2024-05-02T16:12:49.858Z

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"Müssen Bodenhaftung bewahren"

Der SSV Ulm 1846 Fußball steht vor großen Aufgaben, will aber nichts überstürzen

Der SSV Ulm 1846 Fußball hat eine turbulente Vergangenheit hinter sich. Im Interview erklären Anton Gugelfuß, Lutz Siebrecht und Trainer Stephan Baierl, wie sie sich die sportliche Entwicklung vorstellen.

Herr Baierl, sportlich waren Sie mit dem fünften Platz des SSV Ulm 1846 Fußball in der vergangenen Saison doch sicherlich zufrieden?

STEPHAN BAIERL: Das war weit über den Erwartungen. Die verschiedenen Charaktere einer zusammengewürfelten Mannschaft haben sich zu einer Einheit formiert. Diesen Weg mit Spielern, die einen Bezug zu Ulm haben, werden wir weitergehen. Wir müssen die Balance finden zwischen sportlichem Erfolg und Talenten, die wir ausbilden. Wo das in der neuen Saison konkret hinführt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Auch hinter den Kulissen gab es nach der Insolvenz jede Menge Arbeit, Herr Gugelfuß?

ANTON GUGELFUSS: Auch wir mussten eine komplett neue Mannschaft finden. Unser erstes Jahr als Vorstand war geprägt von Themen wie Insolvenz, Gemeinnützigkeit, Finanzamt. Thomas Oelmayer, Roland Häußler und ich, wir haben uns vorher nicht gekannt. Innerhalb kurzer Zeit haben wir ein Vertrauensverhältnis, ja eine Freundschaft aufgebaut und einiges erreicht. Diese ’Ulmer Lösung’ ist genau der richtige Weg. So muss der Verein ticken, er darf nicht mehr eine Plattform sein für Einzelne, die glauben, ihr eigenes Ding machen zu müssen.

Was hat Sie bewogen, nach der Insolvenz einzusteigen?

GUGELFUSS: Im Grunde genommen kam ich zu der Aufgabe wie die Jungfrau zum Kind. Mir wurden immer mehr Fäden zugeführt, am Schluss bin ich sie dann nicht mehr losgeworden. Als Jugendspieler hatte ich meine schönste Zeit beim SSV 46, bis eine Knieverletzung und drei Operationen meine Fußball-Karriere beendeten. Ich habe im letzten Jahr sehr viel gelernt. Die Arbeit ist viel zeitaufwendiger, als wir drei gedacht haben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir mit Lutz Siebrecht ab dem 1. Juli einen sportlichen Leiter haben, der uns unterstützt.

Herr Siebrecht, sie bringen den Blick von außen mit. Wie stellt sich für Sie die Situation des Vereins dar?

LUTZ SIEBRECHT: Es ist aller Ehren wert, was die Funktionäre zuletzt aufgebaut haben, wie die Insolvenz mit einer hervorragenden Quote abgewickelt wurde und wie sich die Mannschaft entwickelte. All das hat mich dazu bewogen, hier mitzuarbeiten. Ich denke, mit dieser Einstellung lässt sich etwas bewegen.

Wie sind die sportlichen Perspektiven des SSV Ulm 1846 Fußball?

GUGELFUSS: In Ulm sind die Erwartungen generell hoch. Aber es geht nicht von heute auf morgen. Jeder weiß, dass wir in der vergangenen Saison einen ausgeglichenen Etat von 670 000 Euro hatten. Für den Aufstieg in die Regionalliga braucht man wenigstens rund eine Million Euro. Wenn man sich in der Regionalliga halten will, ist ein Etat von 1,5 Millionen Euro nötig. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt. Deshalb dürfen wir nicht von illusorischen Zielen ausgehen. Wir müssen Bodenhaftung behalten und den Verein in ruhigem Fahrwasser halten.

Was heißt das konkret?

GUGELFUSS: Nehmen Sie das Beispiel 1. FC Heidenheim. Dort wurde über viele Jahre ganz seriös, bodenständig, ohne großen Wirbel und mit Unterstützung der Stadt und den Säulen Voith und Hartmann etwas aufgebaut. Am bemerkenswertesten aber ist, dass Heidenheim viele kleine Sponsoren hat. Das gibt Sicherheit. Wenn einer wegbricht, bricht nicht das ganze Gebäude zusammen. So etwas aufzubauen braucht viel Zeit und Geduld. Hier in Ulm haben im letzten Jahr viele Sponsoren zu uns gestanden, dafür sind wir dankbar. Wir haben einen ausgeglichen Haushalt und bemühen uns nun, den Etat ein Stück weit auszubauen.

SIEBRECHT: Wir müssen uns breit aufstellen. Wenn man das Gefühl hat, die Region steht hinter einem, dann motiviert das umso mehr.

Was sind die dringendsten Baustellen im Verein?

GUGELFUSS: Es klemmt es an vielen Ecken und Enden. In der Vergangenheit wurde nichts in die Infrastruktur investiert. Kein Haus kann ohne Fundament gebaut werden.

Was sind die ersten Schritte in diese Richtung?

GUGELFUSS: Im Umkleidetrakt für die Jugend, der täglich von zahlreichen Kindern frequentiert wird, ist 40 Jahre nichts gemacht worden. Er ist abgewirtschaftet, dort kann man den Nachwuchs eigentlich nicht mehr hausen lassen. Aber wir haben gerade eine Insolvenz hinter uns, da kann man nicht gleich wieder ans Bauen denken. In der Vergangenheit ging der Verein ein zu hohes Risiko ein. Das können wir nicht wiederholen. Es ist eine schwierige Situation.

Der Kader für die neue Runde steht bereits weitgehend fest. Im Gespräch ist eine Rückkehr von Alper Bagceci. Ist dies denkbar?

BAIERL: Ich traue mir zu, mit dem derzeitigen Kader in die neue Oberliga-Saison zu gehen. Wichtig war, dass wir das Korsett der Mannschaft zusammengehalten haben. Daher habe ich keine Bedenken.

GUGELFUSS: Alper ist immer noch ein Zweitligaspieler und hat Angebote aus der Dritten Liga. Wir haben Kontakt zu ihm. Aber möglicherweise ist eine Verpflichtung in diesem Jahr noch zu früh.

Was motiviert Sie, bei den Spatzen Verantwortung zu übernehmen?

GUGELFUSS: Meine Firma ist schon 40 Jahre mit dem Verein verbunden, da hängt viel Herzblut dran.

SIEBRECHT: Mich motiviert die Herausforderung, einen Traditionsverein zu begleiten und ihn auf solide Beine zu stellen. Ganz wichtig ist mir, die erfolgreiche Jugendarbeit fortzusetzen.

BAIERL: Schon als Jugendspieler in Scharenstetten war der SSV 46 für mich ein Vorbild. Zuletzt wurde viel Misswirtschaft betrieben. Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass der Verein wieder in einem hellen Licht dasteht. Ich fühle mich für den SSV 46 verantwortlich.

Aufrufe: 06.6.2015, 09:22 Uhr
GEROLD KNEHR | SWPAutor