2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Kein Grund, grimmig dreinzublicken: Peter Antschischkin ist an den heimischen Seitenlinien bekannt wie ein bunter Hund.	Archivfoto: Bär
Kein Grund, grimmig dreinzublicken: Peter Antschischkin ist an den heimischen Seitenlinien bekannt wie ein bunter Hund. Archivfoto: Bär

Nur die Frau entscheidet, wann Schluss ist

TREUE TRAINER: +++ Peter Antschischkin ist seit drei Dekaden im Trainergeschäft aktiv, in erster Linie bei den Frauen / „Sind wesentlich kritikfähiger“ +++

GIESSEN . „Wenn du einen neuen Vertrag unterschreibst, unterschreibst du damit ja auch schon fast deine Entlassungsurkunde“. Natürlich augenzwinkernd und mit einem Lachen berichtet Peter Antschischkin, dass Trainer, die eine ganze Ära über Jahre hinweg bei einem Verein prägen, doch mittlerweile eine Seltenheit geworden sind. Und der 66-Jährige muss es wissen, ist er doch schon seit rund 30 Jahren im Geschäft tätig. Seit einigen Jahren ist Antschischkin, der damit auch absolut in die Riege der „treuen Trainer“ gehört, mittlerweile im Frauenfußball unterwegs. Nach drei Jahren beim TSV Klein-Linden zeichnet er in der kommenden Saison für den Hessenligisten Eintracht Lollar verantwortlich.

Noch zu seiner Bundeswehr-Zeit in Bayern kam Antschischkin zum Trainerjob – zunächst auch viele Jahre lang als Spielertrainer aktiv und wuchs damit fließend in den Job hinein. Zurück im Hessenlande war der Gießener Kreis dann weitestgehend sein Betätigungsfeld, wenngleich er beispielsweise auch auf Stationen wie in Rockenberg im benachbarten Kreis Friedberg blicken kann. Warum er so lange im Trainergeschäft unterwegs war, ohne größere Pausen eingelegt zu haben, beschreibt er so: „Ich denke, dass meine Kritikfähigkeit schon recht hoch ist, sodass es mir gelungen ist, ohne Burnout durch meine Karriere zu kommen. Ein Vorteil ist, denke ich, auch, dass ich körperlich noch ziemlich fit bin, was auch geistig natürlich hilft. Und so lange manche noch denken, der Peter bekommt das hin, so lange würde ich auch noch Trainer bleiben wollen“, beschreibt Antschischkin, räumt aber zudem ein, dass auch seine Frau ein gewichtiges Wort bei der Entscheidung, wie lange seine Karriere noch andauernd soll, mitsprechen wird. Der Spaß ist für ihn aber doch ein wichtiger Aspekt. Viele Tätigkeiten bei Vereinen hat er auch deshalb angenommen, weil ihn Freunde in den Clubs darum gebeten hatten. „Im Nachhinein hätte ich vielleicht hier und da auch mal ‚Nein‘ sagen sollen. Aber im Gegensatz zu anderen war es mir nicht am Wichtigsten, wie die sportliche Perspektive aussieht, sondern die Tatsache, dass ich helfen wollte“, erinnert sich der 66-Jährige.

So kam auch sein Wechsel in den Damenbereich zustande, denn der Vorsitzende der „Linneser“, Gerhard Kerzmann, war händeringend auf der Suche nach einem Trainer für seine Verbandsliga-Mannschaft, woraufhin er auf Peter Antschischkin zuging. „Ich kenne ‚Gerdi‘ ja schon lange und musste nicht lange überlegen. Ich hatte ja zumindest schon Erfahrungen in dieser Richtung durch eine U14-Juniorinnenauswahl gesammelt, die ich – ob meiner Tätigkeit im Vereinsbereich – dann aber leider aufgeben musste“, so der Coach, der aber deutliche Unterschiede zum Männerbereich sieht. „Zum einen halte ich Frauen für wesentlich kritikfähiger, zum anderen muss man seine Entscheidungen und Standpunkte aber auch gut rüber bringen und sicherlich auch mehr Gespräche führen. Aber mir gefällt, dass sie nicht einfach nur kicken, sondern sich verbessern wollen und immer engagiert bei der Sache sind. Und die Damen sind absolut zuverlässig. Wenn mir eine Spielerin zusagt, dann ist sie auch da“, findet Antschischkin sehr lobende Worte. Seine Tätigkeit im Frauenbereich hat dieser daher auch zu keiner Zeit bereut. So konnte es auch nicht verwundern, dass er nach seiner Station in Klein-Linden nun Norbert „Doc“ Luh seine Zusage gab und der Weg nun zur Lollarer Eintracht führte. Dass seine Entlassungspapiere dort aber schon unterschrieben sind, konnte Peter Antschischkin trotz des launigen Eingangsstatements dann aber doch ausschließen.



TREUE TRAINER

- Wer tut sich das denn an? Über Jahre bei Wind und Wetter Mannschaften für die Saison fit machen, mal für die A-, mal die B-Liga, vielleicht auch mal ein paar Etagen höher. Das muss man wollen, muss man können. Das muss eine Leidenschaft sein und zur Leidenschaft werden. Deshalb stellen wir in loser Folge „treue Trainer“ vor, vereinstreue Trainer oder auch welche, die dem Amt treu bleiben, über Jahrzehnte in den Ligen Mannschaften betreuen, wo es nicht um schnöden Mammon geht und manchen gar nicht mehr viel beizubringen ist. Weil sie alles zu können glauben – oder auch das Talent begrenzt ist. (rd)

Aufrufe: 022.9.2020, 08:00 Uhr
Marc Steinert (Gießener Anzeiger)Autor