2024-04-25T14:35:39.956Z

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Josef Cinar, zwischen 2008 und 2011 für Eintracht Trier am Ball, lebt in einer überwachten Wohnsiedlung etwas außerhalb der türkischen Stadt Gaziantep . Foto: privat
Josef Cinar, zwischen 2008 und 2011 für Eintracht Trier am Ball, lebt in einer überwachten Wohnsiedlung etwas außerhalb der türkischen Stadt Gaziantep . Foto: privat

Ein Fußballer-Leben im Schatten des Terrors

Josef Cinar, Ex-Akteur von Eintracht Trier, spürt im Südosten der Türkei Auswirkungen des Syrienkonflikts

Im Syrienkonflikt gibt es täglich neue Absichtserklärungen, Drohungen und schockierende Bilder. Josef Cinar, Ex-Kapitän von Eintracht Trier, spielt unweit der umkämpften syrischen Grenzstadt Kobane Fußball – beim türkischen Zweitligisten Gaziantep BB. Sicher fühlt er sich nicht. Die Türkei steht für ihn vor einer Zerreißprobe.

Hochhäuser prägen das Stadtbild. Ein Meer von mehrstöckigen Gebäuden inmitten einer kargen Landschaft. Gaziantep, mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die sechstgrößte Stadt der Türkei, hat aber auch grüne Seiten. Im Zentrum. Dort, wo es Hotels internationaler Ketten und große Einkaufszentren gibt. Die Metropole in Südostanatolien ist eine der am schnellsten wachsenden Industriestädte des Landes. Ein sogenannter „anatolischer Tiger“.

Seit einigen Wochen ist Gaziantep die Wahlheimat von Josef Cinar. Der 30-jährige Fußballer spielt nach seinem Wechsel vom Erstligisten Kayseri Erciyesspor beim Zweitligisten Gaziantep BB. Zwischen 2008 und 2011 trug er das Trikot des Regionalligisten Eintracht Trier.

„Es ist deutlich schöner und interessanter hier als in Kayseri“, sagt Cinar zum Trierischen Volksfreund. Mit seiner Frau lebt er in einer überwachten Wohnsiedlung etwas außerhalb des Stadtzentrums. Bei seinem neuen Verein läuft es für ihn sportlich nicht schlecht. Er hat das Zeug zum Stammspieler.

Dennoch beschleicht den gebürtigen Bremer im Alltag ein mulmiges Gefühl. Gaziantep liegt gerade einmal 115 Kilometer von der syrischen Grenzstadt Kobane entfernt, in der sich zurzeit die Kämpfe zwischen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und den Kurden zuspitzen. Cinar: „Man hat im Hinterkopf, dass sich der Konflikt vor der Tür abspielt. Ehrlich gesagt fühlen wir uns nicht so sicher, weil die Lage ungewiss ist. Dass Menschen in der näheren Umgebung durch Anschläge ums Leben kommen, ist grausam.“

Cinar hat die deutsche Staatsbürgerschaft – und er ist Aramäer. Heute leben die meisten Christen dieser Völkergruppe im Irak, in Syrien, im Libanon und in der Türkei. Die Entwicklungen des Syrienkonflikts verfolgt Cinar vor allem über die Medien. Den Berichten zufolge ist Gaziantep für verschiedene Interessengruppen ein strategisch wichtiges Pflaster. Von der Stadt aus arbeitet eine Art syrisches Schattenkabinett für den Fall, dass der syrische Diktator Baschar al-Assad eines Tages abdankt. Andererseits sollen in Krankenhäusern der Stadt IS-Kämpfer behandelt werden. Gleichzeitig sind unweit der Stadt Patriot-Raketen der Nato stationiert.

Im Kleinen werde so die ambivalente Haltung des Landes deutlich, schlussfolgert Cinar: „Es spielt der Türkei in die Karten, dass sich die IS-Terroristen um die Bekämpfung der Kurden kümmern und gleichzeitig dazu beitragen, dass der Staatsfeind Baschar al-Assad in Syrien vielleicht stürzt. Aufgrund dessen erscheint es mir sehr schwer zu glauben, dass die Türkei alles dafür tut, um zu helfen, den IS zu stoppen.“
Aufgrund der Grenzlage sind zuletzt viele Syrer – betuchte Geschäftsleute und Flüchtlinge – nach Gaziantep und ins Umland gekommen. Reiche aus dem türkischen Nachbarland haben ihr Geld über die Grenze gerettet und stecken es in Immobilien. Die Folge: große Preissteigerungen. „Die Mietkosten sind extrem. Mitspieler haben mir berichtet, dass sich ihre Miete in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt hat. An jeder Ecke wird gebaut. Die Stadt wird noch mal extrem wachsen“, berichtet Cinar.

Er beobachtet eine große Zahl syrischer Autos auf den Straßen: „Es gibt ziemlich viele Polizeikontrollen. Wir sind auch schon einigen Flüchtlingen begegnet. Die Angst in ihren Augen und der Zustand, in dem sie sich befanden, waren erschreckend.“ Er sehnt ein Ende des Mordens der IS-Milizen herbei: „Ich hoffe sehr, dass sich die Weltpolitik zusammenreißt und sich geschlossen gegen diese Unmenschen stellt. Es sind schon zu viele Unschuldige gestorben.“

Aufrufe: 017.10.2014, 13:27 Uhr
Mirko BlahakAutor