2024-05-02T16:12:49.858Z

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Ein rot-weißer Abend in Grafeld: Im Festzelt auf dem Sportplatz feierte der SV sein Vereinsjubiläum.
Ein rot-weißer Abend in Grafeld: Im Festzelt auf dem Sportplatz feierte der SV sein Vereinsjubiläum. – Foto: Jürgen Ackmann

Felix Magath und Schalke 04 in der Kiesgrube

Kurios und spannend: Grafelder Sportgeschichten aus 100 und einem Jahr

Der SV Grafeld ist 101 Jahre alt. Da kommen viele Geschichten zusammen. Über Felix Magath, der seine Spieler durch eine Kiesgrube bei Grafeld scheucht. Über Ansgar Brinkmann, der nach einem Spiel von Bielefeld gegen den SV die dritte Halbzeit an der Bierbude einläutet. Über Tore aus Baumstämmen. Grafelder Sportgeschichten.

All das und noch mehr hörten die Gäste beim rot-weißen Abend im großen Zelt auf dem Sportplatz des SV anlässlich des 101-jährigen Bestehens des Vereins. Kein steifer Festakt, keine langatmigen Reden, dafür beste Unterhaltung. Ungezwungen. Humorvoll. Gelungen. Auch für eine perfekte Bewirtung war gesorgt. Die übernahm der TuS Berge.

Die Feier war zugleich der Abend von Hans Dresmann, seit seit 2013 Vorsitzender des SV und seit 44 Jahren im Verein aktiv. Mit 17 hat der heute 61-Jährige als Jugendtrainer gefangen, hat später die ersten Herrenmannschaft trainiert, war 40 Jahre Schiedsrichter. Sport in Grafeld ohne Hans Dresmann – von allen nur „Matzi“ genannt? Schwer vorstellbar. Bereits sein Vater Johannes senior hat den SV geführt – von 1953 bis 1973.

Für sein besonderes Engagement erhielt er die silberne Verdienstnadel des Niedersächsischen Fußballverbandes aus den Händen von Bernd Kettmann und Dennis Meinders vom Kreisverband Osnabrück.

Das machte Hans Dresmann fast sprachlos. Ebenso der stehende Applaus, der folgte. „Ohne euch wäre ich nichts“, sagte er sichtlich gerührt. Mehr nicht. Zuvor hatte ihn bereits der Vorstand geehrt und sich für die unermüdliche Arbeit bedankt. Auch da fiel nur dieser eine Satz. Und der sagte alles.

Zwischen diesen Momenten gab es viel zu lachen. Dafür sorgten Ann Oldiges und Ralf Stolte, sonst eher bekannt als Polizeidirektorin in Osnabrück und als Vorstand bei der VR-Bank. Sie gaben bisweilen kuriose Begebenheiten rund um das Vereinsleben zum Besten.

Ansgar Brinkmann und die dritte Halbzeit

Da war zum Beispiel die Geschichte mit Fußballprofi Ansgar Brinkmann, dem „weißen Brasilianer“. Der legte am 5. Juli 2002 in Grafeld beim Freundschaftsspiel seines Vereins Armina Bielefeld gegen SV Grafeld einen denkwürdigen Auftritt hin. Nicht auf dem Platz, sondern an der Bierbude.

Verletzungsbedingt hatte Ansgar Brinkmann beim standesgemäßen 19:0 des damaligen Bundesligisten vor 900 Zuschauern nicht mitgespielt und nur ein leichtes Lauftraining am Spielfeldrand absolviert. Bestens ausgeruht, startete er anschließend eigenmächtig in eine von Trainer Benno Möhlmann nicht vorgesehene dritte Halbzeit mit offenem Ende. Statt Dribblings und Tore gab es Bier und Likör.

Warum auch nicht? Just am Tag des Spiels war Ansgar Brinkmann 33 geworden, also gab er an der Bierbude einen aus. Und wer die Grafelder kennt, weiß, dass die sich nicht zweimal bitten lassen, wenn es ums Feiern geht. Der Fußballprofi nahm es erfreut zur Kenntnis. Während also die Mannschaft zum Hotel Aselager Mühle in Herzlake abreiste, blieb Ansgar Brinkmann in Grafeld bei seinen neuen Freunden. Als sein Fehlen auffiel, rückten zu später Stunde zwei Betreuer der Armina auf Geheiß von Benno Möhlmann an und überzeugten den gut aufgelegten Profi nach einigem Hin und Her, dass es möglicherweise besser sei mitzukommen.

Ansgar Brinkmann war übrigens nicht der einzige Fußballprofi, der die Vorzüge Grafelds und der Umgebung sofort erkannte. So tauchte 2009 völlig überraschend Felix Magath, damals Trainer bei Schalke 04, mit seinen Spielern am Arbeitsplatz von Bernd Anterhaus auf, einer Kiesgrube im benachbarten Börstel. Sie schien ihm geeignet, die Fußballprofis ein wenig die Hänge hinaufzuscheuchen.

Er hatte aber nicht mit Bernd Anterhaus gerechnet. Der stieg von seinem Radlader herunter und erläuterte die geltenden Arbeitsregeln in der Kiesgrube. Sie waren nicht mit mit den Trainingsmethoden von Felix Magath in Einklang zu bringen. Der hatte ein Einsehen, die Spieler schrieben für Bernd Anterhaus Autogramme, alle waren glücklich. Nur einer vielleicht nicht.

Tore aus Baumstämmen gezimmert

Gleichwie. Mit Kies kannten sich die Fußballer des SV Grafeld ohnehin besser aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten sie zunächst auf dem Sportplatz „westlich der Herzlaker Straße“. Umkleidekabinen gab es nicht, die Tore waren aus Baumstämmen zusammengezimmert, die Spielfläche bestand aus wenigen Grasbüscheln und viel Kies. Zudem sorgte das starke Gefälle für interessante Spiele. Der Kreisfußballbund sprach von „unhaltbaren Platzverhältnissen“. Vermutlich zu recht.

Die sollten sich aber 1961 mit dem neuen Sportplatz an der Ohrter Straße ändern. Heute eine ausgesprochen gepflegte Anlage mit einem Rasen, der auf jeden Fall „heilig“ ist, wie Grafelds Ortsbürgermeister Guido Holtheide bei einer kurzen, von Ann Oldiges moderierten Talkrunde mit Berges Bürgermeister Dimitri Gappel feststellte. Beim Jubelschützenfest habe er mit seiner Kutsche auf dem Rasen vorfahren wollen, sei aber vehement zurückgewiesen worden. Der Platz nehme Schaden, habe es geheißen. Seither wisse er, obwohl kein Sportsmann, dass es in Grafeld einen „heiligen Rasen“ gebe.

Zwischen diesen Geschichten gab es eine Reihe von Ehrungen für verdiente Sportler, die neben Bernd Kettmann und Dennis Meinders vom NFV zudem Philipp Karow für den Kreissportbund vornahm. Darüber hinaus würdigte Hans Dresmann Vereinswirtin Ute Holtkamp, bei der sich der SV immer gut aufgehoben gefühlt habe. Ein Dank ging zudem an die Damenmannschaft des Vereins, die das Festzelt geschmückt hatte.

Neben den Worten war immer wieder Klingendes zu hören. Der SV gab, einer langen Tradition folgend, Vereinslieder zum Besten. Für die richtigen Einsätze sorgte Helmut Ramler vom Grafelder Kirchenchor. Krönender Abschluss war die neue Vereinshymne „Meine Liebe. Mein Dorf. Mein Verein“ – eingängiger Rockpop-Schlager, auch auf CD erhältlich.

Als all die Lieder gesungen und die Geschichten erzählt waren – von einem verletzten Spieler aus Herzlake, den Grafelder Sanitäter von der Trage fallen ließen, bis hin zur Erzählung, wie 120 Sitzschalen aus dem Weser-Stadion in Bremen ihren Weg zur Tribüne des SV gefunden haben –, da verkündete Hans Dresmann eine kurze Verschnaufpause, aber nur, um wenig später in die rot-weiße Nacht zu starten. Eine echte Sause. Familiär, ausgelassen, stimmungsvoll. Grafeld eben.

Aufrufe: 012.7.2022, 13:00 Uhr
Jürgen AckmannAutor