2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Fin Bartels bei einem Auswärtsspiel der Kieler Störche am Hamburger Millerntor. Für die „Kiez-Kicker“ schnürte der gebürtige Kieler später auch noch die Schuhe.
Fin Bartels bei einem Auswärtsspiel der Kieler Störche am Hamburger Millerntor. Für die „Kiez-Kicker“ schnürte der gebürtige Kieler später auch noch die Schuhe.

Bartels: "Rückkehr zu Holstein Kiel nie ausgeschlossen"

Werder Bremens Fin Bartels im Interview

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Der gebürtige Kieler Fin Bartels, Fußballprofi beim Erstligisten SV Werder Bremen, gilt in der Landeshauptstadt für zahlreiche Talente als großes Vorbild. Der Offensivspieler begann seine Laufbahn als kleiner Kicker beim TSV Russee und der SpVg Eidertal Molfsee, ehe er im Sommer 2002 zu den B-Junioren der KSV Holstein wechselte.

Noch als A-Jugendlicher rückte er in den Profikader des damaligen Trainers Frank Neubarth auf. Am 25. November 2005 debütierte er im Spiel der damals drittklassigen Regionalliga Nord gegen Fortuna Düsseldorf (3:3) in der Ligamannschaft. An seiner Seite standen damals Spielerpersönlichkeiten wie Jan Sandmann, André Breitenreiter, Pavel Dobry, Thorsten Rohwer, Björn Lindemann oder auch Sven Boy.

Von da an war der fußballerische Aufstieg des 1,76 m großen Wirbelwindes nicht mehr aufzuhalten. Wir sprachen mit Fin Bartels über die Anfänge seiner tollen Karriere, seine Erlebnisse im Jugend- und Profibereich der KSV Holstein sowie eine mögliche fußballerische Zukunft im Storchennest.

Fin Bartels im Frühjahr 2004 im Trikot der Kieler A-Jugend.
Fin Bartels im Frühjahr 2004 im Trikot der Kieler A-Jugend.



Fin Bartels, wie gut erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Schritte mit dem runden Leder?
Ich habe eigentlich, sobald ich laufen konnte, jede freie Minute mit dem Ball verbracht. Damals war ich etwa vier Jahre alt und lebte mit meinen Eltern in Russee. Den Fußball und mich, das konnte niemand trennen. Haben Sie auch noch Erinnerungen an Ihre ersten Spiele?
Ich bin in der glücklichen Situation, dass sehr viele meiner Jugendspiele auf Video aufgenommen wurden. Erst kürzlich haben wir uns wieder einige davon angeschaut. Aber auch ohne Aufzeichnungen sind vor allem die großen Jugendturniere in der damaligen Ostseehalle haften geblieben. Das war für uns junge Spieler damals das höchste der Gefühle.

Hatten Sie schon damals ein fußballerisches Vorbild?
Vor allem Michael Ballack, unser damaliger Nationalmannschaftskapitän, hat mir imponiert. Mein Vater hatte allerdings eine Dauerkarte beim HSV. Und er hat mich sehr oft dorthin mitgenommen. Wehren konnte ich mich dagegen als kleiner Junge ja nicht wirklich (lacht). Aber wir haben mit der ganzen Familie in den Ferien auch immer wieder Fußballtouren durch Deutschland gemacht. Mein Vater und mein Bruder sind Köln-Fans, also waren wir häufiger im Müngersdorfer Stadion. Und natürlich auch in den großen Arenen wie in Dortmund. Das war das Größte, eine unglaubliche Atmosphäre. Wir haben uns natürlich etwas abschauen wollen und dann daheim im Hinterhof probiert, die Tricks der Stars nachzumachen.

Wann haben Sie zum ersten Mal von einer Karriere als Profifußballer geträumt?
Irgendwie haben wir das ja damals alle. Unsere Augen waren immer auf die Spiele der Champions League und der Bundesliga gerichtet. Es war vor allem wichtig, mir den Spaß und die Freude am Fußball zu bewahren. Und als ich dann zu Holstein gewechselt bin, da war natürlich der Sprung in die 1. Mannschaft, also zu den Profis, das große Ziel. Dass es wirklich etwas werden könnte mit dem Profigeschäft, das kristallisierte sich dann bei mir so im Alter von 18 Jahren heraus.

Welche Trainer haben Ihre früheste Jugend geprägt?
Sicherlich war das in den ersten sechs Jahren in Russee Bernd Burkhardt, danach Dieter Bollow. Nicht zu vergessen meinen Kreisauswahltrainer Peter Kempcke. Nach dem Wechsel zu Holstein hatte ich dann Jahr für Jahr in den entsprechenden Altersklassen andere Trainer. Ich bin froh, dass ich noch immer guten Kontakt zu fast allen habe.

Sie haben die Max-Planck-Schule besucht, wurde dort Rücksicht auf Ihre fußballerischen Ambitionen genommen?
Es gab hin und wieder für Lehrgänge einen zusätzlichen freien Tag für mich, aber so etwas wie Vormittagstraining kannten wir ja vor 15 Jahren noch nicht wirklich im Jugendbereich. Die Entwicklung der heutigen Nachwuchsförderung befand sich damals noch im Anfangsstadium.

Wie kam Ihr Wechsel 2002 zu Holstein Kiel zustande?
Das war schon damals der vorgezeichnete Weg für gute Fußballer in Kiel, auch wenn der Ruf der KSV damals nicht der allerbeste war. Die Vereine waren immer besorgt, dass ihnen die Talente von Holstein weggeklaut werden würden. Damals gab es noch so etwas wie eine Schwärmerei für kleinere Vereine. Und vor allem bedeutete der Wechsel zu Holstein ja immer auch einen Abschied von Freunden und dem gewohnten Umfeld. Und vor allem das Freizeitverhalten änderte sich als leistungsorientierter Spieler im Storchennest radikal.

Wie haben Sie die Rahmenbedingungen bei Holstein damals empfunden?
Wir haben uns mit den A- und B-Junioren in Projensdorf umgezogen und mussten dann mit VW-Bussen immer zum Elendsredder fahren, um zu trainieren. Oftmals sind wir auch dorthin gelaufen. Bei den Herren war es andersherum, die haben sich im Holstein-Stadion umgezogen und sind mit Bussen nach Projensdorf gefahren. Das war natürlich vor allem im Winter etwas ungemütlich. Die wenigen Plätze, die wir damals dort hatten, besaßen aber schon eine gute Qualität. Darauf wurde sehr viel Wert gelegt.

Wie gelang Ihnen bei Holstein der Sprung in die 1. Mannschaft?
Ein wenig half es mir schon, dass ich bereits nach der 11. Klasse mit der Mittleren Reife die Schule verlassen habe. Seit dem Moment gab es für mich die Gelegenheit, bei den Profis unter Frank Neubarth auch an den Vormittagseinheiten teilzunehmen. Am Nachmittag habe ich dann ganz normal mit der A-Jugend trainiert. Im Winter 2005/06 bin ich dann näher an den Ligakader herangerückt, durfte als 18-Jähriger gegen Fortuna Düsseldorf erstmals im Holstein-Stadion spielen und dann ging es im Januar 2006 auch erstmals mit der Liga ins Trainingslager nach Mallorca. Das war eine sehr aufregende Zeit für mich. Bis dahin hatte ich mit der A-Jugend die Spiele ja immer nur als Zuschauer verfolgt. Und plötzlich durfte ich dann mit gestandenen Spielern Seite an Seite auflaufen. Das hat mich schon sehr beeindruckt, aber auch enorm weitergebracht – als Spieler und Mensch.

Wie konnten Sie den Verlockungen der Jugend, die ja nur selten deckungsgleich mit sportlichen Ambitionen sind, widerstehen?
Das war natürlich manchmal schwierig. Meine Freunde konnten am Wochenende losziehen und sich auch sonst recht frei bewegen. Für mich als fester Bestandteil der A-Junioren oder später der Ligamannschaft galten da ja ganz andere, strengere Regeln. Manchmal war auch ich leichtsinnig, hatte meine große Chance im Fußball noch gar nicht richtig realisiert. Aber dann gab es immer Spieler, so wie André Breitenreiter, die mir das mit der Karrierechance mal in einer ruhigen Minute erklärt haben.

Der Tiefpunkt mit dem Abstieg der 1. Mannschaft in die viertklassige Oberliga Nord 2007 war für Sie zugleich ein Wendepunkt in Ihrer Karriere…
Erst einmal war es ein riesiger Schock für uns alle. Wir sind nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses und trotz einer Super-Rückrunde unter Peter Vollmann abgestiegen. Und nur ein einziges Mal gab es fünf Absteiger aus der Regionalliga Nord – da hat es uns erwischt. Ich wollte Holstein eigentlich nicht verlassen, habe immer die Nähe zu meiner Famile geschätzt. Doch dann kam kurz nach dem Abstieg der Anruf vom damaligen Rostocker Trainer Frank Pagelsdorf, der gerade mit Hansa in die 1. Bundesliga aufgestiegen war. Und dann war mir klar, dass ich diese Chance nutzen musste. Raus aus dem gewohnten Umfeld, weg aus der Heimat, rein ins Abenteuer Bundesliga. Ich habe mich damals richtig entschieden.

Sie haben den Norden nie verlassen, sind in gewisser Weise immer bodenständig geblieben. Erst Hansa Rostock, dann FC St. Pauli und jetzt Werder Bremen…
Es hat einfach immer sehr gut gepasst mit diesen Clubs, so dass sich die Frage gar nicht so richtig stellte. Ich hatte immer klare Vorstellungen und die Angebote entsprachen immer meinen Wünschen. Auch zuletzt bei meiner Vertragsverlängerung war klar, dass ich noch lange in Bremen bleiben möchte.

Wie bewerten Sie Ihr Leben als Profifußballer im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern?
Ohne Frage sind wir Profis unheimlich privilegiert und sicherlich nicht nur deswegen, weil wir gutes Geld verdienen und Teil einer sehr emotionalen Angelegenheit sind. Zwar stehen am Wochenende die Spiele und Auswärtsfahrten sehr im Mittelpunkt, aber unter der Woche kann ich mich über mangelnde Freizeit wahrlich nicht beklagen. Vor allem für mich als zweifachen Familienvater ist es ideal. Insgesamt kann ich sehr gut abschalten, wenn mich Zuhause in Oberneuland nach dem Training Kinderaugen anstrahlen. Auch im Sommer haben wir als Familie aufgrund der langen Sommerpause genug Zeit für Familienurlaub. In diesem Jahr waren es wegen der Euro 2016 sogar sechs Wochen.

Ihr Blick richtet sich auch neun Jahre nach Ihrem Abgang in Kiel immer wieder in Richtung Holstein. Was trauen Sie der KSV mittelfristig zu?
Holstein ist weiter sehr solide aufgestellt und die Anlage in Projensdorf ist, das kann ich sicherlich gut einschätzen, bundesligareif. Der Weg stimmt. Hat man vor zehn Jahren noch auf alternde Ex-Profis aus der Bundesliga gesetzt, so stehen jetzt hungrige Jungs aus den Nachwuchs-Leistungszentren des ganzen Landes im Kader. Außerdem scheint Holstein mit Markus Anfang einen hungrigen Trainer mit Ideen gefunden zu haben. Wichtig ist, dass man in Kiel nicht ungeduldig wird, dann kann es klappen. Und so etwas wie in München 2015 kann es im Fußball immer geben. Ich habe dieses bittere Ende damals mit Freunden auf Mallorca im Fernsehen geschaut. Aber zurückschauen bringt gar nichts, für Holstein und das Potenzial der Störche ist der Weg vorgezeichnet, da bin ich mir ziemlich sicher.

Wie sieht es für Sie und Werder Bremen aus, erneut erleben Sie eine schwere sportliche Situation?
So ein Trainerwechsel wie zuletzt bei uns ist nie schön und das war vor allem menschlich hart. Wir berappeln uns als Team langsam wieder, finden zueinander. Wir haben hier einen tollen Zusammenhalt, sehr familiäre Bedingungen und vor allem Fans, die in Krisen wie eine Wand hinter uns stehen. Ganz Bremen ist Werder, das ist schon etwas ganz Besonderes. Wir sind uns dessen sehr bewusst. Das ist immer auch Verpflichtung für uns, nie nachzulassen.

Mal ehrlich, erleben wir Sie noch einmal im Trikot von Holstein Kiel?
Den Gedanken habe ich im Blick, eine Rückkehr in die Heimat ist nie ausgeschlossen. Es gibt noch Menschen aus meiner Zeit damals, die mir am Herzen liegen. Mit Tim Siedschlag bin ich seit unserer Jugendzeit bei Holstein eng befreundet, und Gerd Lütje hat auch zu meiner Zeit schon unendlich viel für den Verein getan. Wir stehen im Kontakt. Und außerdem habe ich schon zu Sido gesagt, dass er noch ein wenig durchhalten muss. Wir wollen noch einmal zusammen für die Störche kicken. Und damit meine ich nicht nur die Traditions-Elf. Am liebsten natürlich mit der KSV in der 2. Bundesliga!

Abschließend nochmal Hand aufs Herz. Was raten Sie einem jungen Talent, das sich seinen Traum von der Bundesliga erfüllen möchte?
Natürlich müssen Talent und Ehrgeiz vorhanden sein. Aber genauso wichtig ist es, dass man mit Spaß und Freude bei der Sache ist. Glücklich und zufrieden zu sein, das sind Schlüssel für gute Leistungen. Man sollte sich vor allem nicht zu früh zu viel Druck machen. Rückblickend hatte ich sicherlich auch riesiges Glück, dass mich mein Elternhaus stets voll unterstützt hat. Das wäre aber auch so gewesen, wenn ich mich für etwas Anderes als Fußball entschieden hätte.
Aufrufe: 05.1.2017, 10:00 Uhr
SHZAutor