2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Uwe Schradick, Rotenburgs NFV-Kreisvorsitzender.
Uwe Schradick, Rotenburgs NFV-Kreisvorsitzender.

„Es gibt Sachen, die mich desillusionieren“

Rotenburgs Kreis-Fußballchef Uwe Schradick scheut im Interview auch Kritik an DFB und NFV nicht

Zeven. Seit 2009 ist Uwe Schradick Vorsitzender des NFV-Kreises Rotenburg. Beim Kreisfußballtag 2018 will er sein Amt in die Hände eines noch zu findenden Nachfolgers übergeben. Im Interview mit ZZ-Sportredakteur Oliver Moje spricht der 54-Jährige über die bisweilen auch desillusionierende Arbeit im Kreisvorstand, Änderungen im Jugend- und S40-Fußball sowie neue Herausforderungen für die Vereine. Außerdem übt der Zevener Kritik am Umgang des DFB mit der Basis sowie der Postenvergabe im Niedersächsischen Fußball-Verband.

Was beschäftigt den NFV-Kreisvorstand derzeit am meisten?

Wir haben gerade die Planung des Kreisfußballtages 2018 ins Visier genommen. Wir müssen langfristig wissen, wie es in den einzelnen Ausschüssen aussieht und wo wir Verstärkung brauchen, um die Arbeit besser zu verteilen. Nach dem jetzigen Stand suchen wir für mich einen Nachfolger sowie einen neuen stellvertretenden Vorsitzenden. Der Stellvertreterposten ist seit dem Ausscheiden von Manfred Villbrandt vor zwei Jahren vakant. Zudem wäre es sinnvoll, den Posten des stellvertretenden Schatzmeisters zu schaffen.

Wer könnte solche Aufgaben übernehmen?

Das könnte jeder machen, der im Fußballbereich schon einmal Ausschussarbeit gemacht hat oder Vorstandsarbeit aus seinem Verein kennt. Im Bereich des Finanzwesens ist es so, dass die Aufgaben für unseren Schatzmeister in den vergangenen Jahren deutlich umfangreicher geworden sind. Früher hätte ich da als ehemaliger Schatzmeister selbst noch Bescheid gewusst, aber mittlerweile haben wir ein komplett neues Buchführungssystem mit neuer Software, mit der ich mich nicht mehr auskenne. Mit anderen Worten: Falls Heinz-Hermann Tietjen einmal ausfällt, dann geht derzeit nichts mehr.

Wie sähe die Alternative aus?

Wir hätten ansonsten noch die Option, die ganze Buchführung nach Barsinghausen an den NFV zu vergeben, doch dafür müssten wir Geld bezahlen.

Wie sieht es mit der Besetzung der Spielausschüsse aus?

Dort suchen wir eigentlich laufend Verstärkungen. Zumal ich auch gerne den Altersschnitt etwas senken würde.

Wie wollen Sie es schaffen, die Verbandsarbeit transparenter zu machen und aufzuzeigen, dass das Spaß machen kann?

Das tolle an der Arbeit im Kreisvorstand ist, dass man es hier mit tollen Menschen zu tun hat – sowohl im Kreisvorstand als auch in den Vereinen. Man kommt als Kreisvorsitzender ja ein bisschen herum, lernt einem bisher unbekannte Vereine und auch richtige Typen kennen. Das macht Spaß. Da entstehen echte Freundschaften. Natürlich gibt es aber auch immer wieder Sachen, die mich desillusionieren und manchmal auch verzweifeln lassen.

Was sind das für Dinge?

Da habe ich beispielsweise unsere 81 Vereine bezüglich der Nutzung des Info-Heftes angeschrieben und gefragt, ob sie noch die Papiervariante brauchen oder ob sie sich die Informationen auch von der Homepage ziehen können. Immerhin 45 Vereine haben es geschafft, darauf zu antworten. Nach einer zweiten Erinnerungsmail kamen zehn weitere dazu. Somit haben es ganze 55 von 81 Vereinen geschafft, auf so eine banale Frage zu antworten.

Was könnte der Kreisvorstand hinsichtlich der Vereine tun, bei denen das nicht klappt?

Die Idee, die mir diesbezüglich seit einiger Zeit vorschwebt, ist eine Art „verbindlicher Führerschein“: Dass jeder, der den Job des Fußballobmanns in seinem Verein neu übernimmt, erstmal von uns eine Art Grundausbildung bekommt. Meist besteht die Überleitung von einem Fußballobmann zum nächsten nur darin, dass der Vorgänger seinem Nachfolger sagt, wen er mal bezüglich Trikots, Trainingsanzüge oder als neuen Trainer ansprechen kann. Die ganzen technischen Dinge – wie das Ausfüllen der Meldebögen, die Pflege des Postfaches und so weiter – gehen dabei oft unter. Das könnte man verbessern, in dem wir einmal im Jahr ein verpflichtendes einstündiges Seminar anbieten. Dann würden die Leute auch ein Gefühl dafür kriegen, warum wir Sachen so machen, wie wir sie machen. Wir machen unsere Ausschreibungen ja nicht, um unsere Vereine zu ärgern. Wir können als Kreis aber ganz viele Dinge nicht selbst entscheiden, sondern kriegen Vorgaben vom Bezirk, die wir umsetzen müssen.

Stichwort Bezirksebene: Wie stehen die Aussichten, weitere Terminkollisionen von Relegations- und Pokalendspielen zu verhindern?

Das ist ein Dauerthema, das wissen wir auch, aber der Bezirk nimmt da keine Rücksicht auf unsere Belange und am Ende heißt es ganz einfach: „Bezirk schlägt Kreis.“ Das stört mich, aber wenn ich das auf Bezirksebene anspreche, bin ich nur einer von elf Kreisvorsitzenden und wenn die anderen das Problem nicht haben, interessiert es sie auch nicht.

Stichwort Digitalisierung: 2016 hat der Kreis die Vereine aufgefordert, bis Anfang der Rückrunde Fotos aller Spieler ins DFB-Net einzufügen. Wie ist da der Stand?

Das hat Peter Krüger als Spielausschussvorsitzender im Blick. Der wird uns sicherlich noch eine Empfehlung abgeben, ab wann wir das definitiv verpflichtend machen und es von den Schiedsrichtern überprüft werden wird. Das machen wir aber mit ganz viel Augenmaß.

Was kommt 2017 noch an Neuerungen auf die Vereine zu?

Womit wir uns intensiver beschäftigen müssen ist das Thema „sexualisierte Gewalt“ im Kinder- und Jugendbereich. Da ist es bis jetzt verpflichtend, dass jemand, der die Trainerlizenz neu erwirbt, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen muss. Das wird jetzt dahingehend erweitert, dass auch jeder, der seine Lizenz verlängert, stets ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen muss.

Bedeutet das neben dem zusätzlichen Aufwand auch höhere Kosten für die Trainer?

Nein, die Beantragung des Führungszeugnisses zur Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist meines Wissens nach unentgeltlich möglich.

Wie sieht es mit den Übungsleitern ohne Lizenz aus?

Die Maßnahme betrifft zunächst erstmal nur alle lizenzierten Übungsleiter, aber der NFV empfiehlt den Vereinen, das auf alle im Jugendbereich tätigen Trainer auszuweiten, schon um sich da auch selbst abzusichern.

Stichwort Jugendfußball: Wie steht der Kreisvorstand zu den aktuell auf Landes- und Bezirksebene geführten Diskussionen zur Abschaffung der U19?

Das war ein Thema bei unserer Jugendausschusssitzung und da war der Tenor, dass man am zweiten A-Jugendjahr ja schon in der Vergangenheit sehr viel herumgedoktert hat. Eigentlich war aus unserer Sicht die Regelung am besten, dass die Jugendlichen ab ihrem 18. Geburtstag im Herrenbereich spielen dürfen, aber nur in der ersten Mannschaft.

Könnte man das im Alleingang auf Kreisebene wieder so einführen?

Nein, wir sind an das gebunden, was der Bezirk uns vorschreibt. Das muss einheitlich sein.

Wenn also auf Bezirksebene der Beschluss fällt die U19 abzuschaffen, müsste der Kreis Rotenburg mitziehen?

Ja, wobei wir uns in die Beschlussfassung ja einbringen können. Wir sind allerdings – wie schon gesagt –nur einer von elf Kreisen. Aber auch wir haben festgestellt, dass die U19 in dieser Form wohl nicht mehr tragbar ist. Die Vereine „geiern“ ja meist schon darauf, die Spieler endlich einsetzen zu können.

Stichwort Altherrenfußball: Bei der S40 gab es im Kreis in dieser Saison erstmals eine Staffel für 7-er Mannschaften. Wie bewerten Sie die Premiere, für die Sie sich ja schon seit einigen Jahren stark gemacht haben? Das war natürlich im Vorfeld eine schwere Geburt, aber aus Sicht des Spielausschusses läuft das sehr gut. Da funktioniert alles reibungslos. Die Anfangsschwierigkeiten waren schnell beseitigt und wir rechnen damit, dass nach jahrelangen Rückgängen im S40-Bereich jetzt zur neuen Saison vielleicht sogar wieder die eine oder andere Mannschaft neu dazukommt, weil mancher Verein sich vorstellen kann, ein eigenes 7-er Team anzumelden.

Ich könnte mir das persönlich auch für den S50-Bereich vorstellen. Dort haben wir derzeit einige Mannschaften auf Kreisebene, die in Verden und Osterholz mitspielen. Das sind lange Fahrten. Man kann das aber natürlich auch positiv sehen: In meinem ganzen Leben musste ich vorher noch nie so weit anreisen. Das gibt mir das Gefühl, so hoch zu spielen wie noch nie (lacht)

Stichwort Fusionen: Die NFV-Kreise Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen planen gerade den Zusammenschluss. Könnte so etwas auch für den Kreis Rotenburg ein Thema werden?

Da muss man klipp und klar sagen, wir sind einer der größten Flächenkreise und wir reden da bei uns über 560 bis 580 Mannschaften im Spielbetrieb. In Lüchow-Dannenberg sind das vielleicht 120. Wobei ich für das Thema grundsätzlich offen bin. Wir haben eine historische Nähe zu Verden und Osterholz. Wenn wir mal merken, uns fehlt an der ein oder anderen Stelle etwas, zum Beispiel bei der Schiedsrichterausbildung, warum sollte man dann da nicht kreisübergreifend zusammenarbeiten. Da könnten alle von profitieren. Leider denken aber viele – auch bei uns – noch nicht über Kreisgrenzen hinweg. Gerade in der Qualifizierung gebe es da bestimmt Möglichkeiten.

Stichwort Geld: Die Bundesliga hat neue Milliardenverträge geschlossen. Würden Sie sich wünschen, dass von diesem Geld auch mal etwas an der Basis ankommt?

Der DFB macht ja seit einiger Zeit eine große Imagekampagne zur Stärkung des Ehrenamtes und der Amateurvereine. Wenn ich mir die ganzen Bausteine da so angucke – das ist jetzt meine ganz persönliche Sicht – habe ich das Gefühl, da wird sehr viel operative Hektik verbreitet, aber so richtig greifen tut das nicht. Da wäre es sicherlich gut, wenn sich ein Landesvorsitzender mal mit seinen Kreisvorsitzenden zusammensetzen würde, um mal zu hinterfragen, was diese denn eigentlich von den Maßnahmen halten. Dann würde der DFB feststellen: Kommt er damit wirklich in die Vereine rein oder ist das nur viel Wind um nichts?

Immerhin gab es ja vor einigen Jahren einmal ein kleines „Carepaket“ vom DFB für alle Vereine... Ich hab mir damals in Barsinghausen das ganze Auto mit diesen Paketen voll geladen. Im Nachgang war mir das richtig peinlich, den Vereinen dieses „Almosen“ als tolle Geste des DFB in die Hand zu drücken. Bloß wenn ich dann mit den anderen Kreisvorsitzenden in Barsinghausen zusammensitze, fällt es mir schwer, da ein paar Gleichgesinnte zu finden, die das auch einmal kritisch hinterfragen. Die meisten fanden das toll.

Kritische Fragen scheinen bei höheren Fußballgremien generell nicht besonders beliebt zu sein...

Egal, ob FIFA, UEFA, DFB oder NFV – da knallt uns momentan so viel vor die Füße – und immer geht es um das liebe Geld. Das gleiche gilt für die Besetzung der Vorstandsposten. Hier beim NFV kriegten wir vor ein paar Jahren mit Reinhard Grindel jemanden aufgrund seiner „guten Kontakte zu Politik und Wirtschaft“ als potentiellen Nachfolger von Karl Rothmund vorgesetzt. Als Reinhard Grindel dann weiter zum DFB ging, machte Karl Rothmund erst einmal weiter und jetzt kriegen wir mit Günter Distelrath schon wieder jemanden aufgrund seiner „hervorragenden Kontakte zu Politik und Wirtschaft“ als seinen Nachfolger vorgesetzt. Da habe ich gedacht: Hey, wir sitzen hier mit 44 Kreisvorsitzenden – aus der Runde müsste sich doch auch jemand finden lassen, der das Präsidentenamt übernehmen könnte. Dann hätten wir mal jemanden von der Basis. Scheiß doch auf die „Kontakte zu Politik und Wirtschaft“ – vielleicht zeichnet uns gerade aus, dass wir es jetzt anders machen und zeigen: Wir haben aus den Affären gelernt.

Das wäre eine Revolution...

Aber die wird es nicht geben, weil ich von den Kreisvorsitzenden scheinbar der Einzige bin, der so denkt. Ich habe ein paar andere angeschrieben, bei denen ich gedacht habe, sie könnten das ähnlich sehen, aber von denen kamen nur Antworten im Sinne von: „Ich weiß gar nicht, was du hast.“

Zur Person

Uwe Schradick (54) aus Zeven hat seine fußballerischen Wurzeln in Sandbostel, lebte aber lange in Nartum und war dort von 2006 bis 2013 Vorsitzender des örtlichen Turn- und Sportvereins. Seit 1999 arbeitete er zusätzlich auch noch im Vorstand des NFV-Kreises Rotenburg mit, zunächst als Schatzmeister und ab 2006 als stellvertretender Vorsitzender. Im April 2009 löste er Heinrich Engelke als Kreisvorsitzenden ab. Als Kreisvorsitzender ist er zuständig für die Geschicke von aktuell 81 Vereinen, die derzeit mit fast 580 Teams einen Fußball-Spielbetrieb auf Kreisebene unterhalten.

LINK: Viele weitere Berichte über den Amateurfußball im Kreis Rotenburg


Dieser Artikel stammt von der Zevener Zeitung

Aufrufe: 08.2.2017, 10:48 Uhr
Zevener Zeitung/Von Oliver MojeAutor