2024-05-02T16:12:49.858Z

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Zurück in der Fußball-Landesliga nach einem denkwürdigen Aufstiegsspiel: Bonndorf feiert. | Foto: Johannes Bachmann
Zurück in der Fußball-Landesliga nach einem denkwürdigen Aufstiegsspiel: Bonndorf feiert. | Foto: Johannes Bachmann

Kay Schlageter macht den TuS-Traum wahr

Bonndorfer Ekstase über Landesliga-Aufstieg +++ Schlager der Held beim TuS

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Es ist der Moment, der Verzweiflung und spätes Wunder trennt. Der Traum vom Aufstieg ist für die Bonndorfer Fußballer an diesem Samstagabend nach einem 0:1-Rückstand gegen Salem in der 89. Minute schon geplatzt, da deutet der Schiedsrichter nach einem Handspiel im Salemer Strafraum auf den Punkt. Alle Hoffnung ruht in dieser Sekunde auf einem Kerl, so stämmig wie ein Bauernschrank und doch flink wie ein Moped. Er schaut nicht rechts, er schaut nicht links. Weil er ringsumher Menschen in roten Hemden um sich weiß, die wie Ertrinkende auf dem Rasen kauern. Kay Schlageter hält einfach drauf - und trifft zum 1:1. Der TuS Bonndorf ist zurück in der Landesliga.
Drin, tatsächlich drin. Es ist die erste, die einzige, die letzte Chance, die die bis dahin hoffnungslos unterlegenen Bonndorfer an diesem denkwürdigen Samstagabend gegen die Salemer haben und nützen. Kay Schlageter weiß, dass er nicht entkommen kann, rast, die Arme zum Sieges-V abgespreizt, quer über den Platz wie ein Tiefflieger, verfolgt von einem Pulk roter Hummeln. Gebremst wird er von einem Hünen im grünen Sweater. TuS-Schlussmann Daniel Ebner rennt den Mann, der dem TuS das 19. Spiel in Folge ohne Niederlage beschert und damit nach dem 2:2 im Hinspiel den Aufstieg in die Fußball-Landesliga perfekt macht, einfach um. Sekunden später wird Schlageter begraben. Unter einem Freudenberg, der sich nur widerwillig auflöst. Noch sind schließlich drei Minuten Nachspielzeit zu überstehen. Dann ist es geschafft. Sie sind oben, die Bonndorfer, im siebten Fußballhimmel. Die Hölle erleben in diesem Moment die Salemer, die hemmungslos weinen.

"Ich werde heute dieses Spiel entscheiden."
Kay Schlageter vor dem Anpfiff

TuS-Spielertrainer Benjamin Gallmann nähert sich einem Häuflein Elend, versucht den Untröstlichen zu trösten. Und heult einfach mit. Dicke Tränen unfassbarer Zufriedenheit. "Das ist der glücklichste Moment meiner Fußballerkarriere", sagt der 29-jährige Spielertrainer, der so verspannt ist nach all der Aufregung, dass er kaum noch aufrecht stehen kann. Die Last der Verantwortung, die da in den vergangenen Tagen und Wochen immer höher, immer schwerer auf seine Schultern geladen wurde, sie hat ihn fast erdrückt. "Das hätte keinen Tag länger so weiter gehen dürfen", weiß Gallmann. Der Triumph, er überwältigt ihn, weil er schon geplatzt war, der Traum. "Es tut mir leid für Salem", sagt Gallmann leise, "heute hat es die schlechtere Mannschaft nach oben geschafft". Es ist ein Lob, das Größe erfordert und Mut zur Selbstkritik.

Die setzt zuerst beim Spielertrainer selbst an. "Ja", sagt Gallmann, "das war heut' nix, was ich gezeigt habe". Doch TuS-Vereinschef Norbert Plum, der angesichts eines 0:1-Rückstandes zur Pause noch so blass wirkte wie ein Schluck Magermilch, will davon nichts hören. Herzlich, fest, innig drückt er den Spielertrainer: "Benni, großartig." Verdient, so Plum, habe der TuS den Aufstieg, weil die Bonndorfer vor zwei Wochen beim Bezirksliga-Finale dem Titel nahe waren. Und weil sie beim 2:2 in Salem als bessere Mannschaft bis kurz vor Schluss den Sieg vor Augen hatten. "Im Fußball gleicht sich irgendwann immer alles aus", so Plum. "Da ist es nur gerecht, dass wir jetzt wieder oben sind."


Locker sein, das Spiel genießen, früh in Führung gehen wollten die Bonndorfer. Soweit der Aufstiegsplan. Doch an diesem Samstag will im Waldstadion, kräftig angefeuert von 850 Zuschauern, darunter eine lautstarke Abordnung des Bezirksliga-Meisters FC Löffingen und die Bonndorfer Reserve-Mannschaft, die ungeduscht nach dem Kreisliga-Finale in Bräunlingen ins Waldstadion gestürmt ist, nichts gelingen.

Schon beim ersten Zusammentreffen und dann beim Aufwärmen erlebt Kay Schlageter Teamkollegen, die vor lauter Aufregung sich selbst im Weg stehen. "Da war eine brutale Nervosität", so Schlageter. "Wir waren wie gelähmt." Das zeigt sich auch auf dem Platz. In der ersten Halbzeit tut sich ein Klassenunterschied auf. Den Bonndorfern will nichts gelingen. Zäh rollt der Ball, auf dem Weg nach vorn versanden die TuS-Angriffe meist schon nach der Mittellinie. Und der, der den Weg weisen soll in die Landesliga, findet keinen Zugriff aufs Spielgeschehen: Benjamin Gallmann. Der TuS-Spielertrainer wirkt gehemmt.

Gallmann, der seine Mannschaft mit beispielhaftem Einsatz zu 18 Spielen ohne Niederlage in Folge geführt hat, hadert. Mit sich. "Es ist mir nicht gelungen, die Mannschaft zu führen." Das spüren auch die Salemer, die rennen wie entfesselt. Über die linke Seite. Moritz Gütt und Pasquale Sabino stürmen die Außenbahn entlang und stürzen die TuS-Hintermannschaft in Verwirrung. Und dann das: In der 17. Minute trifft Sascha Rilli furios zum 0:1. Ein Treffer, der die Bonndorfer in Schockstarre versetzt. Weil in diesem Moment der Traum vom Aufstieg geplatzt scheint.

Die Salemer, sie setzen nach - und treffen in der 23. Minute durch Sabino den Pfosten. Als der Ball ans Gebälk donnert, wird es still im Waldstadion. Weil die TuS-Fans spüren, dass es jetzt ganz eng wird im Aufstiegskampf. Salem drängt weiter, gegen gelähmte Bonndorfer, die sich in die Halbzeit retten. Nach dem Seitenwechsel wirkt der TuS präsenter. Besser wird das Spiel dagegen nicht. Immerhin: Die Salemer Spitzen bleiben stumpf. Die Bonndorfer kommen jetzt häufiger über die Mittellinie. Doch eine Torchance gibt es nicht zu verzeichnen. Bis in die 89. Minute, als der Schiedsrichter auf Handspiel entscheidet und auf den Punkt deutet.

Dass Kay Schlageter anlaufen wird, ist Benjamin Gallmann in diesem Moment klar. Später, als alles vorbei ist, wird er das Geheimnis lüften. "Benni, ich werde dieses Spiel entscheiden", verspricht Schlageter - eine Stunde vor dem Anpfiff.

TuS Bonndorf - RW Salem 1:1 (0:1)
Bonndorf: Ebner, Morath, M. Rendler, Boll, Güntert, Plum, L. Bernhart (78. N. Bernhart), Gallmann, J. Rendler, Schlachter (46. Schönle), Schlageter.
Salem: Hummel, Gütt, Notheis, Sabino, Fiolka (89. Ammon), Falco (71. Ehrmann), Frei, Baur, Bröski, Kohl, Rilli.
Tore: 0:1 Rilli (17.), 1:1 Schlageter (89./Hand-Elfmeter). Schiedsrichter: Dusch (Kehl). Zuschauer: 850.
Aufrufe: 015.6.2014, 22:00 Uhr
Johannes Bachmann (BZ)Autor