2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
Jubelnde Ginsheimer (links Jörg Finger, rechts Torjäger Berat Karabey)
Jubelnde Ginsheimer (links Jörg Finger, rechts Torjäger Berat Karabey)

"Wir hätten ein Wunder geschafft"

Der VfB-Sportchef über die Chancen der Ginsheimer im Titelkampf der Verbandsliga

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Nach 17 von 32 Spieltagen führen die Verbandsliga-Fußballer des VfB Ginsheim die Tabelle an – mit zwei Punkten Vorsprung auf die Spvgg. Neu-Isenburg und bereits zehn Zähler vor dem FC Alsbach.Marcus Spahn, Sportlicher Leiter des VfB, spricht im Interview über die Gründe für den Erfolg und die Aussichten im Titelkampf.

Herr Spahn, die Hälfte der Spiele sind absolviert, und Ginsheim führt die Verbandsliga-Tabelle an. Können die VfB-Fans schon einmal schauen, wie Sie nächste Saison nach Hadamar, Lehnerz und Lohfelden kommen?

Den Zuschauern steht frei, nach welchen Orten sie schauen. Wir spielen in der Verbandsliga und sind dort sehr gut aufgehoben. Nach der Hälfte der Spielzeit ist noch keine Mannschaft auf- oder abgestiegen. Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, wie schnell eine Tabellenführung vergänglich sein kann. Aus diesem Grund können die Fans gerne träumen, wir aber bleiben realistisch und arbeiten weiter an unserer Entwicklung.

Überrascht Sie der Spitzenplatz?

Es ist eine Momentaufnahme. Dass wir unter den ersten fünf, sechs Mannschaften mitspielen können, überrascht mich nicht. Es ist aber erfreulich, dass wir mit einem geringen Etat im Vergleich zu anderen Vereinen auf Augenhöhe mitspielen. Eine Überraschung ist für mich eher der Abstand von sieben Punkten zum dritten Platz.

Der "Dorfverein" VfB Ginsheim in der fünfthöchsten Spielklasse – immer noch ein Traum oder ein Ziel, das erreichbar ist?

Hadamar, Lehnerz oder auch Lohfelden sind nicht viel größer, haben aber andere finanzielle Möglichkeiten. Wir müssen und wollen im Bereich Sponsoring weiter wachsen. Hierzu sprechen wir mit vielen Unternehmen aus der Region. Aber auch die Wahrnehmung im Umfeld ist nicht im Gleichschritt mit dem sportlichen Erfolg gewachsen. So haben wir in der Verbandsliga trotz aller Erfolge nicht die Steigerung an Zuschauern, die unsere Mannschaft verdient hätte. Aber als Ziel den Aufstieg in die Hessenliga zu definieren, ist für den VfB Ginsheim momentan utopisch – ein Traum sicherlich.

Die Mannschaft wirkt noch besser, vor allem stabiler als in der Vorsaison, als sie Vierter wurde. Woran liegt das?

Wir spielen mit dem Großteil des Kaders jetzt schon im zweiten beziehungsweise dritten Jahr zusammen. Hier sind natürlich die Abläufe zum Großteil verinnerlicht. Die Spieler kennen sich über einen längeren Zeitraum und wachsen zusammen.

Welche Rolle spielen die Neuverpflichtungen?

Wir sind mit allen sehr zufrieden, sie passen charakterlich zu uns und haben ein enormes fußballerisches Potenzial. Wir sind in der Breite gegenüber der Vorsaison noch stärker besetzt. Und Berat Karabey ist der Stürmer, der uns in der vergangenen Saison gefehlt hat.

Was zeichnet die Mannschaft aus?

Sie spielt einen technisch guten Fußball, versucht in jeder Situation, eine spielerische Lösung zu finden. Wir sind seit Jahren immer unter den Mannschaften mit den wenigsten Gegentoren. Die Spieler sind charakterlich in Ordnung, und in dieser Spielklasse ist es sicher einzigartig, dass zum Großteil noch zusammen mit der U23 trainiert wird. Der Zusammenhalt ist sehr groß.

Was fehlt noch, um eine Mannschaft für den Titelgewinn zu sein?

Wir sind in manchen Situationen nicht resolut genug. Bei den Zweikämpfen und der körperlichen Robustheit ist noch Luft nach oben. Und in manchen Spielen neigen wir dazu, unsere Überlegenheit durch Unaufmerksamkeit und Nachlässigkeit zu verlieren. Aber die Mannschaft ist noch jung und wird dazulernen.

Welchen Anteil haben die Trainer Carsten Hennig und Artur Lemm am Erfolg?

Sie leisten eine großartige Arbeit, haben eine Spielidee und vermitteln diese der Mannschaft jede Woche. Sie entwickeln die Spieler und identifizieren sich mit ihnen. Hinzu kommt die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Trainer der U23, Sebastian Pacher, und unserem Torwarttrainer, Laszlo Vagi. Wir sind im Trainerstab insgesamt sehr gut aufgestellt.

Läuft es auf einen Zweikampf mit dem Tabellenzweiten Neu-Isenburg hinaus oder sehen Sie noch andere Mannschaften, die für die Meisterschaft in Frage kommen?

Ich habe Wald-Michelbach noch lange nicht abgeschrieben. Sie haben gerade in der Offensive einige Ausfälle. In der Rückrunde der letzten Saison war Wald-Michelbach eine der stärksten Mannschaften. Deshalb sind sie und Alsbach noch voll dabei. Vielleicht kommt noch eine Mannschaft nach vorne, die eine überragende Rückrunde spielt, wie im letzten Jahr der spätere Meister Urberach.

Vorausgesetzt, der VfB schafft sportlich den Aufstieg. Hat der Verein die Voraussetzungen, vor allen Dingen die finanziellen, um ihn wahrzunehmen und dann in der Hessenliga zu bestehen?

Im Vergleich zu anderen Vereinen in der Hessenliga haben wir finanziell mit Sicherheit die schlechteren Voraussetzungen. Aber das ist auch schon in der Verbandsliga der Fall. Sollten wir wirklich aufsteigen, dann würde kein Sponsor vom Himmel fallen. Ergo bliebe der finanzielle Etat gleich. Der Aufwand würde sich verändern. Längere Auswärtsfahrten, mehr Aufwand für Spieler und Verantwortliche, weniger Siege – aber so weit sind wir noch lange nicht.

Bitte ergänzen Sie zum Schluss folgenden Satz: Wenn der VfB Ginsheim am 27. Mai nach dem Spiel in Alsbach als Aufsteiger in die Hessenliga feststeht…

...dann dreht sich die Erde am 28. Mai auch noch weiter. Nein, im Ernst: Sollte es wirklich so weit kommen, hätten wir ein Wunder geschafft, das sich nie im Leben einer hätte vorstellen können. Sollte der VfB Ginsheim wirklich mal in der höchsten hessischen Liga spielen, wäre dies ein Erfolg aller beteiligten Menschen im Verein. Dann kann jedes VfB-Mitglied, Fan und Sympathisant, mächtig stolz sein.

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Zur Person

Seit 2011 ist Marcus Spahn Sportlicher Leiter des VfB Ginsheim- Zuvor hatte er sich bereits als Spielertrainer und Trainer bei den Ginsheimern engagiert. Seine Fußballer-Karriere startete der 49 Jahre alte Vertriebsleiter in der Jugend bei den Sportfreunden Frankfurt 04. Später spielte er für RW Frankfurt, Spvgg. Oberrad und die SG Dornheim. In Dornheim wirkte Spahn von 1996 bis 2000 als Spielertrainer, ehe er nach Ginsheim wechselte. Dort war er von 2000 bis 2006 für die erste VfB-Mannschaft verantwortlich – erst als Spielertrainer, später nur als Coach. Nach einer beruflich bedingten Pause und einem Trainer-Engagement bei der Spvgg. Oberrad kehrte Marcus Spahn 2008 als Pressesprecher und Spielausschuss-Mitglied zurück.

Aufrufe: 013.11.2016, 18:33 Uhr
Heiko Weissinger (Groß-Gerauer Echo)Autor