2024-04-25T14:35:39.956Z

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Burkhard Tillner (links) spricht mit (von links) Rainer Bonhof, Uli Borowka und Ansgar Brinkmann.
Burkhard Tillner (links) spricht mit (von links) Rainer Bonhof, Uli Borowka und Ansgar Brinkmann. – Foto: Reinhard Fanslau

WM-Geschichten und Netzers Rechte

Fußballtalk beim FC Kalkriese: Was Weltmeister Bonhof, Borowka und Brinkmann erzählten

Glücksgefühle wie nach einem 25-m-Schuss in den Winkel dürften am Samstag Fußball-Nostalgiker im Vereinsheim des FC Kalkriese gehabt haben. Mit Rainer Bonhof, Uli Borowka und Ansgar Brinkmann waren gleich drei deutsche Fußballlegenden Gäste einer Talkrunde zum 100-jährigen Bestehen des Vereins.

Das Motto lautete: „Vom Dorfverein ins Rampenlicht“. Der mit den wenigsten Erfolgen hatte dabei fast noch den höchsten Unterhaltungswert: Ansgar Brinkmann. „Drei Legenden stimmt nicht. Zwei Legenden und zwanzig Jahre Abstiegskampf“, korrigierte schlagfertig der ehemalige Spieler des VfL Osnabrück die Ankündigung von Moderator Burkhard Tillner. Damit hatte der auch als „weißer Brasilianer“ bekannte Ex-Kicker gleich die ersten Lacher auf seiner Seite.

Doppelleben als Profi und Alkoholiker

Dass der in Bakum bei Vechta geborene Ex-Profi trotz enormen Talents kein A-Länderspiel und „nur“ 59 Bundesligaeinsätze (Eintracht Frankfurt, Arminia Bielefeld) auf seinem Konto hätte, liege daran, dass er in seiner Karriere öfter mal falsch abgebogen ist, sagte er augenzwinkernd. „Das bin ich auch ein paar Mal“, warf selbstironisch Ex-Werder- und Borussia-Mönchengladbach-Profi Uli Borowka ein und meinte damit sein Doppelleben als Bundesligafußballer und Alkoholiker, das später noch kurz thematisiert wurde.

Nie falsch abgebogen ist dagegen Rainer Bonhof. Die Karriere des Weltmeisters von 1974 verlief geradlinig und ohne Skandale. Heute mit 70 ist er immer noch im Fußballgeschäft tätig: als Vizepräsident von Borussia Mönchengladbach. Bonhofs Karriere begann unter heute undenkbaren Zuständen. Die Familie hatte kein Geld für Fußballschuhe. Also spielte der kleine Rainer zunächst in den Bergarbeiterschuhen seines älteren Bruders. Dann schenkte ihm sein Onkel die begehrten Fußballtreter. „Meine Mutter hat nach jedem Spiel die Schnürsenkel gewaschen. Diese Schuhe sollten immer gut aussehen“, erinnert er sich.

Sie waren auch der Grund, warum das junge Talent so lange bei seinem Heimatverein SuS Emmerich blieb. „Mein Onkel war der Präsident des Vereins. Einen Wechsel konnte ich ihm nicht antun. Er hatte mir doch die Schuhe geschenkt“, erzählte Bonhof.

Wie gut er war, sprach sich schließlich aber doch bis Borussia Mönchengladbach herum. Der legendäre Trainer Hennes Weisweiler wollte ihn haben. Da war er gerade 18 Jahre alt. Bonhof erinnert sich an sein erstes Training: „Das fand morgens um 10 Uhr auf einem Ascheplatz statt. Um 10 nach 10 lag ich schon das erste Mal im roten Sand und konnte mit Sandhäufchen spielen. Berti Vogts hatte mich umgehauen.“ Das machte der spätere Bundestrainer und damals als „Terrier“ bekannte harte Abwehrspieler gerne mal mit Neulingen. Für Bonhof hatte das Umhauen ein Ende, als ein Mitspieler zu Vogts ging und ihm sagte: „Berti, den brauchst du nicht mehr umzuhauen. Der ist in Ordnung.“

Heute denken viele Fans an Bonhofs knallharten und präzisen Schüsse und Freistöße zurück, mit denen er viele Tore erzielte. In Mönchengladbach durfte er zunächst nicht. „Damals war es absolut tabu, einen ruhenden Ball zu berühren. Da kam dann immer so einer mit langen blonden Haaren und hat geschossen“, erzählte Bonhof. Damit war Günter Netzer gemeint. Das Mittelfeldgenie ging dann zu Real Madrid. „Günter war weg, und ich durfte dann ran. Jeden Tag habe ich 100 bis 150 Bälle um die Ecke geknallt. Das war Schweinearbeit, weil die Bälle damals noch Wasser gezogen haben und sehr schwer wurden“, erinnert sich Bonhof. Dann wurde es ganz spannend, als der Rheinländer von der WM 74 erzählte. Als junger Spieler war er in der Vorrunde zunächst nur Ersatz. Dann verlor die Nationalelf sensationell mit 0:1 gegen die DDR. Beim nächsten Training kam der damalige Bundestrainer Helmut Schön auf den 22-Jährigen zu. Schön sprach alle Spieler mit Vornamen und „Sie“ an und fragte ihn: „Rainer, können Sie sich vorstellen, im nächsten Spiel zu spielen“? Dessen Antwort: „Ich bin jetzt fünf Wochen hier im Trainingslager. Dafür bin ich nicht gekommen. Klar, ich will spielen.“

Ein unangenehmer Gegenspieler

Bonhof spielte und gab im Finale gegen die Niederlande den entscheidenden Pass zum 2:1 auf Gerd Müller. „Dabei hätten in der Szene alle viel lieber einen Pass in die Tiefe auf Jürgen Grabowski gesehen, als dass ich den Ball bekomme“, erzählte 53-fache Nationalspieler.

Keine WM-Teilnahme, aber immerhin sechs Länderspiele und 388 Bundesligaspiele für Borussia Mönchengladbach kann Uli Borowka vorweisen. Der Abwehrspieler war hart. Gleich viermal landete der gebürtige Sauerländer bei seinen Bundesligakollegen bei der Wahl zum unangenehmsten Gegenspieler auf Platz 1 und bekam zudem den Spitznamen „Die Axt“ verpasst.

Der heute 60-jährige erinnert sich: „Nur bei einem habe ich es nie geschafft, den umzukacheln: Manni Burgsmüller. Der war so schnell und flink.“ Später spielten Borowka und Burgsmüller bei Werder Bremen zusammen in einer Mannschaft. „Als Manni dann zu uns kam, habe ich mir gedacht: Dann kann ich den ja mal wenigstens im Training umhauen. Aber auch das habe ich nicht geschafft.“ Ganz besondere Erinnerungen hat der Ex-Profi auch an Ulf Kirsten von Bayer Leverkusen, wegen seiner dunklen Haarfarbe „Der Schwatte“ genannt: „Den Schwatten konntest du umhauen, der stand aber sofort wieder auf und spielte weiter.“ Auch Borowkas Anfänge bei Borussia Mönchengladbach als junger Spieler waren hart: „Wenn ich vom Training kam, sah ich aus wie vom Werwolf zerfetzt. Wenn ich nur eine Platzwunde hatte, war ich schon zufrieden.“

Fazit: Heute mit vielen Jahren Abstand blicken Brinkmann, Borowka und Bonhof gelassen und mit viel Selbstironie auf ihre aktiven Zeiten zurück. Was alle drei über ihre Karrieren denken, brachte am Ende der Talkrunde „Die Axt“ auf den Punkt: „Es war hart – aber eine geile Zeit.“

Aufrufe: 027.6.2022, 15:00 Uhr
Reinhard FanslauAutor