Eleftherios Burgutzidis hält für den Journalisten gerade eine kleine Geschichtsstunde am Spielfeldrand, er erzählt von den Thrakern, von den Athenern, von den Makedonen, da spielt Marios Tzogou mitten in den Perserkriegen unbedrängt den Ball seinem Gegenspieler in den Fuß. Das wäre grundsätzlich nicht so schlimm, wäre Marios Tzogou nicht Torwart von Megas Alexandros und Baran Güvenc nicht der Mittelstürmer des Türkischen SV Gostenhof. Geschichtslehrer Burgutzidis hält die Luft an, als Güvenc allein auf Tzogou zuläuft, die Perserkriege müssen jetzt warten, wie auch die komplette Mannschaft von Megas Alexandros schlagartig wie von einem Blitz aus der griechischen Mythologie getroffen wie versteinert wirkt. Nur Tzogou, orangenes Trikot, schwarze Stutzen, nicht größer als 1,70 Meter, wirbelt mit beeindruckender Spritzigkeit aus seinem Kasten heraus, verkürzt den Winkel, pariert den Schuss von Baran Güvenc und wenige Sekunden später auch noch den Abstauber von Yalcin Ertas. Dann, diesmal mit beeindruckender Lässigkeit, hebt Tzogou nur kurz entschuldigend die Hand. Weiter geht’s mit Eckball für Gostenhof und den Perserkriegen.
Die Geschichtsstunde ist wichtig, will man verstehen, was hinter Megas Alexandros steht. Also, dem Fußball-Verein. 2014 erst hat er sich gegründet, weil, wie Eleftherios Burgutzidis sagt, „das mit Elektra nicht mehr so gelaufen ist“. Elektra, auch dafür muss man die Geschichte kennen, war einerseits die Tochter des Königs Agamemnon von Mykene. Andererseits heißt so ein weiterer Nürnberger Fußballverein, dem sich die Macher von Megas Alexandros zunächst angeschlossen hatten. „Wir waren uns damals nicht sicher, ob wir das schaffen würden mit einem eigenen Verein“, sagt Burgutzidis. Er entstammt wiederum der sagenhaften Geschichte des Griechischen FV Zeus, der sich 2009 in Luft aufgelöst hatte. „Es war einfach an der Zeit, wieder einen eigenständigen griechischen Fußballklub zu gründen“, sagt Burgutzidis. Querelen mit dem SSV Elektra sorgten zwangsläufig bald dafür, diese Idee entgegen aller Bedenken dann doch schon 2014 umzusetzen. In einer Abstimmung entschied sich die neue Vorstandschaft für den Vereinsnamen Megas Alexandros, also: Alexander der Große. Einfach, wie Eleftherios Burgutzidis sagt, „weil Hellas ja doch noch irgendwie nach Dreck am Stecken klingt.“
Damit soll der neue Verein nichts mehr zu tun haben, im Gegenteil: Rund 150 Mitglieder haben sie schon, 95 Prozent davon sind Griechen. Megas Alexandros hat eine E-, eine C- und eine B-Jugend, Burgutzidis selbst läuft für die Alten Herren auf. Die Gründungskrankheiten sind nun abgelegt, etwa, als ein paar Mitstreiter plötzlich doch lieber Elektra die Treue hielten. Burgutzidis und seine Freunde mussten Plakate in griechischen Cafés in Nürnberg aushängen, um eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine zu stellen. Darauf meldeten sich so viele Spieler, dass Megas Alexandros gleich zwei Mannschaften in der B-Klasse meldete. „Da waren wir clever und haben einfach die mit den besseren Spielern unterstützt, die drauf und dran war aufzusteigen.“ Gerade gegründet, stieg einen Spieltag vor Saisonschluss Megas Alexandros II somit tatsächlich auf – „es war schon ein kleines Wunder“, sagt Burgutzidis.
Das Wunder stützt sich aber nicht auf Riesen, Zauberer und die Götter des Olymp, sondern auf sehr irdische Arbeit - die von Trainer Vasilios Murgelas und Nikos Georgiadis. „Sie haben aus dem Haufen eine Mannschaft geformt, auch ein paar Chaoten entfernt.“ Megas Alexandros ist bis heute ohne Pflichtspielniederlage - das heißt, nun ja, beim TSV 1846 waren sie vergangene Saison nicht angetreten. Auf dem Feld, sagt Burgutzidis, heißen die Säulen Marios Tzogou, der schon in der vierten Liga in Griechenland zwischen den Pfosten stand, Trainer-Sohn Pashalis Georgiadis, der optisch an Angelos Charisteas erinnert, nicht nur bei zwei, drei vergebenen Großchancen an diesem Tag, und Kämpfer Emannuel Kotidis. „Man hat uns die Nervosität heute angemerkt“, sagt Kostas Nasiakos, der Co-Trainer, nach Abpfiff gegen Gostenhof. Nur Torjäger Petrut Calin ließ das mit der Aufregung um das erste A-Klassenspiel der Vereinsgeschichte kalt - er erzielte das 1:2 und den 2:2-Endstand. Bourgutzidis hatte seinen Streifzug durch die griechische Geschichte da längst beendet. Sie sind ja längst dabei, ihre eigene zu schreiben.