2024-04-30T13:48:59.170Z

FuPa Portrait
Nach über zehn Jahren für den SVA ist Schluss: Simon Schmidt hat am Samstag seine Karriere beendet!
Nach über zehn Jahren für den SVA ist Schluss: Simon Schmidt hat am Samstag seine Karriere beendet! – Foto: Frank Scheuring

Bye Bye "Mister Viktoria"

- FuPa blickt auf die Karriere und den Abschied von Aschaffenburgs Simon Schmidt

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„Ob ich ausgewechselt werden möchte, weiß ich noch nicht. Das hängt vom Spielstand ab, wir wollen ja gewinnen“, erklärte Simon Schmidt noch am Freitag. Es war ein Satz, der wohl gut beschreibt, wie der 37-Jährige als Sportler tickte. Erfolge und Siege für die Mannschaft standen an oberster Stelle – er selbst ordnete sich lieber unter. Selbst dann, als es am Samstag um seinen großen Abschied ging. Nach über 400 Pflichtspielen für Viktoria Aschaffenburg beendete der langjährige Kapitän seine Karriere. In der 71. Minute wurde Schmidt beim Stand von 5:0 dabei dann doch ausgewechselt: Auch dank seiner beiden Elfmeter-Tore war der ihm wichtige Sieg zu diesem Zeitpunkt nämlich nicht mehr gefährdet…

„Es war ein Auf und Ab der Gefühle“, blickt Schmidt auf die Partie gegen Bayreuth zurück. Eine Grußbotschaft für ihn auf der Anzeigentafel, spezielle Aufwärmshirts mit seiner Nummer 16, eine Ehrung vor Anpfiff und Freunde sowie Bekannte auf der Tribüne sorgten für zahlreiche Überraschungsmomente. „Da war es gut, dass es auf dem Platz um nichts mehr ging“, lacht er, der selbst nicht gern im Rampenlicht steht. „Es tat mir leid für die sechs Spieler, deren ebenfalls letzte Partie für den SVA in den Hintergrund geriet.“ Gerne hätte der Teamplayer seinen zweiten Elfmeter einem der anderen Kollegen überlassen, die am Samstag Abschied feierten, „aber die waren alle schon vom Feld. Und so musste ich nochmal ran.“ Normal mache es ihm auch nichts aus fünf Strafstöße in einer Begegnung zu treten, „aber mit einem Fehlschuss wollte ich nicht gehen!“ Musste er auch nicht: Den ersten verwandelte er flach rechts (20.), den zweiten flach links (68.) – danach wurde er ausgewechselt.

Schon 2012 zählte der heute 37-Jährige zu Aschaffenburgs Leistungsträgern.
Schon 2012 zählte der heute 37-Jährige zu Aschaffenburgs Leistungsträgern. – Foto: Moritz Hahn

Ein seltener Anblick war das für die knapp 390 Zuschauer in der 71. Minute, schließlich waren Auswechslungen für Schmidt ein Fremdwort. Von seinen mehr als 410 Pflichtspielen im weiß-blauen Dress bestritt er über 400 von Beginn an und über die volle Distanz. „Meine besten Partien waren die, in denen es um direkte Entscheidungen ging“, schätzt der Dauerbrenner sich selbst ein. Viktoria-Coach Jochen Seitz, der wie seine Vorgänger fast immer auf den Kapitän setzte, meint, dass „stets auf ihn Verlass war, Simon brachte unglaublich konstante Leistungen.“ Auch deshalb, weil er fast nie verletzt war. Dabei war das nicht immer so: Ein Zeckenbiss bereitete 2004 dem damaligen Jung-Profi von Darmstadt 98 Sorgen und ständige Blessuren. „Ich hatte schon komplett ans Aufhören gedacht“, blickt er heute zurück. „Alemannia Haibach hat mich aber doch vom Weiterzumachen überzeugt: Fußball wurde dort ab 2005 wieder zu einem Hobby, das einfach Spaß bereitete. Und der Körper hat auch mitgemacht!“

Statt frühem Karriereende entschied sich Schmidt für 16 weitere Jahre am Ball – knapp 14 davon in Aschaffenburg. Kein Wunder, dass sie ihn am Schönbusch gerne nur „Mister Viktoria“ nennen. Meistens kam er hier als Innenverteidiger zum Einsatz und trotzdem sah er in seiner kompletten Laufbahn nicht einen Platzverweis. „Ich habe versucht vorausschauend zu agieren“, erklärt der 37-Jährige, „und ich hatte – wie meine Gegenspieler auch - selbst keine Lust auf einen gebrochenen Fuß.“ Mit dem Schiri zu diskutieren habe außerdem ohnehin nie etwas gebracht, fügt er noch lachend über seine besonnene Art hinzu. Über die Jahre sei er trotz aller Emotionalität etwas ruhiger geworden - wenn es drauf ankam, so berichten es seine Ex-Kollegen, gab es vom Kapitän aber auch mal deutliche Ansagen in der Kabine.

Clever und intelligent nennen ihn außerdem viele seiner Weggefährten auf Anhieb, wenn es um seine Eigenschaften geht. „Er war immer ein Vorbild und gab mir viel Sicherheit“, sagt etwa Keeper Ricardo Döbert und ergänzt, dass er in sieben gemeinsamen Jahren stets auf seinen Vordermann vertrauen konnte. Selbst, wenn Schmidt mit seinen 1,75 Metern auf deutlich größere Stürmer traf, sei das so gewesen, „denn Simon hat immer einen Weg gefunden, um dagegenzuhalten.“ Auch dann noch, als der Kapitän, wie er selbst einsieht, in den vergangenen Jahren zunehmend an Tempo verlor: „Ich habe versucht, nicht in Situationen zu kommen, in denen nur Schnelligkeit oder Körpergröße ausschlaggebend waren. Beispielsweise kann man eng am Gegenspieler stehen oder weiter weg und ihn absichtlich sich drehen lassen, um in eine neue Situation zu kommen. Oder man bleibt beim Kopfball weg und konzentriert sich darauf den Ball zu holen, wenn er runterkommt – das ist ja das Wichtige“, erklärt der Routinier ein paar Erfolgsrezepte.

Trotz seiner 1,75 Meter stand Schmidt auch gegen Jabiri (1,87) seinen Mann.
Trotz seiner 1,75 Meter stand Schmidt auch gegen Jabiri (1,87) seinen Mann. – Foto: Imago Images

„Viel geholfen hat mir auch, dass ich wusste, wie Offensivspieler ticken und ich mich so in sie hineinversetzen konnte.“ Denn eigentlich nur weil Not am Mann war, rutsche er selbst einst zurück in die Defensive. Allein seine über 50 Pflichtspieltreffer für Aschaffenburg sind bereits ein Indiz dafür, dass Schmidt früher aber in der Offensive zuhause war. „Er war extrem torgefährlich, hat viele Treffer erzielt und war in der Jugend bei 1860 München teils sogar im Sturm aktiv“, erinnert sich Marcel Schäfer, der gemeinsam mit Schmidt und Daniel Baier die Jugend durchlief. Im Alter von zwölf Jahren wechselten die drei Unterfranken einst gleichzeitig zu Viktoria Aschaffenburg, wo man süddeutscher Vize-Meister wurde. „Wir hatten einen tollen Jahrgang: Vier Aschaffenburger spielten damals in der Bayernauswahl“, schildert Schmidt.

Bald schon waren Profi-Vereine am Untermain-Trio interessiert – schließlich folgte im Alter von 15 Jahren der gemeinsame Schritt zu 1860 München: „Das war eine prägende Zeit, wir sind gemeinsam von zuhause weg und lebten plötzlich in der großen Stadt! Es gab noch keine Nachwuchsleistungszentren und wir wohnten im Studentenheim, mussten uns um alles selbst kümmern“, blickt "Mister Viktoria" gerne auf diese unbeschwerten Teenie-Tage zurück. Auf dem Platz kämpfte er gemeinsam mit Schäfer und Baier um die Deutsche Meisterschaft – gegeneinander ging es hingegen oft am Kartentisch. „Wir haben häufig Schafkopf gespielt, das waren teils schon lange Abende“, so Schäfer, der laut eigener Aussage „dem Simon gerne mal die ein oder andere Lektion erteilt“ hat, auch wenn dieser das bis heute anders sieht. Mehr Lob hat der derzeitige Sportdirektor des VfL Wolfsburg aber für Schmidts fußballerische Qualitäten übrig: „Seine Technik sowie seine Ballan- und Mitnahme waren absolut herausragend!“

Anteil daran hat Vater Georg, der seinen Sohn überhaupt erst zum Kicken beim Jugendverein VfR Großostheim brachte. „Mein Papa hat viel Wert daraufgelegt, dass ich mit beiden Füßen spiele. Ihm habe ich zu verdanken, dass mein Linker heute nur einen Tick schlechter als mein Rechter ist.“ Ohnehin haben ihn seine Eltern stets unterstützt – auch dann, wenn es nicht lief. Während seinen Freunden Marcel Schäfer und Daniel Baier bei den Löwen der Schritt in den Herrenbereich gelang, scheiterte der heute 37-Jährige 2003 bei Zweitligist Burghausen. „Der Sprung war zu groß. Ich kam von München in dieses kleine Dorf und es hat einfach nicht gepasst“, so Schmidt, der bei Wacker unter anderem mit seinem späteren Trainer Slobodan Komljenovic und Thomas Broich spielte. Sein eigener Profi-Traum war jedoch bald vorbei.

In all den Jahren als Verteidiger sah Schmidt nicht einen Platzverweis!
In all den Jahren als Verteidiger sah Schmidt nicht einen Platzverweis! – Foto: Moritz Hahn

Stattdessen fand er sein Glück in der Heimat: Der 37-Jährige studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Aschaffenburg und ist heute als Geschäftsbereichsleiter bei einem Unternehmen in Großostheim tätig. Hier, nur etwa 15 Minuten vom Stadion am Schönbusch entfernt, wohnt er mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern, denen er sich künftig noch mehr widmen möchte: „Ich freue mich darauf, jetzt mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können“, sagt er mit gemischten Gefühlen. Denn „eigentlich bin ich noch fit und habe viel Spaß. Aber ich möchte nicht gehen als einer, der aus Altersgründen nur noch auf der Bank sitzt oder weil ich mich schwer verletze. Deswegen lieber jetzt und richtig!“ Da auch eine Standby-Lösung für ihn nicht in Frage kam, ist es nun Zeit, um zurückzublicken. Auf eine Reihe aufregender Jahre. Auf den Wechsel der Viktoria vom hessischen in den bayerischen Verband etwa. Oder auf zwei Bayernliga-Meisterschaften. Oder auch auf den Sieg im Toto-Pokal-Halbfinale 2019 gegen Ex-Klub 1860 München: „Mein Tor und das Spiel damals habe ich mir bis heute bestimmt schon zehn Mal angeschaut und ich werde es noch öfters tun.“

Neben all der Highlights erlebte Simon Schmidt allerdings auch zwei Abstiege aus der Regionalliga und teils turbulente Zeiten am Schönbusch. Eine DFB-Pokal-Teilnahme oder die Rückkehr in den Profi-Fußball blieben dem Traditionsverein in all den Jahren verwehrt. Trotzdem blieb der 37-Jährige seinem Klub stets treu: „Ich habe alle Anfragen im Keim erstickt. Bei einem anderen Verein zu spielen, konnte ich mir nicht mehr vorstellen.“ Eine künftige Funktion im Klub oder eine andere Tätigkeit im Amateur-Fußball sei dementsprechend in den nächsten Jahren nicht auszuschließen, „aber jetzt möchte ich erstmal gar nichts von Fußball wissen und will sehen wie es ohne ist. Nun ist Zeit für meine Familie, Freunde, Urlaub und Hobbys!“ Allein schon wegen seiner lebenslangen Dauerkarte, die ihm am Samstag überreicht wurde, wird man Simon Schmidt aber ohnehin auch in Zukunft im Stadion am Schönbusch treffen, „jedoch nicht jeden zweiten Samstag. Sonst hätte ich ja auch gleich weiterspielen können.“

Aufrufe: 07.6.2021, 09:18 Uhr
Kilian AmrheinAutor