2024-05-02T16:12:49.858Z

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Das Bild täuscht, der SC Worzeldorf (in Blau) ist gerade wieder dabei, sich in der A-Klasse 7 aus der Schieflage zu befreien. F: Michael Matejka
Das Bild täuscht, der SC Worzeldorf (in Blau) ist gerade wieder dabei, sich in der A-Klasse 7 aus der Schieflage zu befreien. F: Michael Matejka

Freibier, kaputte Schuhe und zu viel Pausentee

Alltag in der A-Klasse 7 - Teil 9: In Worzeldorf feiern sie die Gemeinschaft und die Liebe zum Fußball, auch wenn das in der A-Klasse nicht immer ein Vergnügen ist

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Gut, sie war ja nie weg, die A-Klasse. Wir haben sie hier nur versteckt, eine Saison lang. Jetzt sind wir wieder dort, auf holprigen Wiesen, bei den Jungs mit den schweren Knochen, bei denen, die lieber nächtelang feiern gin­gen als in eines dieser modernen Fuß­ballinternate. Eine wöchentliche Lie­beserklärung an die ehrlichste Fußball­liga Nürnbergs.
Der Wunsch seiner Spieler ist ein­deutig, aber Jürgen Schüßler kann ihn jetzt noch nicht erfüllen. „Jürgen, jetzt komm’ endlich!“, ruft einer, der gerade dabei ist, zwei Maß Bier auf dem Weg in die Kabine zu verschüt­ten. Gleich, gibt ihm Schüßler zu ver­stehen, er muss das jetzt noch zu Ende erzählen; warum er sich das antut, an diesem sonnigen, aber doch sehr kal­ten Herbsttag an der Seitenlinie zu ste­hen und ein Fußballspiel zu beobach­ten, das, nun ja, nur wenig damit zu tun hat, warum er sich einst in diesen Sport verliebt hat.

Wer sie finden will, der findet sie natürlich auch wieder an diesem Sonn­tagnachmittag, an dem die zweite Mannschaft des SC Worzeldorf die des ATV 1873 Frankonia empfängt - die Szenen, die der Liga ihren Ruf ver­leihen, die auf ihre ganz spezielle Art so unterhaltsam sind.

Da ist zum Beispiel die, als der Schiedsrichter eindringlich auf den Kapitän der Gäste einredet und ihm klarmacht, dass es nichts bringen wird, seine Entscheidungen ständig infrage zu stellen. „Also“, ruft Mu­hammed Hancer seinen Mannschafts­kollegen zu, „außer mir sagt jetzt nie­mand mehr was, egal, wie er pfeift. Jetzt kommen langsam die Karten.“ „Jetzt schon?“, fragt einer zurück, es läuft gerade die 65. Minute. Der Schiedsrichter macht Ernst und Worzeldorf macht es dann auch. Wenig später erzielen die Gastgeber das 5:2, dann sogar noch das 6:2, die Partie ist entschieden. Unterhaltsame Szenen gibt es aber weiterhin.

„Zieh an!“, fordern sie auf der Aus­wechselbank von Frankonia einen ihrer Mitspieler auf, doch der bricht den Sprint ab und hadert: „Wie denn? Meine Schuhe sind kaputt.“ Oder als Jürgen Schüßler kurz vor Schluss noch einmal einem seiner Fuß­baller etwas Spielzeit geben will: „Bist du bereit?“, fragt er und weil kei­ne Antwort kommt, dreht er sich dann doch noch dorthin, wo er den Spieler vermutet. Doch der steht gerade 50 Meter entfernt am Zaun des Vereinsge­ländes und versucht den Pausentee los­zuwerden.

Moral, Charakter, Slapstick

Schüßler schüttelt für einen Mo­ment den Kopf, aber wahrscheinlich ist es auch diese Szene, warum er immer noch Spaß daran hat, eine Mannschaft zu betreuen, „die jede Woche anders aussieht“. Wie die meisten Trainer, die eine zweite Mannschaft betreuen, muss er damit leben, dass seine Jungs Engpäs­se in der ersten Mannschaft auffangen müssen und wenn einer - wie sein Sohn Fabian an diesem Tag - gleich zweimal ins Tor trifft, recht bald be­fördert wird. Kein Wunder also, dass sein Team auch in dieser Saison zuwei­len wie ein Kollektiv von Zufallsbe­kanntschaften wirkt.

Der recht deutliche Sieg gegen den ATV ist erst der zweite in dieser Spiel­zeit, die ersten sechs Partien haben sie allesamt verloren. „Wichtig für die Moral“ nennt Schüßler den schönen Erfolg, denn gewinnen wollen sie bei aller Liebe zum Slapstick schon. Zwei Wochen zuvor war ihnen end­lich ein 3:2 gegen DJK Bayern ge­glückt, es folgte ein wenig überra­schendes 0:4 gegen den Tabellenfüh­rer Zirndorf, nach dem 6:2 scheinen sie nun endlich angekommen zu sein. „Jetzt kommen die Mannschaften, mit denen wir uns wirklich messen kön­nen“, glaubt Schüßler und traut sei­nen Spielern bis zum Ende der Saison den Sprung ins Mittelfeld zu. „An Cha­rakter fehlt es ihnen nicht“, sagt er, die Gemeinschaft ist gut, die meisten sind echte Eigengewächse.

Jürgen Schüßler muss es wissen, er hat die jungen Männer auch schon trai­niert, als sie noch kleine Jungs waren, inzwischen sind sie alt genug, um sich nach einem Sieg ihr Freibier selbst zu organisieren. „Es macht einfach Spaß mit den Jungs“, sagt Schüßler zum Ab­schied, dann kommt er dem Wunsch dieser Jungs nach und verschwindet in der Kabine, wo sie ihren Erfolg schon lautstark feiern.

Aufrufe: 026.10.2016, 09:37 Uhr
Sebastian Gloser (NN)Autor