2024-05-17T14:19:24.476Z

Allgemeines
Stätte des Erfolgs: Sascha Ehlert vor dem Fußballplatz des 1. FV Eintracht Wandlitz. Kurz zuvor ist er vorzeitig mit seinem Team in die Landesklasse Nord aufgestiegen. Ehrgeizig ist er auch abseits des Platzes. Ende Juli möchte Sascha sein Studium beenden. Foto: MOZ/Lucas Vogel
Stätte des Erfolgs: Sascha Ehlert vor dem Fußballplatz des 1. FV Eintracht Wandlitz. Kurz zuvor ist er vorzeitig mit seinem Team in die Landesklasse Nord aufgestiegen. Ehrgeizig ist er auch abseits des Platzes. Ende Juli möchte Sascha sein Studium beenden. Foto: MOZ/Lucas Vogel

Ganz besonders normal

Sascha Ehlert studiert, spielt Fußball beim 1. FV Eintracht Wandlitz und hat seit seiner Geburt ein Handicap, das fast nicht auffällt

„Ich möchte heute nur einen Sieg holen mit meiner Mannschaft. Alles andere ist erstmal zweitrangig“, sagt Sascha Ehlert locker. Der 29-Jährige spielt beim 1. FV Eintracht Wandlitz. Es gibt nur eine Besonderheit, die ihn von seinen Teamkollegen unterscheidet.

Sascha Ehlert ist am 3. September 1985 in Berlin-Lichtenberg geboren. Er ist 1,87 Meter groß, trägt seine blonden Haare an den Seiten kurz und auf dem Kopf zu einem Seitenscheitel gelegt. Er hat einen Dreitagebart, gerade, weiße Zähne und ihm fehlt der linke Unterarm. „Der fehlt seit meiner Geburt. Die Nabelschnur hatte sich herumgewickelt und die Blutzufuhr unterbrochen“, erzählt er ganz ruhig und selbstverständlich.

Saschas große Leidenschaft ist Fußball. Seine fußballerische Ausbildung bekam er bis zum 13. Lebensjahr beim DDR-Rekordmeister BFC Dynamo, lernte dort die Position des Innenverteidigers zu spielen. Mittlerweile spielt er auch im defensiven Mittelfeld. „Es war eine gute Ausbildung beim BFC. Ich konnte dort wirklich viel lernen“, beschreibt er seine Zeit bei Dynamo. Anschließend spielte er für den FSV Bernau, Motor Eberswalde, Freya Marienwerder und Einheit Zepernick. Seit dieser Saison spielt er bei Eintracht Wandlitz, ist gerade mit seiner Mannschaft vorzeitig, nämlich vier Spieltage vor Saisonende, aus der neu gegründeten Kreisoberliga in die Landesklasse Nord aufgestiegen. „Obwohl wir Aufsteiger sind, schätze ich uns stark genug ein, um in der ersten Saison einen Platz zwischen drei und acht zu belegen“, sagt er selbstbewusst.

So selbstbewusst war er nicht immer. „Klar gab es Hänseleien in der Schulzeit. Besonders schwierig war der Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium. Dann kommt man in die Pubertät, interessiert sich für Mädchen. Und dort konnte ich mein Handicap auch zum ersten Mal gesellschaftlich richtig einordnen“, reflektiert er sachlich.

Das Abitur hat Sascha im Jahre 2005 am Barnim-Gymnasium Bernau abgelegt. „Ich war damals nicht der schönste Hahn im Korb“, erzählt er und lacht. Nach dem Abitur sei dann bei ihm der Knoten geplatzt. An seinem Selbstauftritt habe er allerdings auch arbeiten müssen. „Im Zweifelsfall muss man sich eben Hilfe holen“, erklärt er trocken.

Nach dem Abitur ist Sascha nach Wedding gezogen und hat dort bei den Mosaik-Werkstätten eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert. Die Mosaik-Werkstätten beschäftigen in Berlin mehr als 8000 Mitarbeiter mit hohem Hilfebedarf, verfügen über 80 Betriebs- und 20 Werkstätten. Hier arbeitet Sascha nun schon seit zehn Jahren als Finanzcontroller. „Ich fühle mich dort wirklich pudelwohl. In unserer Firma läuft alles sehr sozial ab“, schwärmt Sascha. Inzwischen arbeitet er in Berlin-Mitte und wohnt im Prenzlauer Berg.

Auf dem Platz, umgeben von seinen Teamkollegen, bei seinem Verein Eintracht Wandlitz, spielt Saschas Behinderung überhaupt keine Rolle. Es wird gar nicht erwähnt. Er spielt und muss seine Leistung bringen wie jeder Andere auch. „Sie wollen Sascha interviewen? Dann sehen sie mal zu, dass sie ihm nur einfache Fragen stellen. Am besten mit weniger als fünf Worten“, sagt sein Teamkollege Paul Roller und verdreht die Augen. Die umstehenden Spieler lachen.

„Es ist schon ein kleines Problem beim Spielen. Wenn Spieler von links angreifen, kann ich sie natürlich nicht so gut abwehren wie von rechts. Das ist ja klar. Ist aber auch nicht so wild. Ich versuche, alles am Boden zu klären. Aber pssst. Nicht weitersagen“, flüstert er und zwinkert mit dem rechten Auge.

Auf dem Spielfeld wird dieser vermeintliche Nachteil jedenfalls nicht deutlich. Sascha spielt heute die klassische Liberoposition, steht immer goldrichtig und macht praktisch keine Fehler. Bei Ecken geht er mit nach vorne. Drei Tore hat er in dieser Saison erzielt und ungleich mehr verhindert. Um ihn zu schonen, wechselt sein Trainer ihn in der 56. Minute vorzeitig aus. Wandlitz führt zu diesem Zeitpunkt bereits mit 4:0. 7:0 wird das Spiel enden.

Sascha studiert Business-Administration an der FOM-Berlin, einer privaten Hochschule für Berufstätige. Dreimal pro Woche hat er Vorlesungen, immer von 18 Uhr bis 21.15 Uhr. Ende Juli will er seinen Bachelorabschluss in der Tasche haben.

„Neben dem vorzeitigen Aufstieg mit Wandlitz in dieser Saison war mein größter Erfolg wahrscheinlich, zweimal hintereinander mit Marienwerder aufzusteigen. Außerdem war ich bei einem Oberligaspiel im Kader von Motor Eberswalde“, erzählt Sascha, nach seinen größten sportlichen Erfolgen gefragt. In Zukunft kommen bestimmt noch einige dazu.

Aufrufe: 028.5.2015, 18:00 Uhr
MOZ.de / Lucas VogelAutor