Der FC Thalwil und sein Youtube-Star

Als "Transfer-Coup" wurde Louis Berger Gonzales Mitte September in der "Zürichsee-Zeitung" angekündigt, nachdem er kurz vor Ende des Transferfensters vom FC Windisch (3. Liga AFV) zum Erstligisten FC Thalwil gestossen war. Tatsächlich war der 25-Jährige einst als grosses Nachwuchstalent gehandelt worden. Der Stürmer hatte beim FC Aarau die Juniorenstufen bis zur U-16 durchlaufen und dann zwei Jahre lang im Nachwuchs der Berner Young Boys gespielt, ehe er seinen Traum von einer Profikarriere begraben musste.

Jähes Karrierenende nach Fibromyalgie-Diagnose

Nach immer stärker werdenden Beschwerden wurde bei ihm Fibromyalgie diagnostiziert, eine rätselhafte Form von Rheuma. Betroffene leiden an diffusen chronischen Muskelschmerzen in Gelenknähe, oft gepaart mit Erschöpfung, Schlafstörungen, Depressionen und einer Unzahl weiterer Beschwerden. An eine Fortführung seiner Fussballlaufbahn war nicht zu denken.

Doch statt auf dem Rasen machte der Sohn eines Kubaners und einer Schweizerin fortan unter dem Pseudonym "Cubanito" im Netz Karriere - mit seiner zweiten Leidenschaft, dem Schneiden von Videos. "Im Fifa hatte ich mir gute Skills angeeignet und stellte Videos davon auf Youtube", erzählt er in der "Zürichsee-Zeitung". Bald zeigte er nicht nur seine Gameplay-Skills, sondern auch reale Fussball-Tricks, etwa seinen Flatterball. Sein Youtube-Kanal wuchs, er zog nach Berlin und arbeitete einige Zeit lang für 11teamsports, den grössten deutschen Fussball-Online-Shop.

Neue Fussballschuhe und neue Freundinnen

Inzwischen zählt Cubanitos Youtube-Kanal 435'000 Abonnenten, seine Videos erzielen über 57 Millionen Views. Darin stellt er Produkte vor - etwa seine neusten Fussballschuhe, führt Challenges durch, trifft Stars und aufstrebende Talente, zeigt seine (wechselnden) Freundinnen und macht lustige Strassenumfragen. Er spricht aber auch über ernste Themen wie das Leben mit seiner chronischen Krankheit, über Casino-Sucht oder Spielschulden.

Der Aargauer ist längst zu einem der wichtigsten Schweizer Youtuber avanciert und kann davon leben. Doch der Traum vom Fussballprofi, der hat ihn nie ganz losgelassen. Und so verkündete er vor drei Monaten (natürlich auf Youtube), dass er den Entschluss gefasst habe, es nochmals zu probieren mit der Fussballkarriere. "Ich will kucken, wie hoch man mit meiner Krankheit, Fibromyalgie, spielen kann." Damit will er auch ein Vorbild sein für andere Menschen mit einer chronischen Krankheit. "Ich kann mit meinen Youtube-Videos viel bewegen", ist er sich sicher.

Cubanito stellt seine Ernährung um, isst fortan kein Fleisch mehr, kein Zucker, kein Gluten - alles mit dem Ziel, weniger Beschwerden zu haben oder sogar gänzlich symptomfrei zu werden. Mit Hilfe eines Personal Trainers arbeitet er an seiner Ausdauer. Und nachdem er schon 2019 einige Monate für den FC Lenzburg in der regionalen 2. Liga gekickt hatte, schliesst er sich im Sommer wieder einem Aargauer Verein an, dem Drittligisten FC Windisch.

"Wie Autofahren mit fünf angezogenen Handbremsen"

Dann kommt durch Thalwils Assistenzcoach Muhamed Mustafa und dessen Umfeld der Kontakt zum Zürcher Seeklub zustande. Seit Ende August trainiert Cubanito beim Erstligisten. "Das bringt beste Werbung für unseren Verein", schwärmt FCT-Sportchef Dimitris Demiros. Cubanito sei aber auch extrem stark und habe einen guten linken Fuss. "Er wird uns sicher verstärken - menschlich wie auch auf dem Rasen." Noch muss der Stürmer mit der Rückennummer 7 aber seinen Trainingsrückstand wettmachen. Auch seine Krankheit bremst ihn nach wie vor. Er hat oft starke Schmerzen in der Galle, in der Leber, in den Beinen. "Mit Schmerzen spielen ist wie Autofahren mit fünf angezogenen Handbremsen", sagt er in einem Video.

So erstaunt es nicht, dass Cubanito bisher in der Meisterschaft der Erstliga-Gruppe 3 erst zu Kurzeinsätzen kam. Gegen Eschen/Mauren (1:1) gab er in der 80. Minute sein Debüt für den FC Thalwil, gegen Kosova (2:2) wurde er erst eine Minute vor Schluss eingewechselt und in Höngg (0:5) kam er gar nicht zum Einsatz. Trotzdem findet er es "nice, dass ich jetzt Teil dieser Mannschaft bin" und will es "step by step" nehmen. Auch der Trainer sei "nice" und nicht zuletzt die Tribüne, alles überaus "nice". In den letzten zwei Wochen hat Cubanito schon einige Videos über seinen neuen Klub hochgeladen. "Youtube wird mein Hauptjob bleiben", sagt er. Und so wird zwangsläufig auch der FC Thalwil in der nächsten Zeit im Netz sehr präsent sein.