2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Es kostet nur ein Lächeln. Im Frühjahr hatte sich Lukas Hohenberger (links) registriert, im November war er in einer Nürnberger Klinik zur Stammzellenspende. Volltreffer! Noch mehr als über einen Torerfolg freut sich Daniel Neff (rechts), dass die Empfängerin seiner Stammzellenspende mittlerweile als geheilt gilt.	F.: privat/Marcus Merk
Es kostet nur ein Lächeln. Im Frühjahr hatte sich Lukas Hohenberger (links) registriert, im November war er in einer Nürnberger Klinik zur Stammzellenspende. Volltreffer! Noch mehr als über einen Torerfolg freut sich Daniel Neff (rechts), dass die Empfängerin seiner Stammzellenspende mittlerweile als geheilt gilt. F.: privat/Marcus Merk

Diese Chance muss man nutzen!

Daniel Neff und Lukas Hohenberger haben Stammzellen gespendet +++ Sie erzählen, wie das abgelaufen ist, was sie dabei empfunden haben und warum sie es jederzeit wieder machen würden

Alle 15 Minuten erhält in Deutschland ein Patient die Diagnose Blutkrebs. Rund 12.500 Menschen erkranken jährlich, warten auf eine Stammzellenspende. Mehr als eine Million Menschen haben sich 2016 als Stammzellenspender typisieren und registrieren lassen. In Deutschland waren es laut der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) rund 670.000. Zwei davon sind Daniel Neff, Betriebswirtschafts-Student aus Zusmarshausen, und Lukas Hohenberger, Account Director in einer Werbeagentur, aus Gersthofen. Die beiden Fußballer kennen sich aus gemeinsamen Zeiten beim TSV Zusmarshausen, mit dem sie in die Bezirksliga aufgestiegen sind. Hohenberger spielt mittlerweile für den SV Cosmos Aystetten.

Normal tretet ihr als Fußballer für Zusmarshausen oder Aystetten an. Ihr seid aber auch zur Stammzellenspende angetreten. Wie ist es dazu gekommen?

Neff: Zunächst einmal muss man sich typisieren lassen. Wir haben das 2009 während der Schulzeit am Gymnasium Wertingen gemacht. Auch ich, der solchen Dingen eigentlich sehr misstrauisch gegenüber steht, habe mir Blut abnehmen lassen.

Hohenberger: Ich habe mich im Frühjahr 2016 online registriert. Man bekommt dann ein Set mit zwei Wattestäbchen zugesandt, die man durch den Mund zieht und wieder zurückschickt. Zwei Minuten, die Leben retten. Das ist weder ein zeitlicher noch ein finanzieller Aufwand.

Wie und wann habt Ihr erfahren, dass Ihr als Spender in Frage kommt?

Neff: Zwei Jahre später hatte ich einen Brief im Briefkasten, ich solle mich melden und näher untersuchen lassen. Ich war ziemlich perplex.

Hohenberger: Bei mir ging es eigentlich brutal schnell. Im August, also nur ein paar Monate später, bekam ich einen Anruf, dass man jemand gefunden hat, für den ich in Frage kommen könnte. Ich sollte mir bei meinem Hausarzt nochmals Blut abnehmen lassen.

Wie wahrscheinlich ist das überhaupt, dass man als Stammzellenspender ermittelt wird?

Neff: Sehr gering. Aus unserem Jahrgang waren es drei. Darunter mit Philipp Anderer, der beim SC Biberbach spielt, übrigens ein weiterer Fußballer.

Wie ging es dann weiter?

Neff: Zweimal bin ich noch nach Ulm zur Blutentnahme gefahren. Den Ort durfte ich mir aussuchen. Eine Woche vor der Spende fand dann eine umfangreiche Untersuchung statt. Ich wurde auf Herz und Nieren abgecheckt, musste auch umfangreiche Fragebögen zu Hobbys und Reisen ausfüllen.

Hohenberger: Ich musste nach Nürnberg. Dort wurden Voruntersuchungen durchgeführt, um irgendwelche Krankheiten auszuschließen. Es war nichts dabei, was weh tut. Die Spende musste dann aber um zweieinhalb Monate verschoben werden, weil mein Patient einen Rückfall erlitten hatte.

Sind weitere Vorbereitungen zu treffen?

Hohenberger: Ja. Vier Tage vorher spritzt man sich selbst ein Mittel in den Bauch. Dadurch wird die Konzentration der Stammzellen erhöht.

Fühlt man da etwas?

Hohenberger: Es hat sich angefühlt, wie die Symptome einer leichten Grippe, weil ja das Immunsystem auf Hochtouren fährt.

Neff: Bei mir war es nur ein leichtes Druckgefühl im Kopf.

Hohenberger: Ich habe mich schon etwas matschig gefühlt. Außerdem darf man keinen Kontaktsport betreiben, weil sich die Milz durch das Mittel vergrößert.

Und dann geht es los?

Hohenberger: Ja, dann geht es sogar sehr schnell.

Neff: Mit Hochdruck. Da ist logistisch dann alles durchgetaktet.

Hohenberger: Innerhalb von 72 Stunden muss der Patient nämlich die Stammzellenspende bekommen.

Wird es einem da nicht mulmig?

Neff: Also meine größte Angst war, dass ich in der Woche vorher eine Grippe bekomme. Dann kann man nämlich nicht spenden und alles wäre umsonst gewesen.

Hohenberger: Manchen anscheinend schon. Die Dame vom Krankenhaus hat mir erzählt, dass sich potenzielle Spender am Telefon oft nicht mehr melden, weil sie dann im letzten Moment zaudern.

Neff: Das verstehe ich nicht. Ich kann nur wiederholen: Es tut nicht weh und schadet nicht.

Wie läuft dann die eigentliche Stammzellenspende ab? Viele glauben, dass aus der Wirbelsäule Knochenmark entnommen wird.

Hohenberger: Das denken alle. Aber das ist nur bei 20 Prozent der Fall. Und auch da wird seitlich am Beckenknochen entnommen.

Neff: Ich war für fünf Stunden im Krankenhaus. Durch zwei Nadeln am linken und rechten Arm wurden Blut entnommen und die Stammzellen herausgefiltert. Dabei durfte ich mich nicht bewegen. Aber die Versorgung war optimal. Als ich Hunger bekam, hat mich eine Schwester mit einer Butterbreze gefüttert. (lacht) Das fand ich dann doch etwas übertrieben.

Hohenberger: Ich war in Nürnberg im Krankenhaus. Meine Freundin war dabei und hat Händchen gehalten. Es war wie bei der Dialyse. Danach war ich allerdings mit dem Kreislauf ziemlich am Ende.

Neff: Als ich im Sessel gelegen bin, wurde alles ganz schwer. Aber hinterher fühlte ich mich gut. Ich war nur ein bisschen schlapp.

Hohenberger: Durftest Du eigentlich Auto fahren?

Neff: Ja. Ich musste allerdings noch eine Stunde warten, bis ich nach Hause fahren durfte.

Wisst Ihr eigentlich, wem Ihr gespendet habt?

Hohenberger: Ich weiß, dass es sich um einen 62-jährigen Mann aus den USA handelt. Nach drei bis sechs Monaten erhält man einen Zwischenstand von der DKMS. Viele Spendenempfänger sterben aber, weil ihre Krankheit so schwer ist.

Neff: In meinem Fall ist es gut gegangen. Bei mir handelt es sich um eine zweifache Mutter aus Griechenland. Mehr Informationen habe ich anfangs nicht erhalten. Vor zwei Monaten habe ich erfahren, dass sie meine Stammzellen gut angenommen hat und sie mittlerweile als geheilt angesehen werden kann. Das war wahnsinnig ergreifend für mich!

Würdet Ihr Eure genetischen Zwillinge gerne kennenlernen?

Neff: Ja. Es würde mich brennend interessieren. Speziell in Griechenland sind die Bestimmungen aber sehr streng.

Hohenberger: Natürlich. Wenn nach zwei Jahren die Kontaktsperre wegfällt, werde ich schon einmal versuchen, Kontakt aufzunehmen. Vielleicht lädt er mich ja in die USA ein (lacht). Ich bin auch für diesen Patienten reserviert, falls nochmals eine Spende notwendig sein sollte.

Habt Ihr Euch vorher über die Stammzellenspende unterhalten?

Hohenberger: Klar hab ich Daniel angerufen, als ich die Nachricht bekam, Spender zu sein. Wir haben dann Erfahrungen ausgetauscht.

Neff: Ich hab zu Lukas gesagt: ’Mach’s!’ Mir hat es definitiv ganz viel gegeben. Im März war ich im Rahmen einer Aktion der DKMS wieder am Gymnasium in Wertingen und habe einen Vortrag gehalten. Daraufhin haben sich fast alle in der Klasse registrieren lassen.

Würdet Ihr es wieder machen?

Neff: Definitiv! Ohne zu zögern. Wenn man irgendjemand ein Leid ersparen kann, ...

Hohenberger: Auf jeden Fall! Wenn man die Chance bekommt, ein Leben zu retten, sollte man sie nutzen. Die Relation ist so gering, dass sich ein geeigneter Spender findet. Die Wahrscheinlichkeit ist 1:10.000. Immer noch findet jeder siebte Blutkrebs-Patient keinen passenden Spender.

Neff: Es ist ein geringer Aufwand, physisch und psychisch keine Belastung. Man muss nur ein bisschen Zeit investieren.

Hohenberger: Man sieht hinterher alles anders. Was wirklich wichtig ist. Viele Leute, die davon erfahren haben, meinten ’cool dass Du das machst. Da muss ich mich jetzt auch mal registrieren lassen.‘“ Wenn dadurch neue Spender ermittelt werden können, hat sich die Sache doppelt rentiert.

Aufrufe: 01.1.2017, 07:01 Uhr
Augsburger Landbote / Oliver ReiserAutor