2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview

Reinhold Breu: Luxemburgs niederbayerischer Fußball-Revolutionär

Trainer, die man kennt (25): Der Edenstettener hat in den vergangenen knapp zehn Jahren die Jugendausbildung des Fußball-Zwergs von Grund auf neu strukturiert

Verlinkte Inhalte

Die Corona-Pandemie hat den Spielbetrieb im Amateurfußball aus den Fugen gehoben. FuPa nutzt die spielfreie Zeit, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Nach der erfolgreichen Portrait-Serie über ehemalige Spielergrößen des niederbayerischen Fußballs nehmen wir nun bekannte Übungsleiter unter die Lupe. Im 25. Teil gibt Reinhold Breu (49) einen interessanten Einblick in seine Arbeit beim luxemburgischen Fußball-Verband, bei dem er mittlerweile seit 2011 tätig ist. Als Technischer Direktor, Nachwuchstrainer und NLZ-Leiter legte der gebürtige Deggendorfer den Grundstein dafür, dass das Großherzogtum in den vergangenen Jahren den Sprung unter die Top-100 der FIFA-Weltrangliste schaffte.

Schönste Saison Deiner Trainer-Laufbahn?
In meinen 18 Jahren als Trainer gab es vier unvergessliche Highlights. Erstens die Saison 2006/07, als ich NLZ-Leiter und U17-Cheftrainer beim SSV Jahn Regensburg war und wir sowohl mit der U17 als auch der U19 in die Junioren-Bundesliga aufgestiegen sind. In der Saison 2009/10 haben wir mit der U21 von Eintracht Trier mit dem zweiten Aufstieg in Folge den Sprung in die Oberliga Südwest geschafft - und das mit einer halben U19-Nachwuchsmannschaft. In meiner ersten Saison 2011/12 als Technischer Direktor und U17-Trainer in Luxemburg haben wir uns als Gruppenzweiter hinter Frankreich für die Eliterunde qualifiziert und auch dort tolle Auftritte gezeigt. Aber auch die aktuelle Saison als U16-Nationaltrainer mit einer Länderspielbilanz von zwei Siegen (Holland 3:1, Belgien 4:3), zwei Unentschieden (Holland 2:2 und Kosovo 3:3) und nur einer Niederlage gegen Kosovo 1:2 verlief herausragend.


Welcher Spieler, hat Dich in Deiner Zeit als Übungsleiter besonders beeindruckt?

Drei Talente und jetzige Profis bleiben mir immer in Erinnerung. Keiner war "ein gottgegebenes Talent", aber man konnte spüren, dass sie es schaffen können. Zum einen der "kleine" U15-Spieler Robin Koch bei Eintracht Trier (jetzt A-Nationalspieler und Profi beim SC Freiburg), dessen Dynamik und die Fähigkeit, klug zu spielen, herausragend waren. Auch der damals 20-jährige Luxemburger Leandro Barreiro (jetzt FSV Mainz 05) hat mich bereits in der U16 und U17 als extrem schneller Denker, Stratege und Leader auf dem Platz beeindruckt. Nicht zuletzt war und ist Christopher Martins (BSC Young Boys Bern) ein Schlitzohr auf dem Platz, der zudem physisch extrem stark und dynamisch ist. Er spielte bei mir immer schon zwei Jahrgangstufen höher.


Bei welchem Verein hattest Du Deine schönste Zeit?

Ganz klar beim Luxemburger Fußballverband. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die mich seit nunmehr neun Jahren tagtäglich (heraus)fordert. Ein toller Job!


Mit welchem Abteilungsleiter/Manager hast Du besonders gerne zusammengearbeitet?

Beim SSV Jahn Regensburg mit "Edi" Ipfelkofer und aktuell mit Paul Philipp, dem Präsidenten des Luxemburger Fußballverbandes. Sein Fußballsachverstand ist herausragend und gemeinsam haben wir in den letzten neun Jahren viel bewegt und erreicht.

Welcher Trainer hat Dich in Deiner aktiven Zeit besonders geprägt?
Meine damaligen Jugendtrainer beim TSV 1860 München, Hermann Lutz und Peter Götzinger. 1987/88 haben wir schon sehr viel individuell und positionsspezifisch trainiert. Beide waren sehr gute Ausbilder und damals mit ihren Trainingsmethoden ihrer Zeit weit voraus.


Hast Du irgendetwas in Deiner Laufbahn bereut?

Nein. Fußball ist mein Leben und als mein Vater 1986 meinen ersten Vertrag beim TSV 1860 München unterschrieben hat, ging für mich ein Traum in Erfüllung. Ich mache seit nunmehr 33 Jahren nur Fußball - bis 2002 als Profi und seit mittlerweile 18 Jahren als Technischer Direktor, Trainer und NLZ-Leiter.


Gibt es ein Spiel, das Du nie vergessen wirst?

Es gibt viele tolle Spiele, die ich heute noch spüre, wenn ich daran denke. Zum Beispiel war das Spiel mit der luxemburgischen A-Nationalmannschaft gegen Italien im Jahr 2014 in Perugia ein herausragendes Erlebnis. Für Italien war es das letzte Testspiel vor der Abreise zur WM nach Brasilien und wir haben gegen Pirlo, Verratti, Buffon und Co. ein mehr als respektables 1:1 erreicht.


Früher war im Fußball alles besser - wie denkst Du über diese heutzutage gerne aufgestellte Behauptung?

Kein Fan möchte die Bayern noch im Olympiastadion spielen sehen, oder? Wenn wir aber vom Spiel sprechen bin ich der Meinung, dass gerade die heutigen Talente von den Profis früherer Tage viel lernen und sich einiges abschauen könnten. Ein sehr gutes Beispiel ist der ehemalige Weltklassemittelstürmer Miroslav Klose. Das sind Muster, die auch heute noch gefragt sind. Wo in Deutschland gibt es noch einen Stürmer der Kategorie Klose? Ein Torjäger zeichnet sich dadurch aus, weil er kopfballstark ist, dorthin geht wo es wehtut, gute Laufwege macht, immer lauert und gierig darauf ist, Tore zu erzielen. Heutzutage macht doch kaum noch ein U15-Stürmer eines Bundesligavereins 40 Saisontore. Ich sage immer: "von den Besten lernen" und Tore schießen kannst du lernen. Trotzdem muss man fairerweise sagen, dass heutzutage die physischen Anforderungen extrem hoch sind und Raum-, Zeit- und Gegnerdruck um ein Vielfaches höher sind als noch vor 25 Jahren.


Welche Art der Mannschaftsführung favorisiert Du?

Mein Anspruch war und ist bis heute, dass ich Lust habe mich stetig zu entwickeln, zu lernen und immer offen zu sein für Neues. Das Leben und auch der Fußball entwickeln sich rasant. Die Spieler der Gegenwart haben eine andere Persönlichkeit, Lebenseinstellung und ein anderes Entwicklungspotenzial als die Jungs vor 18 Jahren. Wie bin ich? Ich bin überzeugt, dass die Spieler nichts mehr motiviert als ein Trainer, der die Spieler und das Team besser machen kann. Dazu braucht es eine klare Vision und akribischen Ehrgeiz. Ein großes Anliegen ist mir, dass ich zu jedem Spieler eine offene und ehrliche Beziehung aufbaue. Wir müssen uns spüren. Ich bin ein zielstrebiger Optimist und kann kontrolliert Gefühle und Emotionen zeigen. Ich will den Spielern ein sehr gutes Gefühl geben. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung bin ich sehr stressresistent und egal wie schwierig die Situation ist, kann ich eine Lösung anbieten. Ich verlange sehr viel von den Spielern, bin aber selbst bereit, alles zu geben.


Wie kann Dich ein Spieler auf die Palme bringen können?

Spieler, die im Wettkampf im alles entscheidenden Moment nicht bereit sind, alles zu geben.


Gibt es im Profibereich einen Trainer, den Du richtig gut findest?
Hermann Gerland, Pep Guardiola, Jürgen Klopp und Gines Melendez, der jahrelang die spanische U19-Nationalmannschaft trainiert hat.


Größte Enttäuschung Deiner Karriere?
Der verpasste Aufstieg in die 2. Bundesliga mit Eintracht Trier in der Saison 1998/99. Als Zweiter der Regionalliga West/Südwest haben wir in den Aufstiegsspielen gegen Kickers Offenbach den Kürzeren gezogen.


Was hältst Du von dem Trend, dass immer mehr Vereine auf sehr junge Spielertrainer setzen?
Ich denke, dass ein Spielertrainer nur dann Sinn macht, wenn seine fußballerischen Fähigkeiten um ein oder zwei Spielklassen besser sind, als das Niveau des zu trainierenden Vereins. Außerdem sollte er als Trainer die Fähigkeit besitzen, die Leistungsfähigkeit der Spieler und des gesamten Teams zu verbessern.


Zur Person:
Der in Edenstetten im Landkreis Deggendorf aufgewachsene Reinhold Breu, der sechs Länderspiele für die U16-Nationalmannschaft absolvierte, kickte nach seiner fußballerischen Ausbildung im Nachwuchs des FC Bayern und des TSV 1860 München später unter anderem bei Wacker Burghausen, Austria Wien und dem 1. FC Köln. Seine Trainerlaufbahn startete er 2002 als Übungsleiter im Talentförderprogramm des DFB und des BFV, wo er für diverse Regionalauswahlteams zuständig war. Von 2004 bis 2008 fungierte der Diplom-Sportmanager als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums sowie Cheftrainer in verschiedenen Nachwuchsteams von der U13 bis zur U23 beim SSV Jahn Regensburg. Danach zog es den staatlich anerkannten Fußball-Lehrer in selber Rolle zum SV Eintracht Trier, bei dem er früher schon als Aktiver unter Vertrag stand.

Im Juli 2011 heuerte Breu dann als Technischer Direktor beim luxemburgischen Fußball-Verband an, bei dem er sozusagen seine Lebensaufgabe fand. Bis 2014 war der Inhaber der UEFA PRO Lizenz Nationaltrainer der U21 und U19, ehe er ein Jahr lang als Co-Trainer der A-Nationalmannschaft tätig war. Seit Juli 2015 ist der verheiratete Familienvater (ein Sohn und eine Tochter) verantwortlich für die U16 und die U17. Nach zehn Jahren wird Reinhold Breu seine Tätigkeit im Großherzogtum ab 2021 ruhen lassen und nach Niederbayern zurückkehren.

Aufrufe: 030.6.2020, 15:30 Uhr
Tobias WittenzellnerAutor