2024-05-02T16:12:49.858Z

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Eine starke und eine unterirdische Halbzeit waren zu wenig für die Spielvereinigung (li.) gegen Eyüp Sultan. F: Müller
Eine starke und eine unterirdische Halbzeit waren zu wenig für die Spielvereinigung (li.) gegen Eyüp Sultan. F: Müller

Träumen ist verboten

Sieben Verletzte in 180 Minuten sind zu viel für die SpVgg Nürnberg

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Bei der Spielvereinigung Nürnberg sind sie nach einem hervorragenden Saisonstart im Niemandsland der Kreisliga-Tabelle angekommen. Schuld ist eine kuriose Verletzungsse­rie. „Das Träumen“, sagt der Trainer, „habe ich deshalb eingestellt.“

SV Eyüp Sultan - SpVgg Nürnberg 4:3

Nach einer Dreiviertelstunde sieht es für die Spielvereinigung Nürnberg an diesem Spieltag aus, so trist wie der graue Himmel über der Bezirkssportanlage Steinplatte, aus dem an diesem Nachmittag immer wieder kalte Tropfen fallen. Nur fallen bei der Spielvereinigung auch Gegento­re, vier Stück sind es bis zur Pause. Deshalb tröpfelt bald die ganze Par­tie nur noch so dahin. Man hat viel Zeit, sich ein wenig umzuschauen.

An die Fenster eines hölzernen Gar­tenhäuschens, in dem die Trainings­utensilien verwahrt werden, hat die Stadt dicke Eisengitter schrauben las­sen. An der Rückwand der Kabinen hat irgendjemand bunte Buchstaben gesprüht. Es ist die richtige Kulisse für das, was nun, nachdem Schieds­richter Kai Thiele etwas zu bedeu­tungsschwer zur Halbzeit gepfiffen hat, folgen wird.

Thiele läuft mit seinen Fahnenkin­dern gerade Richtung Kabine, eine Handvoll Zuschauer kaufen bei der Hausmeisterin wärmenden Kaffee, da kommt von links Wolfgang Diehm ins Bild gestapft. Er trägt eine Mütze und Trainingsanzug, klar, er ist der Coach der Gäste. 0:4 liegen die wie gesagt zurück, „klar, dass sich da Frust angestaut hat, oder?“, fragt er später. Es folgt ein kleines Wortge­fecht, der Schiedsrichter droht mit Spielabbruch, Diehm mit einem Be­richt, den er an den Verband schrei­ben will. Betreuer des Gastgebers in neongelben Warnwesten mit „Ord­ner“- Schriftzug beruhigen beide Streithähne. „Ich war schon als Spie­ler sehr emotional“, sagt Diehm, dies­mal, erklärt er, habe ihn der Schieds­richter beleidigt: „Halt deine Klap­pe“, findet Diehm, müsse er sich von niemandem sagen lassen.

Später gerät Diehm noch einmal kurz mit einem Spieler von Eyüp Sul­tan aneinander – entschuldigt sich aber postwendend: „Nummer elf“, ruft Diehm, „sorry“. Ein älterer Zu­schauer in Winterjacke schüttelt trotzdem den Kopf: „Unserm Trainer müssen wir zu Weihnachten mal einen Benimmkurs schenken.“

Benimmkurs für den Coach

Das ist vielleicht das einzige, was Wolfgang Diehm auf dem Sportplatz noch brauchen könnte. Ansonsten hat er in der Halbzeit offenkundig die richtigen Worte gefunden – nicht zum Schiedsrichter, sondern zu den eigenen Jungs: „Es ist kein Müllei­mer geflogen, aber ich bin lauter geworden“, verrät er, „es ging dar­um, die Jungs aufzuwecken. Wir woll­ten uns nicht abschießen lassen.“ Die Spielvereinigung jedenfalls kommt dann wie verwandelt zurück unter den grauen Himmel, schnell fal­len das 1:4 und 2:4, fünf Minuten vor Schluss sogar noch das 3:4. Diehm fuchtelt wild, beordert alle nach vorn. Aber es reicht nicht mehr. „Auf­grund der zweiten Halbzeit wäre viel­leicht ein Punkt verdient gewesen“, sagt er dann, mit dem Schlusspfiff wird er schlagartig ruhig und beson­nen. Das, obwohl der letzte Sieg sei­ner Mannschaft aus dem August stammt. Aus den vergangenen sieben Spielen gab es vier Remis und drei Niederlagen. „In Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden, bin ich zufrieden.“ Die Situation ist mit „unglaubliche Pechsträhne“ fast untertrieben be­schrieben: Sieben verletzte Spieler in 180 Minuten, Diehm bekommt alle Szenen aus dem Gedächtnis gar nicht mehr zusammen: Einer hat beim Pressschlag den Zehennagel verlo­ren, zwei sich in Fischbach die Bän­der gerissen – „jedenfalls habe ich so etwas noch nie erlebt“. Nun müssen eben die Jungen ran, die aus der Zwei­ten. Die machen, findet Diehm, ihre Sache sehr ordentlich.

Nach vier Siegen zum Saisonstart standen sie noch oben in der Tabelle, überraschend, denn das Saisonziel hieß eigentlich Nichtabstieg. „Ich habe da schon ein wenig von der Bezirksliga geträumt“, gibt der Trai­ner zu. Mittlerweile verbietet sich das natürlich, die Spielvereinigung ist ins Mittelmaß zurückgefallen. Ohnehin wäre die Bezirksliga eigent­lich gar nicht gut, findet Diehm: „Wir wären auch noch nicht so weit“, weiß er. „Erstes Jahr Klassenerhalt, zweites Jahr etablieren, drittes Jahr dann vielleicht.“ Bis dahin ist viel­leicht auch schon der Benimmkurs absolviert.

Schiedsrichter: Kai Thiele (Gebenbach) - Zuschauer: 65
Tore: 1:0 Mehmet Karanfil (9.), 2:0 Mehmet Karanfil (20.), 3:0 Burak Babur (28.), 4:0 Cemil Yilmaz (33.), 4:1 Martin Winkler (46.), 4:2 Tobias Pirkwieser (55.), 4:3 Alexander Ackermann (87.)
Aufrufe: 020.10.2015, 09:57 Uhr
Christoph BeneschAutor