2024-06-14T14:12:32.331Z

Ligavorschau
FC-Trainer Daniyel Cimen hat in seinem exquisit besetzten Kader Woche für Woche die Qual der Wahl, Ex-Profi Michael Fink (links, hier im Duell mit dem Waldgirmeser Lucas Hartmann) ist allerdings auf der „6“ konkurrenzlos.  	Foto: Ben
FC-Trainer Daniyel Cimen hat in seinem exquisit besetzten Kader Woche für Woche die Qual der Wahl, Ex-Profi Michael Fink (links, hier im Duell mit dem Waldgirmeser Lucas Hartmann) ist allerdings auf der „6“ konkurrenzlos. Foto: Ben

Regionalliga fest im Blick

HESSENLIGA: +++ FC Gießen geht in die Restrunde mit noch mehr Qualität / Hauen und Stechen im Mittelfeld / Neuzugang Löhe verdrängt Sahin im Tor +++

GIESSEN. Mehr als die halbe Miete hat der FC Gießen bei acht Punkten Vorsprung auf den ersten Verfolger FC Bayern Alzenau nach 20 von 32 Spieltagen bereits eingefahren – das Ziel ist klar: Der Club will in die Regionalliga Südwest aufsteigen. Mittlerweile befindet sich der souveräne Hessenliga-Spitzenreiter in der sechsten Woche der Vorbereitung auf den zweiten Saisonteil, der am Samstag mit dem Gastspiel beim VfB Ginsheim beginnt. Der Gießener Anzeiger war dabei, als sich das Team von Trainer Daniyel Cimen in den Meisterschafts-Modus brachte: Eindrücke, gesammelt nicht nur beim letzten Testspiel gegen Ligakonkurrent SC Waldgirmes am vergangenen Samstag, sondern auch tags zuvor beim Abschlusstraining, das der FC absolvierte, als ginge es anschließend bereits um den nächsten Dreier im Aufstiegsrennen.

Freitag, 15. Februar: Nach Kinzenbach und dem acht Tage dauernden Trainingslager bei angenehmen 16 Grad Celsius im türkischen Antalya ist der FC Gießen in dieser Woche an der dritten Trainingsstätte der Vorbereitung angekommen. Die milden Temperaturen machen es möglich, dass die Mannschaft in ihrer „zweiten Heimat“ nach dem Gießener Waldstadion, sprich auf dem Rasenplatz an der Neumühle in Watzenborn-Steinberg, ihre Übungseinheit absolviert.

Das sei dann doch noch einmal ein Stück weit schöner als auf Kunstrasen, sagt Coach Daniyel Cimen, der zwei Gruppen beim Kreisspiel zuschaut. Egal, welches Alter, egal welche Liga, welches Niveau und unabhängig von der Spielergeneration – irgendwie ist es beruhigend, dass es sich anscheinend nie ändern wird: „Das Eckchen“ erfreut sich einfach zeitlos großer Beliebtheit. „Das macht den Jungs immer wieder aufs Neue Spaß“, schmunzelt Cimen.

Es scheint der richtige Mix zwischen Lockerheit und Ernsthaftigkeit zu herrschen. 7 gegen 2, der Ball zirkuliert außen, während das Duo in der Mitte darum bemüht ist, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Die Außenspieler feixen umso mehr, je näher sie an die entscheidende Zahl 35 kommen. Denn bei 35 Kontakten wird von den zwei Mitte-Spielern jeweils ein Euro für die Mannschaftskasse fällig. Als das schließlich (nicht nur einmal) gelingt, ist das Gelächter groß. „Wir achten damit auch darauf, die Siegermentalität weiterzuentwickeln“, baut Cimen mit seinen Assistenten Zaki Tammaoui und Christos „Taki“ Arnautis gerne kleine Wettbewerbe ins Training ein. Alban Lekaj als Kassenwart freut es.

Auf dem Rasen folgt das Aufwärmen gepaart mit Dehnübungen, ehe im Kleinfeld Zweikampfsituationen und Handlungsschnelligkeit trainiert werden. Derweil machen sich die beiden Keeper Frederic Löhe und Tolga Sahin startklar für das Flankenspiel. Im Sekundentakt fliegen die Hereingaben von links und rechts in den Strafraum, da sind die Reflexe der Torhüter gefragt, um die scharfen Abschlüsse zu entschärfen.

Und auch an dieser Stelle wird der Wettbewerbscharakter eingebunden. Die Spieler, die die Flanken nicht verwerten, werden ihre Mannschaftskollegen bedienen müssen, wenn sich das Team am Dienstag wie üblich zwischen den zwei Tageseinheiten zum gemeinsamen Mittagessen einfindet. Zu „Kellnern“ avancieren Brian Mukasa, Cem Kara, Damjan Marceta und Serkan Pancar.

Um 17 Uhr, nach einer Stunde, ist das Abschlusstraining beendet. „Von der Intensität her haben wir es bewusst so gestaltet, als würden wir vor einem Punktspiel stehen“, sagt Cimen, der sich jetzt Zeit nimmt für ein Einzelgespräch mit Damjan Marceta: „Ich bin mit ihm seine Vorbereitung durchgegangen. Wir haben beide zusammen festgestellt, dass er die ersten zwei Wochen gebraucht hat wegen seiner Knöchelverletzung vor der Winterpause. Das Vertrauen in den Knöchel ist noch nicht wieder so da, das hat Damjan auch eingesehen.“

Samstag, 16. Februar: Frederic Löhe zwischen den Pfosten, in der Viererkette von rechts nach links Ricardo Antonaci, Christopher Spang, Kevin Nennhuber und Alban Lekaj, auf der Sechs im defensiven Mittelfeld Ex-Profi Michael Fink, davor zentral Erdinc Solak und Timo Cecen sowie auf den Außenbahnen Barbaros Koyuncu und Cem Kara, in vorderster Front als einzige Spitze Noah Michel – das ist die Startelf gegen Waldgirmes. Sie wird den ersatzgeschwächten SC im ersten Abschnitt überdeutlich überlegen auseinandernehmen.

Angriff auf Angriff rollt auf das Tor der Lahnauer, äußerst variabel, mit viel Tempo und jeder Menge Spielwitz trägt der FCG seine Offensivbemühungen vor. Sieben klare Chancen hat er, vier Treffer erzielt er. Drei davon Noah Michel, der im Sommer beim Meisterschaftsauftakt gegen den SCW eine langwierige Verletzung am Oberschenkel und Knie zugezogen hatte und erst kurz vor der Winterpause zu einigen Joker-Einsätzen gekommen war.

Ähnlich wie vor dem Seitenwechsel diktieren Cimens Mannen das Geschehen ebenfalls in Abschnitt zwei,. „Das zeigt, dass die Mannschaft total fokussiert ist und den Tabellenstand nicht im Kopf hat“, ist Daniyel Cimen zufrieden.

Sieht er irgendwo am Horizont das Risiko heraufziehen, dass seine Schützlinge die Zügel schleifen lassen könnten? „Es gibt eine Sache, auf die wir nicht viel einwirken können. Die Leute von außen – in der Stadt, Freunde und Bekannte – sagen den Jungs immer, ihr packt das locker. Das kann im Unterbewusstsein ein paar Prozentpunkte ausmachen. Aber die Leistungen, auch jetzt gegen Waldgirmes, stimmen mich positiv. Das zeigt den Biss und den Charakter der Mannschaft. Zumal wir durch die drei Neuzugänge Frederic Löhe, Erdinc Solak und Andrej Markovic den Konkurrenzkampf noch einmal mehr entfacht haben, da kann sich keiner zurücklehnen.“

Der Trainer erwartet insbesondere im Mittelfeld ein „Hauen und Stechen“. Johannes Hofmann (Nasennebenhöhlenentzündung) wird wohl ins Ginsheim im Kader stehen, fit wird auch Tim Korzuschek sein (Oberschenkelzerrung), vielleicht auch Mirkan Kara (Mandelentzündung). Brian Mukasa ist ein weiterer Kandidat. Auf der Ausfallliste befinden sich neben Kapitän Vaclav Koutny (Wadenbeinbruch) Oliver Laux (Knieblessur, mindestens zwei bis drei Wochen Pause) und Stürmer Markus Müller, der allerdings nach seiner Nieren-Operation erfreulicherweise bereits Lauftraining absolviert hat.

Im Tor hat, womit angesichts von Vita (233 Regionalliga- und 52 Drittligaspiele) und Klasse zu rechnen gewesen war, der 30-Jährige Löhe Tolga Sahin verdrängt. Cimen: „Für Tolga war die Verpflichtung von Frederic natürlich eine bittere Nachricht. Die Verpflichtung war nicht geplant, aber wir haben gehört, dass er beim TSV Steinbach Haiger sehr unzufrieden war. Frederic hat bewiesen, dass er zu den besten Torhütern der Regionalliga gehört. Er hatte sicherlich andere Optionen als Gießen, aber er hat Bock auf das Projekt – dieses Gefühl hatten wir sofort.“

Seine Chance am Schopfe gepackt hat indes Goalgetter Noah Michel. Davon zeugen rein zahlenmäßig sieben Treffer in den fünf Testspielen. „Man kann Noah schon als eine Art Neuzugang sehen. Er hat mit der Vorbereitung nahtlos daran angeknüpft, wo er mit der Verletzung damals im ersten Spiel gegen Waldgirmes aufgehört hat. Ich freue mich, dass er so auf sich aufmerksam gemacht hat, wobei er natürlich auch davon profitiert hat, dass Müller und Marceta Probleme haben oder hatten. Er ist auch ein Schlitzohr, das hat man beim 3:0, als er bei dem Pressball nachsetzt, gesehen.“

„Wofür das reichen wird, wird man sehen“, erklärt Coach Cimen, der schließlich auf den Auftaktgegner VfB Ginsheim, der als Rangachter jenseits von Gut und Böse rangiert, eingeht: „Im Hinspiel, das wir in der zweiten Hälfte mit 3:0 gewonnen haben, war Ginsheim dem ersten Tor näher, das wird eines der schwierigsten Auswärtsspiele. Der Trainer Artur Lemm ist ein Taktikfuchs und schafft gegen Top-Teams gute Ergebnisse. Außerdem herrscht dort frischer Wind im Kader. Zwei, drei Stützen sind zwar weg, aber mindestens genau so gut haben sie sich verstärkt mit Spielern wie Pascal Hertlein oder Can Özer von Regionalligist Hessen Dreieich. “ An der Favoritenrolle der Gießener ändert das freilich nichts – das sind sie im Grunde jedes Mal, wenn sie den Rasen betreten. Am Sonntag sollen drei weitere Zähler auf dem Weg in die Regionalliga Südwest her.



Aufrufe: 021.2.2019, 10:00 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor