrainer zwischen Profis und U23, wenn Sie so wollen. Über ihn läuft der Austausch in erster Linie.

Noch einmal zurück zu Rösler und Funkel: Unter Funkel war es häufig so, dass Jungprofis wie Gökhan Gül und Taylan Duman fast ausschließlich bei Ihnen in der U23 gespielt haben. Unter Rösler hingegen kommen nur selten Zweitliga-Spieler runter.

Michaty Das liegt vor allem an der Corona-Situation. Der Austausch von Spielern zwischen den beiden Mannschaften ist nicht so einfach wie sonst, das hängt auch mit den Testungen zusammen.

Außerdem scheint es so, als würde Rösler mehr auf den eigenen Nachwuchs setzen als Funkel. Stichwort: Shinta Appelkamp.

Michaty Es freut mich sehr, dass Shinta sich so entwickelt und Uwe Rösler ihm das Vertrauen gibt. Das genau ist unsere Aufgabe: Spieler weiterzuentwickeln und an die Profimannschaft heranzuführen.

Appelkamp ist seit Robin Bormuth und Emmanuel Iyoha der erste Spieler aus der Nachwuchsabteilung, der sich bei den Profis durchgesetzt hat. Warum ist es dazwischen niemandem gelungen – und nun ausgerechnet ihm?

Michaty Shinta zeichnet aus, dass er sehr fokussiert und professionell ist. Er arbeitet hart an sich und versucht, sich jeden Tag zu verbessern. Das hat man in dem Jahr bei uns schon gesehen. Er hat jetzt oben das Vertrauen bekommen und rechtfertigt es mit guten Leistungen. Natürlich gehört auch immer ein bisschen Glück dazu, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein und die Möglichkeit dann zu nutzen.

Aber warum ist zwischen Bormuth, Iyoha und Appelkamp niemandem der Sprung gelungen?

Michaty Das kann und will ich nicht beurteilen, weil es auch einen Zeitraum betrifft, bevor ich zur Fortuna gekommen bin. Allerdings muss man sehen, dass es ein großer Sprung ist von der Regionalliga in die Zweite Liga – und in die Bundesliga erst recht.

Tim Köther, Enrique Lofolomo und Michel Stöcker haben zuletzt regelmäßig bei den Profis trainiert, obwohl sie alle zum etatmäßigen Kader Ihrer Mannschaft zählen. Warum ausgerechnet dieses Trio?

Michaty Die drei haben zu Beginn der Vorbereitung bei den Profis mittrainiert, als deren Kader noch nicht komplett war. Das hatte auch positionsbezogene Gründe: Michel Stöcker, weil noch kein linker Verteidiger da war. Tim Köther und Enrique Lofolomo, weil auf der Sechser-Position noch Bedarf war. Aufgrund des großen Umbruchs bei den Profis und den vielen Verletzten zu Saisonbeginn ist das deshalb in dieser Saison eine besondere Situation gewesen.

Steffen Meuer hingegen bekommt bei den Profis bislang keine Chance, obwohl er im vergangenen halben Jahr eine eindrucksvolle Entwicklung genommen hat und drittbester Torschütze der Liga ist. Woran liegt das?

Michaty Es haben ja nicht nur Steffen Meuer, sondern auch viele andere Spieler eine sehr gute Entwicklung genommen. Beispielweise Boris Tomiak, Phil Sieben und Tyger Lobinger. Bei Steffen ist es insofern außergewöhnlich, als dass wir ihn aus der Oberliga geholt haben und er noch nie in einem Nachwuchsleistungszentrum war. Dass er sich so gut entwickelt und elf Tore erzielt, ist wirklich bemerkenswert. Und das bleibt auch bei der Profiabteilung nicht unbemerkt.

Ist es dann nicht besonders wichtig, gerade einen solchen Spieler bei den Profis mittrainieren zu lassen und ihm so eine Perspektive aufzuzeigen, damit er langfristig in Düsseldorf bleibt?

Michaty Der Verein ist schon bemüht, dem Spieler eine Perspektive aufzuzeigen. Davon können Sie ausgehen.

Meuer ist trotzdem von höherklassigen Vereinen umworben, sein Vertrag läuft im Sommer genauso aus wie viele weitere. Droht ein noch größerer Umbruch als sonst?

Michaty Das ist durchaus möglich. Gerade wenn eine Mannschaft so gut performt wie wir in der Hinrunde, macht jeder Spieler auf sich aufmerksam. Aber wie gesagt: Es ist ja unser Ziel und unsere Aufgabe, die Jungs nach Möglichkeit an die Profis heranzuführen – oder an andere höhere Aufgaben. Maduka Okoye zum Beispiel spielt jetzt in Holland (Sparta Rotterdam, Anm. d. Red.), Dustin Willms (FSV Zwickau, Anm. d. Red.) hat es in die Dritte Liga geschafft. Als ich noch Trainer der U23 des VfL Bochum war, haben wir auch mal ein außergewöhnliches Jahr gespielt. Am Ende sind wir Dritter geworden. Aus dieser Mannschaft haben damals viele Spieler den Sprung zu den Profis geschafft.

Zum Beispiel?

Michaty Kevin Vogt, der jetzt ja in Hoffenheim spielt. Michael Esser, der ist momentan in Hannover unterwegs. Andreas Luthe spielt in der Bundesliga bei Union Berlin. Dann noch Patrick Fabian (143 Zweitliga-Spiele für Bochum, Anm. d. Red.) oder Mirkan Aydin (heute Hatayspor, erste türkische Liga, Anm. d. Red.). Außerdem Matthias Ostrzolek (heute Admira Wacker, erste österreichische Liga, Anm. d. Red.).

Von der starken Hinrunde profitiert also auch jeder Ihrer aktuellen Spieler?

Michaty Wie gesagt: Jeder Spieler macht auf sich aufmerksam. Und wer herausragt, noch einmal besonders. Das sage ich den Jungs auch immer wieder. Über einen guten mannschaftlichen Erfolg kann sich auch jeder Einzelne zeigen.

Wie fühlt es sich grundsätzlich an, Talente zu entwickeln?

Michaty Es macht unheimlich viel Spaß. Vor allem, wenn die Jungs so lernwillig sind wie in diesem Jahr. Sie haben alle Ziele, wollen alle Profis werden. Es ist toll, ihren Weg zu verfolgen und zu begleiten.

Können Sie schnell sehen, wohin die Reise mit einem Spieler geht – oder ist das oft eine Überraschung?

Michaty Im Laufe der Jahre hat man schon ein gewisses Gespür und Gefühl entwickelt. Natürlich kann man einen Weg nicht immer hundertprozentig vorhersehen. Aber klar: Wenn wir jemanden verpflichten, dann entwickeln wir eine Phantasie, was in dem betreffenden Spieler noch schlummert. Es müssen natürlich gewisse Voraussetzungen vorhanden sein, zum Beispiel das Fußballverständnis. Man merkt aber meistens, ob ein Spieler noch einen Schritt machen kann oder ob er schon am Limit angelangt ist.

Worauf kommt es im Umgang mit jungen Spielern an?

Michaty Jeder Mensch und jeder Spieler ist anders. Deshalb ist es wichtig, sich individuell mit jedem zu beschäftigen und an den Stärken und Schwächen zu arbeiten. Die Jungs zu begleiten, zu fördern und zu fordern: Das ist eine spannende und reizvolle Aufgabe.

Haben Sie nach all den Jahren da einen besonderen Kniff?

Michaty Es ist wichtig, ein gutes, vertrauensvolles und verlässliches Verhältnis zu haben. Meine Erfahrung ist: Wenn die Spieler sich wohlfühlen und gerne zum Training kommen, dann entwickeln sie sich weiter. Jeder findet idealerweise seinen Platz in einer guten Gemeinschaft, in der es aber trotzdem um die Leistung geht.

Nun besteht Ihr Team nicht nur aus Talenten, im Sommer haben Sie Routinier Oliver Fink dazubekommen. Wie wichtig war das, und wodurch zeichnet sich Fink aus?

Michaty Ich bin extrem glücklich und dankbar, dass Oli bei uns ist. Da spreche ich für die gesamte Mannschaft und das gesamte Trainerteam. Oli ist sehr wichtig für das Gesamtgefüge, eine tolle Persönlichkeit, sehr erfahren. Was ihn auszeichnet, sind seine Einstellung und seine Disziplin. Er ist kein Lautsprecher auf dem Platz, aber ein Vorbild für unsere jungen Spieler. Sie können sehen, was Oli erreicht hat – nicht nur durch sein Talent, sondern auch durch seine professionelle Einstellung. Er füllt seine Rolle als Führungsspieler ganz wunderbar aus.

Auch Finks Vertrag läuft im Sommer aus. Wie geht es mit ihm weiter?

Michaty Ich glaube, Oli macht es bei uns viel Spaß. Ich würde mich freuen, wenn wir das so fortsetzen könnten.

Es heißt, Sie binden Fink auch immer wieder in Ihre Entscheidungen mit ein. Wie läuft der Austausch zwischen Ihnen?

Michaty Es ist immer sehr konstruktiv, vernünftig und interessant. Ich wäre ja blöd, wenn ich Olis Erfahrung nicht einbeziehen würde. Ich tausche mich gerne mit ihm aus, seine Anregungen sind für mich wertvoll.

Zum Schluss: Welcher Spieler aus Ihrem aktuellen Kader hat das Zeug, der nächste Shinta Appelkamp zu werden?

Michaty Wir haben einige Spieler dabei mit dem Potenzial, einen Schritt weiterzugehen und Profi zu werden – auch bei Fortuna. Ich möchte keine Namen nennen, um da niemandem einen Rucksack aufzubinden. Aber ich bin überzeugt, dass wir den ein oder anderen Spieler aus unserem jetzigen Kader in Zukunft im Profifußball sehen werden.

Aufrufe: 015.1.2021, 16:48 Uhr
RP / Tobias DinkelborgAutor