2024-05-10T08:19:16.237Z

Ligabericht
Rote Sessel, blaue Themen: Florian Fussek, Franz Hell, Christian Springer, Michael Hofmann und Ludwig Krammer (v.l.).
Rote Sessel, blaue Themen: Florian Fussek, Franz Hell, Christian Springer, Michael Hofmann und Ludwig Krammer (v.l.).

Große Löwen-Diskussionsrunde mit Michi Hofmann: "Beleidigte Leberwürscht gibt’s in allen Kultur

Gespräch mit Kult-Keeper Hell und Springer

München - Die Löwen Franz Hell (61), Michael Hofmann (44) und Christian Springer (52) waren unsere Gäste in der neuen Diskussionsrunde zum Thema TSV 1860. Einer schickt einen Appell an Hasan Ismaik.

Die Sitze sind tz-rot, dafür haben wir blaue Servietten aufgetragen, was die drei Löwen Franz Hell (61), Michael Hofmann (44) und Christian Springer (52) milde stimmt. Der Allesfahrer, der Torwart und der Kabarettist, der mit seinem Orienthelfer e.V. häufig im Libanon zu tun hat, waren unsere Gäste in der neuen Diskussionsrunde zum unerschöpflichen Thema TSV 1860. Kommunikation, Kader und (Fan-)Kapital kristallisierten sich als die wesentlichen Punkte des gut zweistündigen Gesprächs heraus. Teil zwei lesen Sie in der tz-Ausgabe vom Wochenende.

Verehrte Herren, dürfen wir Sie zum Auftakt um eine kurze Inventur Ihrer blauen Fanseele bitten? Als ausgewiesener Arabien-Kenner haben Sie das erste Wort, Herr Springer.

Christian Springer: Sehr nett. Die erste Botschaft, die ich habe, ist vielleicht für manche hier im Raum etwas unverständlich: Seyyid Ismaik. Min ­faddlik takelem m’a al’ileem aljaum wa fi al mustaqbal aiddan.

Klingt interessant. Noch einmal zum Mitschreiben?

Springer: Herr Ismaik, bitte sprechen Sie mit der Presse. Heute und in der Zukunft.

Sehr zuvorkommend.

Springer: Mir geht’s ja auch um mich! Ich trete in meinem Beruf viel an Wochenenden auf und hab’s in dieser Saison noch zu keinem 1860-Spiel ins Stadion geschafft. Ich bin angewiesen auf die ­Medien.

Reichen Ihnen ­Ismaiks Facebook-Botschaften nicht?

Springer: Nein, die langen nicht. Das kommt mir so vor, als wenn der erste Geiger in der Oper sagen würde: Nur ich darf was über die Aufführung sagen, weil ich spiel’s ja schließlich.

Hell: „Wildmoser war mit Sicherheit nicht weniger empfindlich als Ismaik“

Auch eine Frage der Mentalität?

Springer: Also, beleidigte Leberwürscht gibt’s in allen Kulturen, das hat weder was mit Arabien noch mit dem ­Islam zu tun. Die gibt’s auch in Holzkirchen.

Franz Hell: Ich erinnere nur an Karl-Heinz Wildmoser. Der war mit Sicherheit nicht weniger empfindlich als der Ismaik.

Michael Hofmann: Aber da gab’s halt noch kein Facebook.

Hell: (lacht) Ja, aber was ich sagen will, ohne jetzt hier als Ismaiks Verteidiger aufzutreten: Es geht um Fairness. Ich glaube, dass dieser Gedanke in der Berichterstattung der letzten Monate zu kurz gekommen ist. Die St.-Pauli-Geschichte war so ein Beispiel. Danach hat jeder mit draufgehauen auf 1860 und Ismaik. Ohne nachzufragen, was wirklich passiert ist. Nicht die St.-Pauli-Funktionäre sind von ihren Plätzen verwiesen worden, sondern Ismaik hat sich nach der Halbzeit umgesetzt.

Weil sich erwähnte Funktionäre nicht umsetzen lassen wollten…

Hell: Es wurde doch gar nicht mehr differenziert. Mancherorts hieß es sogar, dass die Leute rausgeschmissen wurden! Der Rettig (St. Paulis Geschäftsführer, d. Red.) hat da ein Riesen-Fass aufgemacht, indem er an die Öffentlichkeit gegangen ist.

Hofmann: Ich geb dir teilweise recht, Franz. Aber Sechzig hat durch seine Schwächen in der Kommunikation auch zu dieser ­Anti-Stimmung in den Medien beigetragen. Nach den ganzen Boykotten und Beschimpfungen musste einem doch klar sein, dass jetzt aus jedem Haar in der Suppe eine Perücke gemacht wird.

Springer: Ja, in die Rolle als Depp vom Dienst hat man sich bei 1860 größtenteils selbst manövriert. Ich glaube nicht, dass die Presse negativ wäre, wenn man jetzt offen auf sie zugeht. Aber dazu braucht’s Souveränität.

Hofmann: Bayern kann teilweise mit der Presse spielen, weil sie diesen Erfolg haben. Aber 1860?

Springer: Ich hab gestern zur Gaudi bei Google mal „1860“ und „Querelen“ eingegeben. Ergebnis: fast 30.000 Treffer aus den letzten Jahren. Da ist es mir zu einfach, nur auf die böse Presse zu schimpfen.

„Der Zirkus war der Hauptgrund für unseren damaligen Abstieg“

Dann reden wir jetzt über den Sport.

Springer: Gerne. Was mich mal interessieren würde: Wirken sich solche Debatten tatsächlich auf die Spieler aus oder ist das nur Gerede?

Hofmann: Der eine oder andere Spieler kann’s vielleicht wegschieben. Aber mich hat das schon immer beschäftigt – und teilweise auch belastet. Speziell 2004 im Abstiegskampf. Was da mit den beiden Wildmosers los war, wie es danach im Verein zugegangen ist, die Götz-Entlassung, das ganze Theater – ein Irrsinn! Natürlich wird da in der Kabine darüber geredet. Und die Unsicherheit überträgt sich. Das ist doch in anderen Geschäften nicht anders.

Hell: Ich sage bis heute, dass dieser Zirkus der Hauptgrund für unseren damaligen Abstieg war.

Hofmann: Einer der Gründe mit Sicherheit. Und in den letzten Jahren ist es noch extremer geworden bei 1860, nicht nur mit den Trainern. Ständig neue Führungspersonen, ein Streit nach dem anderen. Du weißt als Spieler überhaupt nicht mehr, an wen du dich halten sollst. Und dann wundert man sich über die sportlichen Wellenbewegungen.

Ian Ayre, Ex-Boss des FC Liverpool, steht vor der Tür, wird im April die Geschäfte übernehmen. Welche Hoffnungen setzen Sie in den neuen Mann?

Hofmann: Ich hoffe vor allem, dass nach all den verlorenen Jahren jetzt endlich mal eine vernünftige Saisonplanung gemacht wird. Denn ich glaube nicht, dass Ayre das nötige Geld erst auf den letzten Drücker bewilligt bekommt, so wie es bei seinen Vorgängern war. Das war doch das Hauptproblem, dass man immer zu spät dran war mit den Transfers. Viele interessante Spieler hatten schon längst woanders unterschrieben, als 1860 irgendwann aus den Puschen gekommen ist. Der Rest ist bekannt.

Aufrufe: 024.3.2017, 11:21 Uhr
Ludwig Krammer und Florian Fussek - Redaktion tzAutor