2024-04-25T14:35:39.956Z

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Ein verschworener, aber nicht immer ganz einfa­cher Haufen: Tom’s Bar­ca, oder auch Rangier­bahnhof III, oder auch Rangierbahnhof II. Jeden­falls: eine ganz besondere Fußballmannschaft der A-Klasse 7. F: ZinkF: Zink
Ein verschworener, aber nicht immer ganz einfa­cher Haufen: Tom’s Bar­ca, oder auch Rangier­bahnhof III, oder auch Rangierbahnhof II. Jeden­falls: eine ganz besondere Fußballmannschaft der A-Klasse 7. F: ZinkF: Zink

Über den Rangierbahnhof zurück auf die gerade Bahn

Alltag in A-Klasse 7 - Teil 2: Thomas Steuber hat seine erfolgreiche Kneipenmannschaft vor zwei Jahren im Spielbetrieb angemeldet, nun marschiert sie durch die Ligen

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Gut, sie war ja nie weg, die A-Klasse. Wir haben sie hier nur versteckt, eine Saison lang. Jetzt sind wir wieder dort, auf holprigen Wiesen, bei den Jungs mit den schweren Knochen, bei denen, die lieber nächtelang feiern gin­gen als ins Fußballinternat. Eine wöchentliche Liebeserklärung an die ehrlichste Fußball-Liga Nürnbergs.
Thomas Steuber, den jeder nur Tom nennt, hat gerade alle Hände voll zu tun. Er steht in der sengenden Som­mersonne, die über dem A-Platz von Rangierbahnhof Position bezogen hat, und treibt seine Jungs nach vorne. Die schnelle Führung durch Vito Sapo­naro haben die Gäste postwendend ausgeglichen, jetzt drängt Rangier­bahnhof II auf den Führungstreffer.

„Den Tom“, sagt einer, der im Schat­ten der Bäume zusieht, „denn kannst du jetzt nicht ansprechen. Der ist zu aggressiv.“ Deshalb muss es Tage später ein Telefongespräch tun. Beruhigende Töne hüllen den Anrufer ein, bis Steu­ber abhebt. Ruhige, freundliche Stim­me, so gar nicht aggressiv. „Aggressio­nen“, sagt er, „waren lange Zeit einige unserer Probleme.“ Die Reserve-Mannschaft vom ESV Rangierbahnhof ist eigentlich seine Mannschaft, die von Tom Steuber. Lange Zeit trug sie auch seinen Namen: Tom’s Barca – was eine Mischung aus Bar und Barcelona bedeuten sollte. Viele Jahre besaß Tom Steuber nämlich eine Bar in der Altstadt, Radbrunnengasse. Und weil seine Stammgäste allesamt fußballbe­geistert waren, brachte er sie irgendwann auf die Idee mit einer eigenen Mannschaft.

Man trainierte einmal in der Woche auf dem Gelände des ESV Ran­gierbahnhof, am Wochen­ende gab es Kleinfeldtur­niere. „In der Kneipenli­ga waren wir den ande­ren Teams bald haus­hoch überlegen“, sagt er. Bis zu den bayerischen Kneipenfußballmeister­schaften haben sie es geschafft, sind nach Mün­chen und Rosenheim ge­fahren und am Ende Drit­ter geworden. Dann machte Tom’s Bar zu – und auch die Fußball­mannschaft fiel in eine Art Dornröschenschlaf.

Erst jetzt, als Tom Steuber neben seinem Hauptberuf als Lehrer an der Reichelsdorfer Mittelschule, die Vereins­gaststätte des ESV Rangierbahnhof übernahm, nahm auch die alte Idee mit dem Fußball wieder Fahrt auf. „Wir wollten endlich wissen, wie gut wir eigentlich wirklich sind“, sagt der 47-Jährige. Als Rangierbahnhof III meldeten sie die alte Kneipenmann­schaft am Spielbetrieb an, wurden auf Anhieb Zweiter der B-Klasse und stie­gen nach einem 6:0-Kantersieg in der Relegation prompt auf in die A-Klas­se 7. Nun heißt die Mannschaft wieder anders, Rangierbahnhof II – „die eigentliche Reserve“, sagt Tom Steu­ber, „hat sich mangels Spieler aufge­löst, da mussten wir nachrücken“.

Doch eine „echte“ zweite Mann­schaft, das sind sie gar nicht. „Lei­der“, sagt Stefan Hofmann, Fußball-Abteilungsleiter beim ESV Rangier­bahnhof. 26 Spieler hat Tom Steuber im Kader für die Reserve, „doch leider wollen die Jungs nicht so recht bei der Ersten aushelfen. Wir sind ein einge­schworener Haufen, verstehen uns noch zu sehr als autarke Mann­schaft.“ Mit gebündelten Kräften, sagt Hofmann, würde auch die erste Mannschaft in der Kreisklasse besser dastehen, keinerlei Personalprobleme mehr haben. „Ich hoffe“, sagt Steu­ber, „dass sich das in den nächsten ein, zwei Jahren so entwickelt. Momentan noch wollen die Jungs unter sich bleiben, so komisch es sich anhört.“ Die Jungs, das sind nicht ganz leich­te Charaktere, verrät Tom Steuber. „Sie sind zwar erwachsen, aber die meisten sind doch noch kleine Kin­der.“ Er selbst versteht sich als Ziehva­ter, menschlich wie sportlich, diese Fußballmannschaft ist auch eine Art ehrenamtliches Streetworker-Pro­jekt. „Wissen Sie“, sagt Tom Steuber, „das ist irgendwie meine Berufung. Das ist in mir drin, dass ich mich um schwierige Jungs kümmern muss.“ So hilft er in allen Lebenslagen als Freund, als Ratgeber, manchmal auch als Tröster. Steuber organisiert Jobs, rettet Ehen, bringt junge Männer von der schiefen auf die gerade Bahn des Lebens zurück.

Gewaltiger Zulauf

So ist auch zu erklären, weshalb sei­ne Fußballmannschaft so einen star­ken Zulauf genießt. „Es ist aber auch schwierig, in diesen eingeschworenen Haufen neue Spieler zu integrieren“, sagt er. Deshalb leitet er die Neuen bereits so gut es geht zur ersten Mann­schaft von Rangierbahnhof weiter. Bald, so ist der Plan, sollen dann auch seine Jungs mehr und mehr zusam­menwachsen mit denen, die nun schon in der Ersten spielen. Aus den Trai­ningsspielen am Dienstag und Don­nerstag kennt man sich ja bereits. „Noch“, sagt Steuber, „ist der Ehrgeiz bei vielen noch zu groß, die Erste Mannschaft zu übertrumpfen.“ Das ist auch am Sonntagnachmit­tag noch gelungen übrigens. Viktor Walter und Steven Lange schossen noch einen 3:1-Heimsieg heraus. Sie sind nun Vierter, punktgleich mit einem Aufstiegsplatz.

Aufrufe: 05.9.2016, 10:29 Uhr
Christoph Benesch Autor