2024-04-29T14:34:45.518Z

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Dreck vom Fußballschuh zeugt davon, wie ein oder mehrere U12-Spieler gegen die Tür (Foto oben) getreten haben.
Dreck vom Fußballschuh zeugt davon, wie ein oder mehrere U12-Spieler gegen die Tür (Foto oben) getreten haben. – Foto: privat

Eklat im Kreis Erding: Schiedsrichterin (13) übel beleidigt

JUGENDFUSSBALL

Trainer und Spieler haben sich inzwischen für die Entgleisung entschuldigt, der Schiedsrichterobmann fordert härtere Strafen.

Erding – Noch nie hat sie ihre Mutter während der Halbzeitpause angerufen und gebeten, als Fahrdienst nicht erst nach Abpfiff, sondern sofort zum Sportplatz zu kommen. Aber diesmal hat Steffi Meier (Name geändert) eine schwierige Partie zu leiten. Und da ahnt sie noch gar nicht, dass im zweiten Durchgang plötzlich ein Trainer auf den Platz marschieren wird. Und dass sie nach Abpfiff von Spielern übel beleidigt wird, und die so heftig gegen die Tür ihrer Kabine treten, dass davon Abdrücke bleiben. Das alles passiert einer 13-Jährigen, die seit wenigen Monaten Schiedsrichterin ist.

Eine sehr gute Schiedsrichterin, wie Knut Friedrich bestätigt. Der Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Erding ist stocksauer auf Trainer, Spieler und Zuschauer. Aber auch auf das Sportgericht, gegen dessen Urteil die Schiedsrichtergruppe Einspruch eingelegt hat. Das gab er in der Monatsversammlung der Schiri-Gruppe bekannt. Viel zu milde sei das Urteil ausgefallen, sagte er auch der Heimatzeitung. Was war passiert?

"Leidtragende war die Schiedsrichterin. Sie hat den Frust abbekommen.“

Wir haben mit den Beteiligten gesprochen. Die Namen der beiden Vereine werden wir hier nicht nennen, weil man sonst Rückschlüsse auf die Schiedsrichterin ziehen könnte, die aber namentlich nicht erwähnt werden will.

Es handelt sich um ein Fußballspiel der U12-Junioren, das eigentlich an jenem Tag hätte gar nicht stattfinden sollen – zumindest, wenn es nach dem Gast ging. „Wir hatten um eine Spielverlegung gebeten, weil wir sehr viele Verletzte hatten“, erzählt dessen Trainer. Die Heimelf habe der Verlegung nicht zugestimmt, „was auch deren Recht ist, aber die Stimmung war dann schon in den Trainings zuvor in der Mannschaft entsprechend. Und das hat sich dann während des Spiels so hochgeschaukelt, dass alles völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Leidtragende war die Schiedsrichterin. Sie hat den Frust abbekommen.“

Nicht nur der Gast, sondern auch die Heimmannschaft habe allerdings dazu beigetragen, meint der Trainer. „Zum Beispiel als sie nach dem ersten Gegentor minutenlang mit der Schiedsrichterin wegen einer angeblichen Abseitsstellung diskutiert haben“. An der giftigen Stimmung seien viele beteiligt gewesen – da waren sich alle hinterher einig. „Das eskaliert heute noch“, sagte ein Spielervater zum Vorsitzenden des Gastvereins.

"Schon da wusste ich: Ich habe gerade einen Riesenfehler gemacht"

Und so war’s dann auch. Nachdem die Heimelf in der zweiten Halbzeit den Ausgleich zum 2:2 erzielt hatte, „bin ich aufs Feld gegangen und habe die Schiedsrichterin gefragt: ,War der Ball nicht vorher im Aus? Das fühlt sich gerade nicht mehr fair an.‘“ Danach habe er den Platz sofort wieder verlassen, „aber schon da wusste ich: Ich habe gerade einen Riesenfehler gemacht. Und es tut mir unendlich leid.“ Ab diesem Moment habe er alles getan, dass sich dieses Spiel und die Spieler wieder beruhigen, beteuert der Coach.

Der Jugendleiter der Heimmannschaft hält diese Situation nach dem 2:2 für den Schlüsselmoment. „Da hat die Schiedsrichterin dem Trainer leider nur Gelb statt Rot gegeben. Man kann ihr da aber überhaupt keinen Vorwurf machen, dass sie mit so einer Situation noch überfordert ist. Aber ab da wurde jede Aktion, jeder Kontakt, einfach alles von allen hinterfragt.

Und das passierte während der Partie, nach dem Abpfiff und sogar, als die 13-Jährige in ihrer Kabine war, in die sie der Jugendleiter begleitet hat. Übelste Beleidigungen seien da gefallen und gegen die Tür getreten worden, erzählt der Jugendleiter. Er habe dann den gegnerischen Trainer gebeten, auf dessen unbeaufsichtigten Jungs zu schauen. „Aber der hat nur gesagt, er halte das nicht für nötig.“

Trainer erschüttert: "Mich kennt man so nicht"

Der Trainer wiederum kann sich an diesen Wortwechsel nicht erinnern. Er versichert, er habe gleich nach dem Spiel versucht, im Kreis auf seine Jungs in einem Gespräch einzuwirken, „um sie runterzubringen“.

Erschüttert sei er über sein eigenes Verhalten. „Ich bin schon so lange Trainer, habe seit acht Jahren die B-Lizenz, so etwas ist mir noch nie passiert und wird auch nie mehr passieren“, versichert er und beteuert: „Mich kennt man so nicht.“

Das bestätigte auch der Vorsitzende des Vereins, der ihn als „als vorbildlichen Trainer“ bezeichnet. „Ich bin schon seit vielen Jahren dabei, habe auch wirklich schon viele Rüpeltrainer erlebt, aber so einer ist er nicht. Der Clubchef, der zeitweise selbst vor Ort war, macht aber auch klar: „Natürlich hat er danach richtig Ärger von mir bekommen, weil diese Aktion indiskutabel war.“

Und das gelte auch für die Spieler, mit denen Vorstand und Trainer nun einen Verhaltenskodex erarbeiten. Weitere Konsequenzen werde es für Trainer und Verein nicht geben. Die beiden Kapitäne der Mannschaft hätten sich auch sofort noch bei der Schiedsrichterin entschuldigt – wie übrigens auch eine Mutter eines Gästespielers. Die habe eigentlich das getan, was Aufgabe des Trainers gewesen wäre, meinte der Jugendleiter des Heimatvereins.

Ein Spiel Sperre und eine Geldstraße von 70 Euro

Inzwischen hat das Sportgericht auf die Vorkommnisse reagiert. Der Gästetrainer wurde für ein Spiel gesperrt, der Verein mit einer Geldbuße von 70 Euro belegt. „Das ist ein mittelschlechter Witz“, findet Obmann Friedrich, der das Urteil beim Verbandsanwalt überprüfen ließ. Das Ergebnis: Die Spielsperre für den Trainer sei in Ordnung, das Urteil gegen den Verein gehe in die nächste Instanz.

„Gut so“, meint Friedrich, „denn unsere Schiris müssen besser geschützt werden. Und das geht nicht, wenn so inkonsequent bestraft wird“. Friedrich hat übrigens die betreffende Mannschaft eine Woche später selbst gepfiffen. „Da war gar nichts, da waren alle lammfromm.“ Für den Vereinsvorsitzenden ein Beleg, „dass das wirklich keine Rüpelmannschaft ist“. Das wolle auch Friedrich nicht unterstellen, sagt er. „Aber Spieler und leider auch Zuschauer wissen schon, bei wem sie es mal probieren können.“ Am meisten ärgere er sich aber, dass durch solche Vorfälle überdeckt werde, was derzeit alles gut laufe in der Schiedsrichter-Gruppe (siehe Sportgeflüster).

Und dazu passen auch die letzten drei Sätze dieses Artikels: Die betreffende Jung-Schiedsrichterin wird trotz dieser Erlebnisse weitermachen. Sie hat schon die nächsten Spiele geleitet – ohne besondere Vorkommnisse. So gut und zuverlässig, wie man es von ihr gewohnt sei, so Friedrich. „Sie hat schon über 20 Spiele gepfiffen, und da war nie was.“ Natürlich sei ihr das nahegegangen, erzählt die Mutter. „Es ist ja auch nicht schön, wenn du 1,55 Meter groß bist und plötzlich ein 1,80-Meter-Mann vor dir steht. Aber meine Tochter pfeift halt einfach gern. Aufhören kam für sie eigentlich nicht in Frage.“

Aufrufe: 013.4.2024, 05:30 Uhr
Dieter PriglmeirAutor