2024-05-14T11:23:26.213Z

Interview
Ein überwiegend positives Fazit zieht Memmingens Trainer Stephan Baierl.  F: Buchholz
Ein überwiegend positives Fazit zieht Memmingens Trainer Stephan Baierl. F: Buchholz

„Man weiß nie, was passiert“

Stephan Baierl vom Regionalligisten FC Memmingen zieht Bilanz und spricht über Ziele

Vor einem Jahr hat Stephan Baierl (42) den Regionalligisten FC Memmingen übernommen und ihn in fast aussichtsloser Situation im Sommer noch zum Klassenerhalt geführt. Jetzt spielt der Allgäuer Traditionsverein eine sorgenlose Runde. Bei der Abstimmung von FuPa Oberbayern haben die User unseres Internet-Portals den früheren Ulmer zum Trainer des Jahres in er Regionalliga Bayern gewählt. In einem ausführlichen Interview zieht Baierl Bilanz, spricht über Ziele, die 3. Liga und die persönliche Zukunft.

Wie haben Sie den Jahreswechsel verbracht, ganz ohne Fußball?

Baierl: Ja, ohne Fußball. Mit der Familie waren wir ein paar Tage bei unserer bayerischen Verwandtschaft beim Skifahren. Silvester haben wir zuhause mit Freunden gefeiert.

Der FC Memmingen steht in der Winterpause auf dem fünften Tabellenplatz. 35 Punkte bedeuten, dass nur noch wenige Zähler zum sicheren Klassenerhalt fehlen. Sind Sie zufrieden mit der Ausbeute?

Baierl: Grundsätzlich schon. Wenn man vorher gewusst hätte, dass wir zu diesem Zeitpunkt 35 Punkte haben, hätten wir gesagt, dass wir damit sehr zufrieden wären. Was mich aber persönlich nervt, dass wir bei den beiden Niederlagen vor der Winterpause nicht mehr unsere Leistungsfähigkeit gezeigt haben. Woran immer es auch lag. Trotzdem sind wir in einer komfortablen Situation. Aus den restlichen zwölf Spielen wollen wir nun noch das Maximale herausholen, Bestmögliches erreichen und nichts schleifen lassen.

Was läuft aus Ihrer Sicht in dieser Saison gut?

Baierl: Dass die Mannschaft die Vorgaben umsetzt und wir es in weiten Teilen schaffen, meine Philosophie Fußball zu spielen, durchzubringen. Es ist nicht ganz einfach, alles so taktisch umzusetzen, was ich vorgebe. Wir machen es mit großem kämpferischen und läuferischen Aufwand, versuchen es auch in schwierigen Situationen fußballerisch zu lösen. Wir schaffen es attraktiv zu spielen und sind torgefährlich. Auf der anderen Seite stehen die vielen Gegentore, daran werden wir arbeiten.

Was muss sich sportlich verbessern?

Baierl: Wir haben eine sehr junge Mannschaft, teilweise ungestüm. Manchmal kommt der jugendliche Leichtsinn durch. Mit mehr Erfahrung könnten wir manches besser lösen. Aber junge Spieler machen Fehler, das muss man ihnen zugestehen. Die einfache Lösung wäre oft die bessere, aber die Abgezockheit haben wir noch nicht.

Der FC Memmingen wird eine Bewerbung für die 3. Liga abgeben. Wie sehen Sie diese Entscheidung?

Baierl: Ich habe es befürwortet, weil Spieler und Verantwortliche eine Perspektive brauchen. Bei der Entscheidung waren allerdings die beiden letzten Spiele noch nicht absolviert. Da waren wir mit der Spitze noch in Schlagdistanz. Aber man weiß nie, was passiert. Wenn was passiert, wollen wir für diesen Fall gerüstet sein. Es ist nie ganz vorherzusehen, wohin sich etwas entwickelt. Vielleicht steckt sich Memmingen auch mal ein anderes Ziel. Klar ist, wenn wir uns nicht weiterentwickeln wollen, bräuchte man den ganzen Aufwand nicht betreiben.

Wäre die 3. Liga in Memmingen machbar?

Baierl: Mit den aktuellen Strukturen nicht, das ist klar. Die baulichen Dinge im Stadion sind hier das geringste Problem. Zu den Strukturen gehören professionell beschäftigte Spieler und Verantwortliche, andere Trainingsmöglichkeiten. Du brauchst eine Mannschaft um die Mannschaft, ein Nachwuchsleistungszentrum, eine hauptamtliche Geschäftsstelle. Aber das kann sich entwickeln.

Zunächst steht eine Regionalliga-Reform an. Es könnte bei der Verringerung der bislang fünf Staffeln darauf hinauslaufen, dass Bayern künftig mit den Vereinen aus dem Nordosten eine gemeinsame Regionalliga bilden. Der FCM-Vorsitzende Armin Buchmann hält den mit den weiteren Fahrten verbundenen Aufwand ohne eine gewisse Entschädigung, etwa durch TV-Gelder, für einen Amateurverein nicht zumutbar. Wie stehen Sie dazu?

Baierl: Dass eine Reform her muss, ist klar. Fünf Staffeln sind auf Dauer nicht möglich. Persönlich fand ich sportlich eine dreigleisige Regionalliga mit drei Aufsteigern in die 3. Liga gut. Eine zweigleisige 3. Liga wäre auch eine Möglichkeit (was derzeit nicht mehr zu Debatte steht, Anmerkung der Redaktion). Ob ich 100 Kilometer weiter nach Sachsen oder Thüringen fahre, wäre für mich kein K.O.-Kriterium. Im Südwesten sind es von Ulm nach Kassel auch über 400 Kilometer.

In der Winterpause hat sich der FCM mit dem Griechen Georgios Manolakis vom SSV Ulm 1846 und dem Japaner Natsuhiko Watanabe vom VfR Aalen verstärkt. Ein paar Worte zu den Neuzugängen.

Baierl: Beide Spieler gefallen mir von ihrer Anlage, sie sind schnell und wendig. Manolakis kenne ich, seinen Weg habe ich ein Jahr verfolgt und ihn ein paar Mal gesehen. Er ist ein talentierter junger und entwicklungsfähiger Spieler, wie er in unser Konzept passt. Hinten links haben wir nur Fabian Lutz und mit Manolakis eine Alternative. In Ulm hatte er drei Spieler auf dieser Position vor sich. Er hat Ehrgeiz und gute charakterliche Eigenschaften, wie ich in Gesprächen feststellen konnte. Watanabe kannte ich noch nicht, aber seinen Berater. In Aalen hatte er kaum Spielpraxis. Der Junge braucht einen Verein, wo er die Möglichkeit hat, zu spielen. Aalen steckt im Drittliga-Abstiegskampf, ein Typ wie er passt da momentan nicht rein. Bei uns passt er gut in unser Offensivkonzept, ist körperlich ähnlich robust wie Furkan Kircicek und Jannik Rochelt. Da haben wir eine Alternative auf der Außenbahn, zumal Kircicek vor der Pause hier durchspielen musste, obwohl er angeschlagen war.

Es gibt sozusagen noch einen weiteren Zugang: Sebastian Schmeiser kehrt nach seinem Auslandssemester in Dänemark zurück. In der Abwehr war er ja bisher eine Bank.

Baierl: Er hat schon einen Trainingsplan, dass er sich wieder an Leistungssport gewöhnt (lacht). Mal sehen, wie er das knappe halbe Jahr im Ausland verkraftet hat. Sebastian ist ein schlauer Kopf und weiß, dass er sich in körperlich guten Zustand bringen muss. Ich freue mich, dass er als zentrale Figur hinten wieder zur Verfügung steht. Da haben wir nach seinem Weggang etwas herumgebastelt. Er tut uns als Typ und Spieler gut und wir haben die Möglichkeit, beispielsweise Lukas Rietzler wieder ins Zentrum zu stellen.

Rietzler steht nach einem Wadenbeinbruch noch auf der Verletztenliste, wie auch Jamey Hayse nach seiner kompletten Unterschenkelfraktur. Wann ist mit ihrer Rückkehr zu rechnen?

Baierl: Ich hoffe, dass Lukas Rietzler im Laufe der Vorbereitung wieder einsteigen kann. Anfang Februar im läuferischen, athletischen Bereich; Mitte, Ende März hoffentlich auch wieder fußballerisch. Bei Jamey Hayse ist es langwieriger. Da kommt es auf den Heilungsverlauf an und wie Jamey diese schwere Verletzung im Kopf verkraftet. Ich kann nicht sagen, ob er uns in der Rückrunde noch helfen kann.

Am 24. Januar steht das erste Training an. Was ist in der Wintervorbereitung geplant?

Baierl: Seit vergangener Woche arbeiten die Spieler individuell nach einem Trainingsplan, wobei sich der Plan steigert. In der Vorwoche vor unserem offiziellen Trainingsstart kommt jeder auf fünf Einheiten. Ich erwarte von jedem, dass er fit einsteigt. Ein Kilo darf jeder nach den Weihnachtstagen mehr habe, alles andere kostet.

Was wird in den fünfeinhalb Wochen auf dem Trainingsplatz passieren?

Baierl: Hauptaugenmerk liegt darauf, dass wir ähnlich fit wie im Sommer werden. Fitness ist die Basis von allem. In allen Spielen waren wir hier mindestens gleichwertig, meistens sogar überlegen. Es gilt weiter Abläufe zu optimieren, dass wir mehrere taktische Systeme und Ausrichtungen spielen können und somit für den Gegner noch schwerer auszurechnen sind. Auch die Gegner analysieren uns natürlich.

Findet das Grundlagentraining mittlerweile eher im Winter als in der sehr kurzen Sommerpause statt?

Baierl: Im Winter ist tatsächlich die Zeit, in der am meisten gearbeitet werden kann. Es ist die Zeit, um Kondition zu bolzen. Hier haben wir uns vor einem Jahr die Grundlagen geholt. Im Sommer galt es vor allem, die Neuzugänge zu integrieren. Uns kam zugute, dass wir konstant durchtrainieren konnten. Wir hatten einen optimalen Wechsel zwischen Belastung und Erholung.

Der Rückstand zu den Spitzenteams FC Bayern München II und VfB Eichstätt beträgt neun Punkte. Was ist in der restlichen Saison tatsächlich für den FCM noch drin.

Baierl: Bayern II wird bis zum Ende ganz vorne mitmischen, da braucht man sich keinen Illusionen hinzugeben. Auch wenn sie jetzt in der Winterpause zwei wichtige Spieler verlieren, sind sie immer noch so bestückt, dass sie mit ihrer Qualität jeden in der Regionalliga schlagen können. Wir selbst wollen so weit wie möglich oben stehen. Es ist nicht unser Anspruch irgendwie noch die fünf fehlenden Punkte zum sicheren Klassenerhalt zu holen und uns dann zurückzulehnen. Momentan sind wir punktemäßig auf Augenhöhe mit Schweinfurt und Burghausen, aber Nürberg II, Buchbach und Schalding sind nicht weit hinter uns.

Augenblicklich würde der DFB-Pokalstartplatz als bestes Amateurteam in der Regionalliga Bayern an das Überraschungsteam aus Eichstätt gehen. Sind die Oberbayern noch einzuholen?

Baierl: Wir haben neun Punkte Rückstand, da müsste schon viel passieren. Im Moment ist das kein realistisches Ziel. Eichstätt macht einen sehr soliden Eindruck, auch nach Niederlagen haben sie immer gleich zurückgefunden. Ich glaube nicht, dass sie sich das nehmen lassen wollen.

Der FC Memmingen will den Vertrag mit Ihnen noch im Januar über diese Spielzeit hinaus verlängern. Wie ist hier der Stand?

Baierl: Ich weiß, was ich an Memmingen habe. Ich bin mit offenen Armen aufgenommen worden und die Unterstützung vom Verein gehabt. Es gefällt mir sehr gut. Derzeit muss ich private Dinge abklären, ob ich den Aufwand weiter betreiben kann. Das sind noch ein paar Unbekannte, dass sich vielleicht beruflich was ergibt. Mitte Januar habe ich darüber hoffentlich mehr Klarheit. Wenn ich alles unter einen Hut kriege, dann kann es sein, dass ihr mich nochmal ein Jahr ertragen müsst (lacht).

Alle bisherigen Äußerungen ließen sich so deuten, dass Sie in Memmingen durchaus was bewegen wollen.

Baierl: Deshalb bin ich Trainer. Ich sehe, dass großes Potenzial da ist. Ich will meine Fähigkeiten und mein Knowhow so einbringen, dass es den Verein weiterbringt. Ich bin keiner, der den aktuellen Stand verwaltet, will Entwicklungen erkennen und als Trainer eine Perspektive haben. Ich will sehen, dass von allen Seiten eine Entwicklung da ist.

Haben Sie selbst als Trainer noch höhere Ziele?

Baierl: Das will ich nicht an einem Verein festmachen. Mir schwebt vor, in absehbarer Zeit den Fußballlehrer zu machen. Nur dann ergäbe sich die Möglichkeit in die 3. Liga einzusteigen oder einen höherklassigen Klub zu übernehmen. Das muss ich in den nächsten zwei, drei Jahren entscheiden. Trotz meiner jungen Jahre habe ich als Trainer ja schon einiges erlebt.
Aufrufe: 08.1.2019, 07:01 Uhr
Andreas SchalesAutor