2024-05-02T16:12:49.858Z

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F: Paasch
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Der letzte Schuss sitzt

Carsten Müller vom MTSV Selsingen zeigt sein Können an der ZDF-Sportstudio-Torwand

Mainz. Die Aufregung steigt. Carsten Müller tippelt mit seinem rechten Fuß auf den Studioboden, reibt sich die Hände, atmet einmal tief durch. "Wir kommen nun zum Torwandschießen", kündigt Moderator Sven Voss an. Es ist nicht irgendeine Torwand an irgendeinem Dorf-Sportplatz. Es ist die legendäre Torwand, die im Aktuellen Sportstudio vom ZDF. Und Carsten Müller, Offensivspieler vom Rotenburger Kreisligisten MTSV Selsingen, bekommt gleich sechs Versuche, drei unten, drei oben - beobachtet von rund 100 Studiogästen, unzähligen Kameras und einem Millionenpublikum an den Fernsehgeräten.

Es ist Samstagabend, 23.30 Uhr. Und während die Fernsehzuschauer gerade noch die Zusammenfassung des Spiels Bayern München gegen FC Augsburg verfolgen, geht für Carsten Müller ein Traum in Erfüllung. Im Duell mit Max Eberl, Manager von Borussia Mönchengladbach, tritt der 25-jährige Selsinger an Deutschlands bekanntester Torwand an. Unzählige Stars haben sich an ihr schon versucht, nur wenige haben sie bezwungen. Günter Netzer und Rudi Völler etwa, die einst fünf von sechs Schüssen verwandelt haben. Franz Beckenbauer hat mit einem Schuss von einem Weißbierglas ins untere Loch Fernsehgeschichte geschrieben, ebenso Nationalspielerin Fatmire Alushi (früher Bajramaj), die zwei Treffer in Pumps mit Sieben-Zentimeter-Absätzen erzielt hat.

Plötzlich nicht mehr unbekannt

Und nun steht dort Carsten Müller. Nicht Gerd Müller, nicht Thomas Müller und auch nicht Nikolai Müller - alles
klangvolle Namen, die jedem Fußballfan etwas sagen. Carsten Müller kennen außerhalb eines 50-Kilometer-Umkreises von Selsingen nur die wenigsten. Das ändert sich in diesem Moment. Nun kennt man ihn deutschlandweit, in Österreich und in der Schweiz. Millionenfach. "Da wird einem schon anders, wenn man sich das bewusst macht", sagt der Student.

Es geht los. Moderator Voss bittet Müller auf die Bühne. Kurzes Händeschütteln, ein Schulterklopfer von Ex-Profi Eberl, ein kurzes Statement von Werder-Fan Müller zum Pizarro-Wechsel, dann geht's ins Eingemachte. Eberl darf als erstes ran, legt einen Treffer ins untere Loch vor. Dann gibt es kein Zurück mehr. Gekleidet in Jeans, rotem MTSV-Selingen-Shirt und Turnschuhen nimmt Müller, der Mann aus dem 3415-Leute-Dorf, seinen ersten Anlauf auf die Torwand, schießt und trifft nur die schwarz-lackierte Spanplatte mit dem aufgemalten neongrünen Netz. Der zweite Versuch landet gar komplett neben der Torwand. Zu viel Druck? "Ich war total nervös. Bei den ersten Schüssen war ich nur froh, dass ich mich irgendwie auf den Beinen gehalten habe. Das kann man nicht trainieren - die Kameras, die vielen Scheinwerfer, der Bundesliga-Manager neben dir", sagt der Schütze im Anschluss.

Historisches Tor im Gemeindederby

Dass Müller sich überhaupt einmal an der ZDF-Torwand probieren darf, damit hat er selbst nie im Leben gerechnet: "Ich hatte mal vor, mich mit einem Kunstschuss zu bewerben, habe es aber nie gemacht. Dass ich jetzt an die Torwand darf, ist sensationell. Das hätte ich nie erwartet", sagte er eine Woche vor der Sendung. Und vielleicht geht ihm jetzt, in diesem Moment, in dem er tatsächlich auf die beiden auf einmal winzig wirkenden Löcher schießt, dieser eine Spielzug durch den Kopf.

Der Spielzug im Selsinger Samtgemeindederby gegen den FC Ostereistedt/Rhade, bei dem sein Team das Spielgeschehen schön von der linken auf die rechte Seite verlagert hat, Müllers Mannschaftskamerad Matthias Augustin sich dann gegen seinen Gegenspieler behaupten konnte und von der rechten Außenbahn eine butterweiche Flanke in den Fünf-Meter-Raum geschlagen hat.

Jener Spielzug, den Müller selbst dann per Kopfball über Ostereistedt/Rhades Torwart Lars Neugebauer hinweg vollendet hat. Ein entscheidener Spielzug, einer, der nicht nur den Sieg im Prestigeduell eingebracht hat, sondern einer, der Müller die Chance auf das Duell mit Eberl und der Torwand erst ermöglicht hat.

“Nominierung war eine Überraschung”

Von FuPa Lüneburg, dem AmateurfußballInternetportal von NORDSEE-ZEITUNG, TAGEBLATT, Zevener Zeitung, Bremervörder Zeitung und Cuxhavener Nachrichten/Niederlebe-Zeitung, auf Video festgehalten, war Müllers Treffer beim nationalen Videoportal FuPa Hartplatzhelden zum Tor der Woche nominiert worden. In der deutschlandweiten Abstimmung konnte er sich mit deutlichem Vorsprung gegen vier äußerst sehenswerte Tore durchsetzen. "Dass das Tor zur Wahl stand, war für mich schon eine Überraschung", gesteht der Torschütze.

Ein Tor, bei dem einem der Atem stockt, war sein Treffer nicht. Es war ein Mannschaftsprodukt, an dem viele ihren Anteil haben. Müller weiß das, sagt, dass seine Mannschaft ihn an die Torwand gebracht hat, aber verwerten musste er den Ball damals, am 30. August, selbst. "Das war nicht einfach, den Ball genau so zu treffen. Schön, dass es geklappt hat."

Lob von der Experten-Jury

Der Meinung war auch eine dreiköpfige Experten-Jury um TV-Kommentator Marcel Reif, die den Treffer des Selsingers in den höchsten Tönen gelobt hat und diesem in der finalen Entscheidung einstimmig den Vorzug gegen ein anderes "Tor der Woche" gaben: "Ich will nicht übertreiben, aber der Mix aus bodenständiger Teamarbeit, intelligenter Spielverlagerung und unglaublicher Kopfballtechnik beim Müller-Treffer
ist so traumhaft, dass manch ein Zeitungsmacher allein mit diesem Tor ein komplettes Hochglanzmagazin
füllen könnte. Auch die ganz große Fußballschule: Den Ball so gekonnt in Schräglage einzunicken – etliche Zweitligastürmer hätten den Ball an der Stelle wohl ins Fangnetz geklärt. Kurzum: Da passt einfach alles", lobte etwa Benny Semmler vom Fußballblog Blog trifft Ball Müllers Tor.

Nun also Sportstudio, ZDF, ganz große Fernsehunterhaltung. Dabei wäre Carsten Müllers Abenteuer beinahe schon in Bremen beendet gewesen. Der Zug, der ihn und seinen Vater nach Mainz bringen sollte, wo die Sendung aufgezeichnet wird, hatte 80 Minuten Verspätung. Die Uhr lief gegen den Selsinger, doch letztendlich klappte alles. Zeit zum Durchschnaufen blieb dem 25Jährigen, am Ziel angekommen, allerdings nicht. Kurz ein
neues T-Shirt angezogen, dann ging es auch schon Richtung Studiokomplex am Lerchenberg. Begrüßung,
einen Happen Essen, ein paar Probeschüsse auf die Torwand in einem Nebenstudio, in die Maske, Verkabelung mit dem Mikrofon, Einweisungen - Die Zeit vor der Sendung war eingeteilt in Fünf-Minuten-Häppchen. Für den Schützen blieb keine Gelegenheit, über seine Situation nachzudenken.

Gänsehaut und Nervosität

Stattdessen Gänsehaut und stetig ansteigende Nervosität. Die Aufzeichnung der Sendung vergeht wie im Flug: Sie ist bis ins kleinste Detail durchgetaktet. Wo steht der Moderator zu welcher Zeit, wie lange dauert ein Beitrag, wann sollte das Publikum vom Aufnahmeleiter zum Klatschen animiert werden. Große Fernsehunterhaltung ist kein Zufallsgeschäft. Und mittendrin: Der "Selsinger Jung", zurückhaltend und bescheiden. "Ich hoffe, ich treffe wenigstens einen", sagt er, kurz bevor er von Moderator Svenn Voss vorgestellt wird und sich den ersten Fernsehapplaus seines Lebens abholt.

Carsten Müller an der Torwand: Hier geht's zum ZDF-Video

Diesen Traum erfüllt er sich. "Nach dem Schuss neben die Torwand habe ich mir gedacht: Bleib locker, du hast hier nichts zu verlieren." Das klappt. Die nächsten Schüsse werden besser, zielgenauer. Gladbach-Manager Eberl trifft auch ins obere Loch, Müller versucht es einmal, nicht getroffen, ein zweites Mal, wieder nicht getroffen, dann der kurze knackige Anlauf zum allerletzten Schuss. Ein Schuss wie ein Strich genau ins Loch, genau ins persönliche Glück. Das Duell gegen Eberl verliert Müller zwar, das gegen seinen eigenen
Anspruch gewinnt er und erfüllt sich damit einen Traum. Von diesem Auftritt wird er in ferner Zukunft noch seinen Enkelkindern erzählen können.

Einen Tag später, mit wenig Schlaf und einer fünfstündigen Zugfahrt in den Knochen, kommt der frischgebackene Torwand-Torschütze gerade noch rechtzeitig beim Spiel seines MTSV Selsingen gegen den FC Alfstedt/Ebersdorf an. Liga-Alltag nach der Fernsehgala. Müller wird zur Pause eingewechselt, erzielt selbst ein Tor, bereitet ein weiteres vor und sorgt so für den 3:1-Sieg seiner Mannschaft. Egal, ob ihm ein Millionenpublikum an den TV-Geräten oder nur ein paar hundert Zuschauer am Sportplatz zuschauen: Wenn es ums Toreschießen geht, ist auf Müller Verlass.

Müllers Tor wurde von der FuPa-Lüneburg-Redaktion mit dem neuen Video-Liveticker FuPa.tv aufgezeichnet. Seit kurzem können auch Vereine das Set aus Kamera, Stativ und Zusatzakku kaufen und die Spiele ihrer Mannschaften selbst filmen und so ihren Spielern auch die Chance auf dieses einmalige Erlebnis sichern, denn alle zwei Wochen schicken die Fupa Hartplatzhelden den Schützen eines besonders schönen Tores an die Torwand. Informationen zu FuPa.tv und zur Kamera gibt es hier: Alles zur Kamera und zu FuPa.tv

Aufrufe: 015.9.2015, 00:27 Uhr
Dennis PaaschAutor