2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
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"Von Spiel zu Spiel denken"

Interview mit Raspo Trainer Matthias Conrad

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Der Tabellenführer Raspo Brand startet direkt mit einem Spitzenspiel beim Aufstiegskonkurrenten Donnerberg. Bereits in der Vorweihnachtszeit habe ich mich mit Raspo Trainer Matthias Conrad zum Interview auf dem Aachener Weihnachtsmarkt getroffen…ein unvergessener Abend führte zu einem etwas anderen Interview.

Wir sind um 20 Uhr am Glühweinstand auf dem Katschhof an der Treppe Rückseite Rathaus verabredet. Es ist ein kühler Mittwoch, genau die richtige Glühweintemperatur und der Weihnachtsmarkt ist brechend voll. Schon von unten sticht Matthias Conrad aus der Menge heraus, ich schätze mal er ist 190 groß und hat allein durch seine Körpergröße einen Überblick über den gesamten Stand. Wir begrüßen uns und die erste Frage ist nicht dem sportlichen, sondern dem Glühwein gewidmet. „Rot oder weiß?“. Definitiv rot.

Ich stelle mich in der Glühweinschlange an und frage mich, wie ich nun das Interview beginne.

Raspo Brand hat als Aufsteiger mit neuem Trainergespann eine überragende Hinrunde gespielt, 15 Spiele, 14 Siege, 1 Unentschieden, 7 Punkte Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Roetgen, 9 Punkte Vorsprung vor dem Drittplatzierten Donnerberg. Niemand hätte damit gerechnet und von daher ist die brennende Frage des Abends, wie das Saisonziel von Raspo Brand nach dieser Hinrunde aussieht und ob Trainer Conrad mit seinen Mannen in der Rückrunde ganz offiziell den Aufstieg anpeilt.

Wir stoßen mit dem ersten Glühwein an und Matthias fragt mich lachend, was ich denn wissen möchte. Ich frage ihn direkt, wie sein Saisonziel nach dieser Hinrunde aussieht. Matthias lacht und antwortet. „Frag mich das gleich nochmal, wenn wir ein paar Glühwein getrunken haben, ok?“. Wir schmunzeln und direkt ist das Eis gebrochen. Bevor wir weiter über Fußball sprechen, möchte ich wissen, was Matthias abseits des Fußballplatzes macht.

Er ist 32 Jahre alt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der RWTH und schreibt aktuell an seiner Doktorarbeit der Mathematik. Im Laufe des Abends werde ich noch öfters feststellen, dass man Fußball durchaus mathematisch analysieren und betrachten kann, unabhängig von jeder Leidenschaft, jeder Emotion und jeder Aufstellung. Dies ist zugegeben Neuland für mich.

Wir sprechen darüber, wie Matthias Conrad überhaupt Trainer wurde, wo seine Wurzeln liegen, wie der Kontakt zu Raspo Brand zustande kam.

MC: „Während des Studiums habe ich bei den Sportfreunden Hörn angefangen zu kicken, wo ich dann ab 2009 in den Trainerjob mehr oder weniger reingerutscht bin, zunächst in der 3. Mannschaft. Dort habe ich viel Unterstützung erfahren, der Verein hat mir die Trainerlizenz ermöglicht und ich habe eine wunderschöne Zeit erlebt. Von daher wird die Hörn immer einen Platz in meinem Herzen haben. Auch nach Bekanntgabe meines Wechsels wurde meine Entscheidung durchweg respektiert und mir wurde viel Mut zugesprochen, wofür ich sehr dankbar bin. Zu einigen Leute habe ich immer noch guten Kontakt, auch wenn es mit der Doktorarbeit gerade zeitlich etwas schwieriger ist. Die Weihnachtsfeier der Hörner werde ich mir natürlich nicht entgehen lassen.“

Wir sind beim 2. Glühwein angelangt und ich merke, dass die Sportfreunde Hörn Matthias sehr am Herzen liegen und dass der Wechsel ihm alles andere als leicht gefallen ist.

MC: „Der schlechte Saisonstart der Hörn hat mich natürlich schon geschmerzt, aber die Mannschaft hatte in der Sommerpause einen großen personellen Umbruch, da bleibt so etwas mitunter nicht aus. Umso mehr freut es mich natürlich, dass sie den Anschluss gefunden haben und jetzt seit 8 Spielen ungeschlagen sind.

Den ersten Kontakt zu Raspo Brand gab es Ende der Wintervorbereitung, als der Raspo Vorstand auf mich zukam. Bevor ich in die Gespräche eingestiegen bin, habe ich zunächst den Vorstand der Sportfreunde Hörn informiert und mir meine Gedanken gemacht. Dies ist mir nicht leicht gefallen. Letztendlich wollte ich mich persönlich und als Trainer weiterentwickeln und das Gesamtkonzept auf Raspo hat mich sehr angesprochen.“

TB: „Gab es Befürchtungen oder besser gesagt Bedenken bei deinem Wechsel?“

MC: „Natürlich hatte ich schon kleine Bedenken, ob ich mich in dem neuen Umfeld zurecht finden würde, aber ich wurde in Raspo sowohl von den Spielern und als auch vom Umfeld sehr unkompliziert und herzlich aufgenommen. Das hat mir den Start sehr leicht gemacht. Von daher ist auch für Raspo noch Platz in meiner Herzkammer.“

Mittlerweile sind wir bei Glühwein Nummer 3 angelangt und vorsichtig versuche ich mich nochmal an das Saisonziel von Raspo ran zu trauen. Matthias lacht und kontert:

„Mein Saisonziel ist mit der Mannschaft eine tolle Abschlusstour nach Mallorca zu machen, da können wir beide ja dann nochmal anstoßen.“

Mit der Antwort freunde ich mich an. Zumindest zunächst einmal, aber an dem Gedanken habe ich Gefallen, da die Tour auch schon gebucht ist.

Wir bleiben bei Raspo Brand und dem Saisonziel zu Beginn der Vorbereitung.

Matthias berichtet von einem 3-Jahresplan:

MC: „Wir hatten uns für die nächsten 2-3 Jahre einen ohne Frage recht ambitionierten Plan zurechtgelegt, die Mannschaft in der A-Liga zu etablieren, eventuell bei Zeiten auch mal einen Blick nach oben zu wagen und dabei gezielt die Integration der A-Jugend voranzutreiben.“

Ich möchte von Matthias wissen, wie - neben dem 3-Jahresplan - sein persönlich gestecktes Ziel war, ob er Einfluss auf die Kaderplanung hatte und wie die Zusammenarbeit mit Co-Trainer Braunleder harmonierte.

MC: „In der ersten Saison konnte natürlich nur der Klassenerhalt unser Ziel sein. Auf die Kaderplanung hatte ich keinen großen Einfluss, es war uns aber wichtig, auf die Spieler der Aufstiegsmannschaft zu vertrauen und den A-Jugendlichen den Übergang in die erste Mannschaft zu ermöglichen. Letztendlich kamen im Sommer mit Delany Arigbe, Malte Bartels, Peter Krings und Cenap Siktas auch nur 4 externe Neue ins Team, wobei Delany und Malte ja schon Raspowurzeln hatten.

Die Zusammenarbeit mit Dirk Braunleder hat von Anfang an harmoniert. Seit dem ersten gemeinsamen Treffen wussten wir, dass wir uns beide sehr gut ergänzen würden und die gleichen Vorstellungen vom Fußball haben. Von Beginn an hatten wir beide richtig Laune auf das Projekt. Eine klare Aufgabenverteilung gibt es demnach nicht. Wir sprechen alles ab und funktionieren eher als gleichberechtigtes Trainerteam.“

TB: „Wie ist die Vorbereitung für dich verlaufen? Ab wann ward ihr eine Einheit und ab wann wusstest du, dass ihr eine richtig starke Truppe seid? Hattest du eigentlich Kontakt zu deinem Vorgänger Daniel Formberg?“

MC: „Die Vorbereitung verlief schon außerordentlich gut. Spätestens nach dem Turnier in Rott wussten wir, dass wir viel Potential in der Mannschaft haben, das zu einem großen Teil auf einer über viele Jahre hinweg sehr guten Jugendarbeit fußt. Aber das war alles Vorbereitung, was zählte waren die Spiele in der Liga und auch da bin ich optimistisch in die Saison gegangen. Zu Daniel Formberg hatte ich leider keinen Kontakt.“

Mittlerweile sind wir bei Glühwein Nummer 4 angelangt, den ich zumindest auch so langsam spüre, im Gespräch sind wir inmitten des Halbjahressrückblicks aus Trainersicht angelangt.

TB: „Wie bereitet ihr euch auf eure Gegner vor? Haben eure taktischen Marschrouten jedes Mal geklappt und konntet ihr ausgemachte Schwächen ausnutzen?“

MC: „Generell versuchen wir uns auf uns zu konzentrieren. Hin und wieder schauen wir uns natürlich auch vorher die Gegner an und versuchen Schwächen auszumachen. Das uns das in einem Spiel entscheidend weitergeholfen hätte, würde ich aber nicht behaupten.“

TB: „Wo liegen die Stärken in eurer Mannschaft?“

MC: „Wir haben mit Kevin Krupp natürlich einen tadellosen Rückhalt im Tor und die Abwehrreihe davor macht Woche für Woche einen sehr soliden Job. Ich denke die Statistik spricht da für sich. Generell ist die Truppe aber sehr homogen. Hinzu kommt dann natürlich oft noch die ein oder andere individuelle Klasse. Die eigentliche Stärke aber ist, die Jungs schießen immer dann ein Tor, wenn ich nicht mehr weiter weiß.“

Wir lachen und das bringt mich auf eine Frage.

TB: „Manche deiner Entscheidungen erscheinen einigen Zuschauern manchmal etwas unverständlich. Kann man das irgendwie erklären?“

MC: „Im Fußball passieren manchmal Sachen, die kannst du nicht planen und nicht erklären. Beispielsweise bei unserem Auftritt in Kornelimünster beim Stand von 1:1 mussten wir von außen einen Impuls setzen. Ich hatte die Qual der Wahl ob ich Ben Franck oder Christian Hesse auswechsle. Vom Spielverlauf her hätte ich vielleicht Ben Franck rausnehmen müssen. Ich habe mich dann aber für Christian Hesse entschieden, obwohl der ein richtig gutes Spiel gemacht hatte. Ben Franck ist jedoch bei Standards ein stetiger Unruheherd. Nur wenige Minuten nach der Auswechslung köpfte er nach einem Standard den Siegtreffer. Dieses Glück muss man auch schon mal haben.
Beim Spiel gegen Weisweiler habe wir kurz vor Schluss Yasin Demiray für Jannik Schornstein gebracht. Zu dem Zeitpunkt drückte Weisweiler auf den Sieg. 2 Minuten später leitet Yasin den Angriff zum 3:2 Siegtreffer ein. Wenn ich das immer planen könnte, wäre ich sehr froh.“

Wir schwelgen in Erinnerungen an die Hinrunde. Generell waren alle 15 Spiele von Besonderheiten geprägt. Das erste Spiel gegen Donnerberg war sicherlich eines der Schlüsselspiele. Der späte Sieg hat der Mannschaft für die folgenden Wochen ordentlich Aufwind gegeben. Nach dem Sieg gegen Donnerberg stand das Derby bei Borussia an. Kein gutes Spiel, aber 1:0 gewonnen. Ein wichtiger Sieg für das Team, die Spieler, die seit der Jugend das Raspo Trikot tragen und vor allem für die ganzen Anhänger des Vereins. Unvergesslich der Empfang nach dem Derbysieg in der Vereinskneipe „Bei Addi“. Im Nachhinein bedeutete dem Umfeld dieser Derbysieg vielleicht mehr als der Sensationssieg im Spitzenspiel gegen Roetgen.

TB: „Welches Spiel war deiner Meinung nach das Beste in der Hinrunde?“

MC: „Die Spiele gegen Roetgen und den SG Stolberg waren schon sehr überzeugend. Aber auch ein Spiel wie gegen Richterich würde ich sehr weit oben ansiedeln, da die Mannschaft sich trotz des langen Gleichstandes nie hat aus der Ruhe bringen lassen. Generell sind die Spiele aber schwer zu vergleichen.“

TB: „Welche Spiele waren nicht so gut?“

MC: „Gegen Weisweiler - auch gegen andere Mannschaften - hatten wir sehr viel Glück, aber speziell in dem Spiel muss man vielleicht auch einfach mal die Leistung des Gegners anerkennen, die haben es uns sehr schwer gemacht.“

TB: „Was war dein persönliches Highlight?“

MC: „Die Abende in der Vereinskneipe „Bei Addi“!“

TB: „Wie schafft ihr es, die Stimmung hoch und 22 Spieler bei Laune zu halten?“

MC: „Ein Patentrezept gibt es dafür glaube ich nicht, aber oft zu gewinnen ist da sehr hilfreich.“

Mittlerweile haben wir auch den 5. Glühwein geleert und haben uns in eine Art Euphorie beim Saisonrückblick hineingeredet. Leider schloss der Weihnachtsmarkt seine Pforten. Wir entschlossen uns dann kurzerhand, das „Interview“ in einer gegenüberliegenden Kneipe fortzuführen...

Ich frage Matthias, ob es personelle Wechsel in der Winterpause geben wird, ob Abgänge oder Zugänge bekannt sind und ob sich Spieler anbieten.

Die analytische Antwort lautete: „Die Planungen stehen noch aus. Großartige Veränderungen wird es aber nicht geben. Alle Spieler aus dem Kader haben in der Hinrunde Top-Leistungen abgerufen, als Trainer widerstrebt es mir da, zur Winterpause und speziell in dieser Situation neue Spieler zu verpflichten und diese dann den Jungs, die 15 tolle Spiele absolviert haben, vor die Nase zu setzen. Das wäre ein Vertrauensbruch. Ich will keine Neuzugänge ausschließen, aber man muss sich im Einzelfall die Frage stellen, welche Intention Spieler haben, die sich dem Verein anschließen und ob sie dem Team ad hoc weiterhelfen. Sicher liebäugelt auch der ein oder andere mit einem Vereinswechsel, aber wir haben großes Interesse die Mannschaft beisammen zu halten, um unsere Ziele zu erreichen. Ich denke, das wird uns auch gelingen.“

Für mich ist das jetzt die perfekte Gelegenheit neues Bier zu holen und das Thema auf den Aufstieg zu fokussieren: „Du sagst, die Jungs wollen noch was erreichen. Das kann doch in eurem Fall nur der Aufstieg sein, oder?“

MC: „Ich möchte mit meinem Team die Saison erfolgreich beenden und wir denken da von Spiel zu Spiel. Das Thema Aufstieg ist in der Mannschaft kein Thema, dafür ist es noch viel zu früh. Wir können uns gerne damit beschäftigen, wenn ein Drittel der Rückrunde gespielt wurde und wir dann möglicherweise immer noch eine gute Ausgangsposition haben, aber nicht jetzt in der Winterpause. Natürlich habe ich auch Stimmen vernommen, die sagen, wir müssen nach so einer Hinrunde den Aufstieg anpeilen, neue Spieler verpflichten etc., da ein Verein wie Raspo so eine Gelegenheit nur alle paar Jahre bekommt und wir die Gelegenheit jetzt nutzen und aufrüsten müssen. Aber ganz ehrlich, wir müssen gar nichts und wir haben auch keinen Druck.“

Matthias erklärt mir nun aus mathematischer Sicht, wie weit der Aufstieg entfernt ist:

MC: „Wir haben 7 Punkte Vorsprung auf Roetgen, das hört sich viel an, ist es aber nicht. Die Lücke zum 4. Platz ist mit 18 Punkten enorm groß, vermutlich werden wir die Saison mindestens als Dritter abschließen. Die Mannschaft hat eine enorm hohe Qualität, als dass sie das noch herzugeben würde. Aber auch Roetgen und Donnerberg werden in der Rückrunde konstant weiter punkten. Ich glaube nicht, dass sich Roetgen noch einen Ausrutscher wie gegen Kohlscheid leisten wird. Wenn man sich unsere Spiele anschaut, dann haben wir in einigen Spielen auch sehr viel Glück gehabt und eben dieses hat Donnerberg und Roetgen ein- zweimal gefehlt. Das kann in der Rückrunde genau anders laufen. Hinzu kommt, dass wir aktueller Tabellenführer sind, was unsere Gegner zusätzlich motivieren dürfte. Von daher ist ein direkter Durchmarsch wohl sehr fehleranfällig und bei Hypothesen mit Fehlerwahrscheinlichkeiten, die die Prozente eines Glühweins weit übersteigen, bin ich grundsätzlich sehr vorsichtig. Von daher warten wir erst einmal ab, wie wir in die Rückrunde starten. Nach den ersten 6 Spielen kann man vielleicht besser beurteilen, wohin die Reise geht.“

Nach dieser Analyse bin ich erstmal erschlagen und mein geistiger Zustand ist nicht mehr auf der Höhe, dies nüchtern zu analysieren. Ich spüre wie Matthias brennt und dass er am liebsten sofort mit der Rückrunde beginnen möchte. Bis dahin sind es noch fast 3 Monate und noch vieles steht in den Sternen. Wir geben uns die Hand, die Rückrunde auf Mallorca zu analysieren und dabei haben wir beide den selben Gedanken……“wie geil wäre das wenn…….!“

Ich steige in ein Taxi und als ich zu Hause nicht gerade leise ankomme, fragt mich meine Frau, ob ich weiß wieviel Uhr es ist und was das denn bitte für ein Interview war.

Aber es hat sich gelohnt…….ein unvergessener Abend und ein etwas anderes Interview.

Viel Glück in der Rückrunde.


Das Spitzenspiel bei FSV Columbia Donnerberg findet am kommenden Sonntag schon um 11:00 Uhr statt und beide Teams haben, ganz egal ob es regnet, stürmt oder schneit, den Besuch vieler Zuschauer verdient. Die Zeit der ruhigen Sonntage ist vorbei.....die Rückrunde beginnt.


Aufrufe: 024.2.2016, 18:38 Uhr
Totti BackAutor