2024-04-25T14:35:39.956Z

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Masih Saighani (hier noch im Trikot der Bashundhara Kings) spielt mittlerweile beim Chennaiyin FC und fühlt sich in der indischen Millionen-Metropole pudelwohl. Foto: Saighani
Masih Saighani (hier noch im Trikot der Bashundhara Kings) spielt mittlerweile beim Chennaiyin FC und fühlt sich in der indischen Millionen-Metropole pudelwohl. Foto: Saighani

Am zweitlängsten Strand der Welt

LEGIONÄRE: +++ Beim Chennaiyin FC in Indien hat der Marburger Masih Saighani sein Glück gefunden +++

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Wetzlar. Chennai, uns auch bekannt unter dem Namen Madras, ist eine der bedeutendesten Hafenstädte an der sogenannten Koromandelküste im Osten Südindiens und die Hauptstadt des Bundesstaates Tamil Nadu. Die mit 6,5 Millionen Einwohnern viertgrößte Metropole des Landes beherbergt den zweitlängsten Strand der Welt, den 13 Kilometer langen Marina Beach mit seinen berühmten Steinstatuen. Die Menschen brauchen mehr als eine Viertelstunde, um das Meer zu erreichen, wo Inder voll bekleidet baden. Wenn die Temperaturen sinken, ist der Strand ein Treffpunkt für Freunde und Familien. Die Menschen picknicken fröhlich, sie kaufen Abholgerichte, Süßigkeiten und sonstige Kleinigkeiten. Gerade an diesem Ort wird deutlich, dass die City entgegen vieler Meinungen sehr wohl verführerisch daherkommen kann. Besucher müssen jedoch lange an der Fassade aus Staus, Lärm, wuselnder Menge und ganzjähriger, erdrückender Hitze kratzen, um sie schätzen zu wissen und lieben zu lernen.

Aus der Provinz in eine Millionen-Metropole

Was Masih Saighani längst gelungen ist. Der 33-Jährige, der vor zweieinhalb Jahren Mittelhessen verließ, um in Asien sein Glück zu suchen, hat es geschafft. Aus der deutschen Hessenliga in die indische Super League, aus der Provinz in eine hektische Millionen-Metropole, raus aus dem Dasein eines Amateurs in eine Profiliga, in der schon Weltstars wie John Arne Riise, Diego Forlan, Roberto Carlos, Nicolas Anelka und Marco Materazzi ihr Glück versuchten. „Ich wollte immer unabhängig sein, etwas von der Welt sehen und ein Leben als Profi führen“, erzählte der lange in Marburg lebende und arbeitende Saighani einst, warum er bereit war, jedes Abenteuer auf sich zu nehmen.

Asien ist Heimat für Saighani. Er ist in Afghanistan aufgewachsen. Vor zweieinhalb Jahren unterschrieb er einen Vertrag bei Aizawl FC in Indien, vor 19 Monaten einen bei den Bashundhara Kings in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Nun steht er beim Chennaiyin FC unter Vertrag. „Was eher einem Zufall geschuldet war“, wie der Innenverteidiger mit einem Lächeln auf den Lippen verrät. Denn im AFC-Cup, dem Asienpokal für Vereinsmannschaften, traf er im Mai 2019 zweimal auf seinen neuen Arbeitgeber. Und hinterließ bei den beiden Erfolgen (3:2, 1:0) offenbar einen solch nachhaltigen Eindruck, dass Trainer John Gregory noch am Spielfeldrand seine Handynummer erbat. „Wie das Leben so spielt. Alles ging auf einmal ganz schnell“, hatte Saighani im August nur drei Wochen Zeit, seine Eltern in Frankfurt und seine Schwester in Hamburg zu besuchen sowie Freunde in Mittelhessen zu treffen.

Und in eine Stadt zu fliegen, die sich aus mehreren kleinen Fischerdörfern entwickelt hat, die auf eine 2000-jährige Geschichte zurückschauen kann und die im Laufe ihrer historischen Vergangenheit Angelpunkt des indischen Handels mit Südostasien war. Ihr Facettenreichtum und ihr Kulturerbe wurden auch durch europäische Einflüsse geprägt, da einst sowohl Portugiesen und Niederländer als auch Franzosen und Briten über das Gebiet herrschten. Zahlreiche Hindu-Tempel, Moscheen und Kirchen sind ein Zeichen für das Nebeneinander der unterschiedlichen Religionen. Heute ist Chennai vor allem als Handels- und Industriezen-trum bekannt, doch auch die tamilische Filmindustrie, „Kollywood“ genannt, hat hier ihren Standpunkt. Das Klima ist tropisch-feucht mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 29 Grad. Von Juli bis November kommt es wegen des Monsuns zu vermehrten Niederschlägen.

Club hat große Ambitionen, spielt aber mäßige Saison

Am 23. September begann für Masih Saighani in Indien die Saison. In einem Team, das 2015 und 2018 Meister war, das zuletzt aber nicht an diese Erfolge anknüpfen konnte. Dies sollte sich ändern, hat es aber nicht. John Gregory, einst auf der Bank von Aston Villa, Derby County und den Queens Park Rangers sowie vor seinem Engagement in Indien in Israel und Kasachstan beschäftigt, hatte im Sommer eine Mannschaft zusammengestellt, die eigentlich höheren Ansprüchen genügen sollte. Mit acht einheimischen Nationalspielern, mit dem Italo-Brasilianer Eli Sabia in der Innenverteidigung an Saighanis Seite, mit dem rumänischen Routinier Lucian Goian (36) als Sechser davor, mit dessen Landsmann Dragos Firtulescu auf der linken Außenbahn, mit dem maltesischen Mittelstürmer Andre Schembri, der von Apollon Limassol auf Zypern nach Chennai kam, sowie dessen litauischem Sturmpartner Nerijus Valskis, der zuletzt für Hapoel Tel Aviv in Israel spielte. Doch in der Super-League-Tabelle liegt der CFC im Mittelfeld auf Rang fünf und nach 15 Partien schon mit 14 Zählern Abstand zu Spitzenreiter FC Goa. Weshalb Gregory Ende November auch gehen musste und durch Ex-Brighton-Coach Owen Coyle (zuletzt Ross County) ersetzt wurde.

Masih Saighani stand bislang in allen 15 Ligaspielen im Kader: Sechsmal in der Startformation, viermal wurde er eingewechselt, fünfmal musste er von draußen zuschauen, 453 Minuten Einsatzzeit hat er seit Sommer auf dem Konto. Das ist ausbaufähig, zumal der Vertrag des 33-Jährigen am 31. Mai dieses Jahres ausläuft. Ob er ihn verlängern wird oder ihn verlängert bekommt, steht noch in den Sternen. Viele weitere beschauliche Abende am zweitlängsten Strand der Welt würde er schon gerne noch verbringen.



Zur Person

Geburtsdatum: 22- September 1986

Geburtsort: Kabul/Afghanistan

Wohnort: Frankfurt

Familienstand: ledig

Beruf: Fußballprofi, Bürokaufmann

Vereine: SG Niederweimar (Jugend), VfB Marburg U 19, VfB Marburg (Saison 2004/05), SC Waldgirmes (2006/07), Bonner SC (2006/07), SC Waldgirmes (2007/08), VfB Marburg (2008 bis 2010), Eintracht Wetzlar (2010 bis 2012), SF Siegen (2011/12), SC Waldgirmes (2012/13), TSV Steinbach (2013 bis 2015), TSV Stadtallendorf (2016), FC Ederbergland (2016/17), Türk Gücü Friedberg (2017), Aizawl FC/Indien (2017/18), Bashundhara Kings Dhaka/Bangladesch (2018/19), Chennaiyin FC/Indien (2019/20)

Aufrufe: 014.2.2020, 16:02 Uhr
Alexander Fischer (Hinterländer Anzeiger)Autor