Eine gefühlte Niederlage

Bergisch Gladbach. Die einen schlichen nach dem Unentschieden wie Verlierer vom Platz, die anderen feierten die Punkteteilung hinterher mit einer ordentlichen Portion Bier wie einen Sieg. Es war schon erstaunlich, wie unterschiedlich die Gemütslage nach dem 1:1 (0:0) zum Auftakt in der Fußball-Mittelrheinliga zwischen dem SV Bergisch Gladbach 09 und dem SC Germania Erftstadt-Lechenich war. Es zeigte aber auch, wie unterschiedlich die Ziele der beiden Klubs sind. Während die Bergisch Gladbacher einen Rang zwischen eins und fünf anstreben, möglicherweise den Aufstieg in die Regionalliga, geht es für Erftstadt nur um den Klassenerhalt.

Es war kein berauschendes Fest, das die beiden Mannschaften den 174 Zuschauern boten. Klare Chancen auf beiden Seiten waren lange Mangelware. Vieles spielte sich im Mittelfeld ab, vieles war Stückwerk, oft funktionierte der entscheidenden Pass nicht. Nach dem Wechsel wurde es etwas besser. Die Pause war gerade wenige Sekunden vorbei, da schlugen die Gäste durch Pascal Schiffer nach einer Unachtsamkeit in der 09-Defensive eiskalt und mit ihrer ersten Möglichkeit zu (46.).

Die Bergisch Gladbacher reagierten umgehend mit einer Angriffswelle — zunächst unüberlegt und ungestüm. Mit der Einwechselung von Mohamed El Tahiri kam schließlich mehr Gefahr ins Spiel. Deshalb war es auch logisch, dass dem Neuzugang das 1:1 gelang (71.). Danach passierte nicht mehr viel. Bis zum Schlusspfiff. Bis zur unterschiedlichen Interpretation des Resultats.

Wie kann man den Auftakt aus neutraler Sicht also einordnen?

Die Moral stimmt. Auch von dem schlechten Start in die zweite Halbzeit mit dem bitteren Rückstand haben sich die Bergisch Gladbacher nicht aus dem Konzept bringen lassen. Beinahe wütend, manchmal überhastet bestürmten sie das Erftstädter Tor — erst spät mit Erfolg.

Die Chancenverwertung ist durchaus noch verbesserungswürdig. Lucas Musculus und Metin Kizil hatten einige Möglichkeiten, vergaben diese aber. Außerdem haben die Standardsituationen praktisch keine Gefahr erzeugt — weder Ecken, noch einer der zahlreichen Freistöße in Strafraumnähe. Und — abseits des Spielgeschehens — weiterhin ein echtes Manko ist die gesperrte Tribüne. Gerade bei schlechtem Wetter macht Fußballgucken auf der Stehgeraden keinen Spaß. Dafür ist der Rasen in überragendem Zustand, und das ist für diesen Sport ja viel wichtiger als ein überdachtes Stadion.

Die Sommer-Verpflichtungen agierten mit Licht und Schatten. Besonders die erhofften Führungsspieler Lucas Musculus und Jonas Hergesell konnten noch nicht restlos überzeugen. Der Einsatz stimmte zwar, aber der Ertrag war übersichtlich. Immerhin traf der eingewechselte Mohamed El Tahiri zum wichtigen 1:1.

Eindeutig Celal Kanli. Der Angreifer war in der Offensive einer der wenigen echten Aktivposten. Zudem arbeitete Kanli immer wieder gut nach hinten mit — nach 70 Minuten unter Beifall ausgewechselt. Im Vergleich zur Vorsaison hat der junge Türke einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht.

Erft-stadts Trainer Paul Esser feierte den Punkt fast wie einen Sieg: „Das ist ein toller Auftakt für uns. Die Mannschaft hat hervorragend gekämpft und auch ordentlich gespielt. Deshalb geht das Unentschieden meiner Meinung nach in Ordnung.” 09-Trainer Dietmar Schacht sah bei seiner Analyse weniger glücklich aus: „Nach dem Rückstand müssen wir froh sein, wenigstens noch ein Unentschieden geholt haben. Wir hatten uns mehr ausgerechnet, aber heute hat es eben nicht gereicht. Ich kann meiner Mannschaft keinen großen Vorwurf machen. Aber es gibt sicher noch Luft nach oben.”

Mal wieder kein Start nach Maß. Mal wieder eine Enttäuschung gegen Angstgegner SC Germania Erftstadt-Lechenich — wie schon zweimal in der vergangenen Saison. In dieser Form werden es die Bergisch Gladbacher schwer haben, eine Top-Platzierung zu erreichen. Aber — und das macht Hoffnung — es ist gerade mal ein Spieltag vorbei. Aber — und das mindert die Hoffnung — ein unglücklicher Auftakt kann eine ganze Saison negativ beeinflussen.