2024-05-10T08:19:16.237Z

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"Ich bin nicht gekommen, um gegen den Abstieg zu spielen", sagt Angelo Vaccaro.
"Ich bin nicht gekommen, um gegen den Abstieg zu spielen", sagt Angelo Vaccaro. – Foto: Yavuz Dural
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Angelo Vaccaro: „Die Null muss stehen, dann klappt das“

Der neue Sportdirektor von Calcio im Interview

Angelo Vaccaro, der neue Sportdirektor bei Calcio Leinfelden-Echterdingen, im Interview über seine Ziele und Erfahrungen.

Seit Anfang Juli fungiert der Ex-Profi Angelo Vaccaro als neuer Sportdirektor des Verbandsligisten Calcio Leinfelden-Echterdingen. In dieser Woche rief der Club zum Trainingsauftakt. Im Interview verrät der 37-Jährige seine Ziele, was er den Spielern an Erfahrungen aus der eigenen Karriere auf den Weg geben möchte und wie er die Lage des Stuttgarter Fußballs bewertet.

Herr Vaccaro, wie geht’s Ihrem Knie?
Angelo Vaccaro: Ich hatte in letzter Zeit vier Operationen, als Folge der ganzen Verletzungen in der Vergangenheit: Kreuzbandrisse, Meniskus- und Knorpelschäden. Gerade habe ich eine Knorpeltransplantation hinter mir. Mein Körper hat das gut angenommen, aber ich habe immer noch Beschwerden. Seit zwei Jahren habe ich keinen Ball mehr gesehen. Das ist natürlich mental schwierig, wenn du eigentlich noch kicken willst.

Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, Sie selbst im Calcio-Trikot zu sehen, ist eher gering?
Vaccaro: (lacht) Ich habe das wirklich überlegt, auch um zu zeigen, was der alte Mann noch kann. Aber nein: Ich bin froh, jetzt dort Sportdirektor zu sein. Für die VfB-Traditionsmannschaft würde ich gern mal wieder spielen. Der musste ich zuletzt immer absagen.

Vom Fußball lassen können sie nicht, oder?
Vaccaro: Niemals. Fußball ist mein Leben und hat mich immer begleitet. Deswegen freue ich mich sehr auf meine neue Aufgabe. Ich bin voller Tatendrang und will dazu beitragen, dass wir eine erfolgreiche Saison spielen.

Wann und bei welcher Gelegenheit haben Sie das erste Mal von Calcio gehört?
Vaccaro: Den Verein kenne ich schon lange. Ich bin ja Stuttgarter und in der Vergangenheit haben dort immer wieder Freunde gespielt. Der Trainer France Di Frisco ist auch ein langjähriger Kumpel. So kam der Kontakt zustande.

Sie waren bis 2017 Sportdirektor und Sportverstand beim Regionalligisten FC 08 Homburg. Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?
Vaccaro: Ich will den Jungs meine Erfahrungen weitergeben und sie mitentwickeln. Auch wenn es kein Profigeschäft ist, musst du mit dem nötigen Ehrgeiz und mit Disziplin an die Sache rangehen. Einen Kader zusammenzubasteln und unterschiedliche Charaktere zusammenzuführen, ist auch reizvoll.

Kein Freund von großen Reden

Sie waren in der vergangenen Saison schon häufiger unter den Calcio-Zuschauern. Das war teilweise ein ziemliches Auf und Ab. Wie haben Sie das erlebt?

Vaccaro: In der Mannschaft steckt viel Potenzial. Ich habe oft nicht verstanden, warum die Spieler es nicht immer auf den Platz gebracht haben. Die Umschaltbewegung nach hinten hat oft nicht funktioniert, das führte zu vielen Gegentoren. Das müssen wir abstellen. Ich bin kein Verfechter von Catenaccio, aber wenn hinten die Null steht, gewinnst du Spiele.

In den letzten vier Partien der abgelaufenen Saison hat Calcio vorne 15 Tore geschossen und hinten 16 Kisten kassiert.
Vaccaro: Da war ich noch nicht Sportdirektor, deswegen kann ich dazu nicht viel sagen. Aber wenn so etwas passiert, musst du dich als Spieler hinterfragen. Es geht ja auch um die Ehre. Wenn ich früher vier Gegentore bekommen habe, konnte ich die nächste Nacht nicht schlafen. Generell bin ich aber kein Freund davon, sich dann vor die Mannschaft zu stellen und große Reden zu schwingen. Ich weiß selbst, wie das als Spieler ist. Nach drei Minuten hört keiner mehr zu. Deswegen führe ich lieber Einzelgespräche. Wenn du dem anderen in die Augen guckst, kann er sich nicht wegdrehen, die Schuhe binden oder mit dem Handy spielen.

Wie haben Sie den Trainingsauftakt am Mittwoch erlebt?
Vaccaro: Ich bin guter Dinge. Die Jungs sind sehr motiviert und haben gut mitgezogen. Nach den ersten Freundschaftsspielen wissen wir dann mehr.

Ein Stürmer und ein Innenverteidiger sollen noch her

Wie sehen Sie sich personell aufgestellt?

Vaccaro: Wir haben eine gute Mischung. Einen Stürmer und einen Innenverteidiger wollen aber wir auf jeden Fall noch holen. Schauen wir mal, was der Markt so hergibt. Viele Spieler pokern gerade noch. Bis 31. August kann noch viel passieren. Da darfst du als Verein nicht in Hektik verfallen. Das habe ich gelernt.

Wie ist die Lage bei Valentino Stepcic?

Vaccaro: Er ist bei den Stuttgarter Kickers unter Vertrag. Und solange sich an dieser Situation nichts ändert, ist er für uns nicht interessant.

Blicken Sie unabhängig von weiteren Personalfragen mit Calcio in Richtung Oberliga?
Vaccaro: In einer Saison kann viel passieren. Unser Ziel ist es, besser als in der vergangenen Runde abzuschneiden. Ich bin nicht gekommen, um gegen den Abstieg zu spielen. Dafür ist der Kader viel zu gut. Und natürlich wollen wir nach oben schauen, aber dafür muss einfach alles passen.

Welche Erfahrungen aus Ihrer aktiven Zeit möchten Sie an die Spieler weitergeben?
Vaccaro: Als ich gegen Ende meiner Karriere häufiger mal nicht im Kader der ersten Mannschaft war, habe ich mich immer sofort gemeldet, um in der Zweiten auszuhelfen. Da haben mich die Jungen angeschaut und gefragt, warum ich das mache. Ganz einfach: Weil Fußball das Schönste auf der Welt ist und ich Tore schießen wollte. Wer sich als 18-Jähriger zu schade dafür ist, zwei Ligen weiter unten zu spielen und am Wochenende lieber gar nichts macht, hat etwas nicht verstanden.

"Ich hätte beim VfB früher die Notbremse gezogen"

Sie haben einmal gesagt, es sei ein Fehler gewesen, den VfB Stuttgart zu früh verlassen zu haben. Sie seien damals zu ungeduldig gewesen.

Vaccaro: Ich hatte meinen Vertrag gerade um drei Jahre verlängert, war aber bei Felix Magath nicht gefragt. Ich hätte trotzdem die Füße still halten sollen. Unter den Jungen Wilden hätte ich vielleicht auch eine gute Rolle spielen können. Dennoch: Eine meiner schönsten Zeiten habe ich trotz der vielen Verletzungen in Unterhaching erlebt. Der leider verstorbene Wolfgang Frank war ein sehr wichtiger Trainer für mich, der mir viel beigebracht hat. Er hat immer gesagt: „Angelo, arbeite für die Mannschaft und du wirst belohnt.“ Anfangs habe ich ihn dafür belächelt, aber irgendwann habe ich es mir zu Herzen genommen. Weil ich gemerkt habe, dass er recht hat, wenn er mich nach Spielen, in denen ich kein Tor geschossen habe, zur Seite nahm und wissen wollte, ob ich mir Gedanken über den Grund gemacht habe: Weil ich unter der Woche im Training eine Bratwurst war. So etwas vergisst du nicht.

Vor Ihrer Tätigkeit bei Calcio waren Sie als Scout bei Ihrem Ex-Club Stuttgarter Kickers tätig, der gerade den Aufstieg in die Regionalliga verpasst hat. Ihr Herzensclub VfB ist mit den Profis und der U 23 abgestiegen. Der Stuttgarter Fußball erlebt mal wieder keine rosigen Zeiten. Blutet Ihnen das Herz?

Vaccaro: Na klar. Ich hätte als Sportdirektor beim VfB die Notbremse schon früher gezogen. Aber jetzt musst du halt die richtigen Schlüsse ziehen und wieder aufstehen. Ich bin nicht euphorisch, aber ich glaube, der VfB kann eine gute Runde spielen und wieder in die erste Bundesliga kommen. Bei den Kickers ist es eine ähnliche Geschichte. Auch da hätte man früher die Reißlinie ziehen müssen. Aber wenn du in der Relegation gegen Völklingen und Alzenau nicht gewinnst, hast du es auch nicht verdient. Schade für die Stadt und die Region. Es wäre zu wünschen, dass die Kickers irgendwann wieder in der dritten Liga sind, der VfB im oberen Drittel der ersten Bundesliga – und dass wir mit Calcio nachrücken.

Was muss passieren, damit Letzteres klappt?
Vaccaro: Da bin ich Italiener. Wie schon erwähnt: Die Null muss stehen, dann klappt das. Denn nach vorne haben wir die Qualität.

Das Gespräch führte Benjamin Schieler.

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Aufrufe: 012.7.2019, 13:45 Uhr
Filder-Zeitung / Degel / SchielerAutor