Herr Rebel, Sie haben uns kontaktiert, weil Sie gern etwas loswerden wollten zum Thema Homosexualität auf den Fußballplätzen.
Dieter Rebel: Richtig. Ich habe diesen Artikel vor kurzem hier im Lokalsport gelesen. Es hat mir gefallen, dass man sich traut, im Amateurfußball das Thema offen anzugehen.
Das freut uns.
Rebel: Ich finde es sehr schade, dass man dieses Thema gern ausklammert, als würde es das nicht geben. Dabei gibt es das sehr wohl — nur eben wenige Leute, die, wie ich, sehr offen damit umgehen. Die meisten verheimlichen und vertuschen das. Dabei bin ich der Meinung, dass jeder, der sich outet und offen damit umgeht, etwas für die Homosexualität an sich und gegen die Homophobie leistet.
„So tolerant ist die Gesellschaft nicht...“Sie haben Ihre Homosexualität nie versteckt?
Rebel: Nein. Ich bin von Natur her unbekümmert und gehe damit sehr offen um. Ich habe das irgendwann festgestellt — und dann waren die Ersten, mit denen ich darüber gesprochen habe, die Mädchen in der Schule. Frauen generell haben mit dem Thema überhaupt keine Probleme.
Wer hat Probleme damit?
Rebel: Die sogenannten HeteroMänner. Die sind manchmal sehr verspannt, gerade meine Generation. Die Jüngeren sind lockerer. Wobei, wenn man mal diskutiert und die Argumente ausgehen, sagen viele hinter dem Rücken: „Na ja, die Schwuchtel quatscht halt wieder“. Das hat es in allen Lebensbereichen schon gegeben.
Ist denn die Fußball-Gesellschaft besonders schwulenfeindlich, so wird sie ja immer dargestellt?
Rebel: Ich weiß ja nicht alles, was hinter dem Rücken gesprochen wird. Aber die, mit denen ich zu tun hatte, waren nicht so. Da habe ich immer mit Menschen zusammenarbeiten dürfen, die offen damit umgegangen sind.
Und warum hält sich dann in der Öffentlichkeit dieser Eindruck, dass gerade die Fußballszene besonders homophob ist?
Rebel: Ich glaube, das hängt mit der Enge zusammen; dass man automatisch denkt, wenn einer homosexuell ist, will der sicher anbaggern. Es hat mit dem gemeinsamen Duschen zu tun, all den Vorurteilen. Auch im Umgang mit jungen Menschen — da geht das so weit, dass Älteren unterstellt wird: Oh Gott, der ist schwul und arbeitet mit Jugendlichen zusammen. Dann, finde ich, darf ein Hetero-Lehrer aber auch niemals junge Mädchen unterrichten. Schwulsein ist doch nicht ansteckend.
Herr Rebel, Sie sind jemand, der im Amateurfußball polarisiert. Es geht so weit, dass Ihnen manche vorwerfen, Ihre Ämter nur zu bekleiden, um die Nähe zu jungen Männern zu suchen.
Rebel: Das weiß ich. Da gibt es einige, die, gerade unter Alkoholeinfluss, schon mal unter die Gürtellinie gehen und das sehr böse ansprechen. Aber, ganz ehrlich, da hätte ich doch genügend andere Möglichkeiten, wenn es mir um Nähe ginge.
Wie lebt man mit so schlimmen Vorwürfen?
Rebel: Entweder man versteckt sich — oder man lehnt sich zurück, genießt das Leben und macht das, was einem Spaß macht. Ich gehe mit diesen Behauptungen locker um.
Warum ist das überhaupt eine Besonderheit: Homosexuelle im Amateurfußball?
Rebel: Eben, es ist keine. Wir müssen darüber sprechen, damit diese Berührungsängste abgebaut werden. Dass man sagt: O.k., auch eine Lesbe oder ein homosexueller Mann können sehr gute Leistungen bringen, ohne dass immer ihre sexuelle Orientierung im Vordergrund stehen muss. Es gibt viele Spieler, Trainer und Funktionäre, die schwul sind, glauben Sie mir, ich kenne da einige. Die trauen sich aber nicht, darüber zu sprechen. Jeder muss für sich entscheiden, ob er sich outet. Mir geht es um den Umgang, der muss einfach lockerer werden.
Es ist ja auf dem Fußballplatz gebräuchlich, abfällig zum Beispiel vom „schwulen Pass“ zu sprechen.
Rebel: Das hört man ständig, das ist eingebrannt in das Vokabular. Spieler und Trainer, glaube ich, denken gar nicht lange darüber nach, was sie da sagen. Früher hat mich das erschreckt. Mittlerweile akzeptiert man das und nimmt es hin.
Als Sie bei Süd 73 irgendwann sehr offen angefeindet wurden, hörte man auch schlimme persönliche Beleidigungen gegen Sie von der Tribüne. Hat Sie das schockiert?
Rebel: Natürlich tun Beleidigungen immer weh. Das ist unterste Schublade, ich finde, privat ist und bleibt privat. An diesem Beispiel kann man nur erahnen, was ein junger Profispieler ertragen müsste nach einem Outing in einem Stadion vor über 45000 Zuschauern. Dabei hat Sexualität doch mit Fußball nicht das Geringste zu tun.
Warum wird das Homosexuellen aber immer wieder unterstellt?
Rebel: Das ist eine ganz interessante Frage, die ich mir auch immer wieder stelle. Vielleicht sind da manchmal die Gedanken und die Fantasien schmutzig? So tolerant, wie sie sich gibt, ist die Gesellschaft offenbar nicht. Bei einem schwulen Lehrer wird weitergedacht: Oh! Kinder? Sportunterricht? Da muss was sein! Das würde man von einem heterosexuellen Lehrer nie denken, dass er die Mädchen irgendwie angeht.
Sie waren in einigen Vereinen, Herr Rebel. Wenn Sie neu zu einer Fußballmannschaft kommen, thematisieren Sie da Ihre Sexualität?
Rebel: Nein, überhaupt nicht. Wenn jemand fragt, dann beantworte ich das schon. Aber es wird meistens gar nicht gefragt. Dergahspor, mein aktueller Verein, ist in vielen Bereichen sehr konservativ. Aber in den Vereinsstatuten steht unter anderem auch drin, dass die Sexualität aller Menschen respektiert wird. Dergahspor ist in allen Bereichen sehr offen, auch was die Religion anbetrifft übrigens. Es geht ihnen nur darum, dass man sich ordentlich benimmt, das Wohl des Vereins muss im Vordergrund stehen. Das ist wie in einer Firma.
Dergahspor hat einen islamischen Hintergrund...
Rebel: Richtig, da ist Homosexualität verboten, weiß ich. Genau wie Alkohol. Dergahspor ist aber auch eine große Familie, die ein Familienmitglied nicht ausschließt.
Es gibt keine Probleme?
Rebel: Ich bin da nicht direkt mit konfrontiert worden bislang. Aber ich schade doch auch niemandem mit meinem Glauben oder meiner Sexualität.
Welche Reaktionen erwarten Sie, wenn die Menschen bei Dergahspor unser Gespräch lesen?
Rebel: Es wird welche geben, die sagen: finde ich gut. Es wird auch einige geben, die sagen: finde ich nicht gut. Mir ist die Sache an sich wichtig, deshalb möchte ich darüber sprechen; dass die Gesellschaft sich öffnet, die Fußballer sich öffnen. Die Reaktionen halte ich aus.
„Ach, jetzt pfeift die Schwuchtel wieder“Muss man sich das Aushalten antrainieren — gerade in der Fußballszene?
Rebel: Ja, natürlich. Das würde ich allen Homosexuellen empfehlen, besonders im Amateurfußball.
Fragen Sie homosexuelle Fußballer und Funktionäre, warum sie nicht auch so offen wie Sie damit umgehen?
Rebel: Hab ich vor 20 Jahren schon gemacht. Aber die sagen, dass könnten sie nicht, das wäre ein Skandal. Manche sind in Vernunftehen eingebunden, für die wäre das die schlimmste Horrorvorstellung.
Ist es denn in der Realität wirklich so schlimm?
Rebel: Na ja, als Schiedsrichter habe ich schon einige spannende Momente erlebt: Ach, jetzt pfeift die Schwuchtel wieder, haben sie gesagt. Oder Schiri-Kollegen, die meinten: Nein, ich gehe nicht mit einem Schwulen zusammen.
Wie, glauben Sie, würde eine Mannschaft denn damit umgehen, wenn sich, sagen wir, der Torwart outet?
Rebel: Na ja, alle würden erst mal ruhig werden. Dann „Ja, na und?“, fragen. Aber sie würden sich sofort anders verhalten. Es würde beim Duschen, beim Umziehen, auch im Streit Probleme geben, weil der Torwart immer wieder darauf reduziert würde. Alles wird leider sofort mit Sexualität in Verbindung gebracht, deshalb ist das auch so schwer.
Das heißt: Das öffentliche Bekenntnis des Ex-Nationalspielers Hitzlsperger wird nicht viel ändern?
Rebel: Doch, es zeigt, unter welchem Leidensdruck Fußballspieler stehen.
Er hat diesen Schritt erst nach dem Karriereende gewagt.
Rebel: Geholfen hätte es der Sache mehr, wenn er es während der aktiven Karriere gemacht hätte. Bei den Frauen wird das ja immer lockerer genommen. Da tut man eher den Heterosexuellen Unrecht, indem man pauschalisiert, das wären Lesbenhaufen.
Warum wird es toleriert, wenn Fußballerinnen offen lesbisch sind, Fußballer aber dürfen nicht schwul sein?
Rebel: Das ist eine spannende Frage, die ich mir schon immer stelle. Eine Erklärung dafür habe ich nicht.
Glauben Sie, dass es in den Vereinsheimen besonders homophob zugeht?
Rebel: Ja, das ist so. Aber wenn ich reinkomme, wird oft das Thema gewechselt oder sanfter darüber diskutiert. Es bleibt für viele einfach ein unangenehmer Bereich.
Herr Rebel, werden nach diesem Gespräch nicht viele Menschen auf Sie zukommen und sagen: Warum hast Du das nicht für Dich behalten?
Rebel: Natürlich. Aber ich bin der Meinung, es ist die beste Zeit, über das Thema zu sprechen. Damit auch die Amateurfußballer sich öffnen.
Sie werden demnächst vielleicht viel aushalten müssen.
Rebel: Vielleicht. Aber sollen sie sich das Maul zerreißen — machen sie doch sowieso immer über den Rebel.
Am 19. Januar sind Vorstandswahlen bei Dergah, Sie kandidieren.
Rebel: Ja, das war ehrlich gesagt das Einzige, was mich in diesem Zusammenhang zum Nachdenken brachte. Einige werden sich überlegen, ob das Gespräch dienlich ist für den Verein. Ich hoffe nicht, dass ich wegen meiner Sexualität viele Stimmen verlieren werde. Sie sehen: Man fängt schon an zu überlegen.
Aber ist es nicht auch hilfreich, wenn Sie vor dieser Wahl offen darüber sprechen, was Sie bewegt?
Rebel: Doch, das ist es. Aber ich überlege mir auch, welche Gefühle ich vielleicht verletze, gerade im Islam. Wissen Sie, bei Dergahspor fühle ich mich sehr, sehr wohl und bin froh, wie offen ich dort aufgenommen wurde. Nirgendwo sonst war das bisher so nett.