2024-05-10T08:19:16.237Z

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Ludwig Dederichs (l.) und Theo Riegel haben den Fußballverein SSV Merten in die Königsklasse der Amateure geführt. Bild: Schulz
Ludwig Dederichs (l.) und Theo Riegel haben den Fußballverein SSV Merten in die Königsklasse der Amateure geführt. Bild: Schulz

Außenseiter mit Stil

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Der SSV Merten hat es geschafft, in zehn Jahren drei Mal aufzusteigen. In der Mittelrheinliga wollen sich die Bornheimer nun etablieren. Auch, weil ein weiterer Aufstieg finanziell nicht mehr möglich ist.

Bornheim-Merten. Im großen Saal des Vereinsheims sind die hellbraun lackierten Heizkörper kalt. Es ist Januar und frostig, die Heizung ist ausgefallen, für eine Reparatur fehlt das Geld. Keine Spur von einem Fußball-Mäzen wie Dietmar Hopp, der etwa 240 Millionen Euro in die Mannschaft von Hoffenheim investiert hat. Die Verantwortlichen des SSV Merten sitzen in Mänteln in dem rustikal eingerichteten Raum, der mit seiner großen Bar an eine Dorfgaststätte erinnert. „Den Vergleich mit Hoffenheim kann ich mittlerweile nicht mehr hören”, sagt Vereinsvorsitzender Theo Riegel. Ja, die Fußballabteilung ist ungewöhnlich erfolgreich, seit zehn Jahren geht es stetig aufwärts, seit dieser Saison spielt Merten in der Mittelrheinliga, der höchsten Spielklasse für Amateure. Auch Hoffenheim hat ganz unten angefangen und ist rasant immer weiter durch die Spielklassen geklettert, bis die Mannschaft jetzt in der Bundesliga steht.,

Aber in der Mittelrheinliga ist für den SSV Schluss. „Wir wollten aufsteigen, bis wir mit dem Kopp an der Decke kratzen”, sagt Riegel. Das scheint jetzt der Fall zu sein. Sportlich lief die Hinrunde für Merten nicht optimal. Die Mannschaft steht nach 15 Spielen auf einem Abstiegsplatz, hat die meisten Tore der Liga kassiert.

Doch selbst, wenn es sportlich besser laufen würde: Um aus der Mittelrheinliga in die Regionalliga aufsteigen zu dürfen, muss ein Verein unter anderem ein großes Stadion vorweisen. Viele detaillierte Auflagen machen einen Aufstieg für viele Mannschaften unmöglich. Merten, das sich nicht wie manche Ligakonkurrenten auf üppige Zuschüsse von der Stadt verlassen kann, müsste schon einen Mäzen finden, um das nötige Geld in ein Stadion zu investieren. Riegel: „Man bekommt es seitens der Stadt nicht hin, uns zum fußballerischen Aushängeschild zu machen.” Die Sportförderung in Bornheim wird zum Großteil gleichmäßig verteilt.

„Ich würde uns eher mit Freiburg vergleichen, als mit Hoffenheim”, meint Ludwig Dederichs, der Sportliche Leiter des Vereins. „Die haben da lange an einem guten, soliden Aufbau gearbeitet. Jetzt ist der Verein krisenfest.” Dederichs spricht leise und mit sanfter Stimme. Wenn er etwas sagt, sind die anderen ruhig. Mit Riegel bildet er das inoffizielle Führungsduo des Vereins und eine Art Gegensatzpaar. Während Riegel verbal vorprescht: „Warum sollten wir uns nicht auf Dauer in der Mittelrheinliga etablieren”, zügelt Dederichs: „Wir wollen mit den Großen mithalten, aber die Landesliga wäre auch ausreichend.”

„Wir haben einen Stil entwickelt. Frühe Ballverluste erzwingen und dann fix nach vorn.”

Frank Pleimes, Trainer

Doch eins vereint sie und auch die Fans und Spieler: Sie nehmen den Verein ernst. Auf dem Fanschal steht: „Der geilste Club der Welt — SSV Merten”. Nirgendwo klingt Ironie an. Daniel Wittenburg ist einer der beiden Spieler, die seit der Kreisliga in Merten spielen. Wenn er sagt, „mein Herz schlägt für den SSV”, dann guckt er dabei so treuherzig, wie Lukas Podolski wenn er vom 1. FC Köln spricht. Es hätten auch andere Vereine schon versucht, ihn abzuwerben, aber für Wittenburg kam nicht in Frage, vom SSV wegzugehen. Mannschaftskapitän Thomas Geuer ist schon seit der Kindheit beim Verein. Es ist ungewöhnlich, dass ein Spieler, der in der Kreisliga gespielt hat, immer noch gut genug ist, um vier Klassen höher zu spielen. „Man wächst mit der Situation”, sagt Geuer bescheiden. Im Hintergrund schallt eine monotone Stimme aus einem Computer über den frostüberzogenen Kunstrasenplatz, den „Merkur”. Mit diesem Gerät prüft der Trainer in einem Belastungstest, wie leistungsfähig die Fußballer sind. Immer schneller und in kürzeren Abständen müssen sie auf Computer-Kommando eine kurze Distanz sprinten. Moderne Methoden beim kleinen SSV Merten.

Frank Pleimes ist Cheftrainer des SSV und, da sind sich alle einig, hat großen Anteil an dem Erfolg der letzten Jahre. „Pleimes hat ein richtiges System”, sagt Dederichs. Zum Beispiel hat der Trainer vor zehn Jahren in der Kreisliga die Mannschaft mit einer Viererkette aufgestellt. Im Profi-Fußball ist diese Taktik seit fünfzehn Jahren Standard, auf der Kreisebene war Merten damit einsam, aber auch überaus erfolgreich. „Wir spielen richtigen Intensivfußball”, sagt Dederichs begeistert.

„Wir haben einen Stil entwickelt”, so Pleimes selbstbewusst. „Frühe Ballverluste erzwingen und dann fix nach vorn”, beschreibt er das Mertener Erfolgsrezept kurz und klar. Und obwohl der Verein zur Zeit auf einem Abstiegsplatz steht, will er nicht von seinem Konzept lassen. In der letzten Saison kamen die Zuschauer, weil der SSV so schön gespielt hat. Statt also das System zu ändern, baut Pleimes auf die Verstärkung der Mannschaft in der Winterpause. Zum ersten Vorbereitungsspiel für die Rückrunde am Sonntag stehen sieben Neuzugänge im Kader. Mit Rolf Christel Guiè Mien sogar ein ehemaliger Bundesliga-Profi (unter anderem für Freiburg) und Nationalspieler. Er sei zwar 36 Jahre alt und nicht mehr so fit wie Jüngere, aber so Dederichs, „den Fußballverstand sieht man sofort.”

Sieben Neuzugänge in der Winterpause sind einsamer Rekord für den Verein, der immer auf Kontinuität gesetzt hat. Bisher sei die Mannschaft mit jedem Aufstieg ergänzt worden, so Riegel. Bei so vielen Spielern kann aber von Ergänzung nicht mehr gesprochen werden.

Aber was, wenn die runderneuerte Mannschaft die Klasse trotzdem nicht halten kann? „Wenn wir absteigen, wird hier nicht alles zusammenbrechen”, ist Pleimes sicher. Fest steht aber, dass sich beim Gedanken an einen sofortigen Wiederabstieg Sorge auf Riegels sonst sehr zuversichtlichem Gesicht zeigt: „So ein Abstieg führt oft weiter runter als geplant ist.” Der SSV selbst, der Anfang der Achtziger schon einmal bis in die Landesliga aufgestiegen war, stürzte ab 1982 ab und wurde bis in die Kreisliga durchgereicht.

Riegel, Dederichs und Pleimes waren damals schon beim Verein und haben diesen ersten Absturz miterlebt. Pleimes, der aus Rösberg kommt, hat in der Jugend gespielt, Dederichs und Riegel waren neben dem Feld als Jugendtrainer, beziehungsweise Leiter der Jugendabteilung aktiv. Riegel und Dederichs zeigen ein großes, Foto, das im Clubheim hängt. Darauf: Pleimes als Spieler, Dederichs als Betreuer. Riegel hat das Bild gemacht. Es zeigt, wie familiär es zugeht.

Aber es zeigt auch, dass alle drei sich noch gut an den Mertener Absturz erinnern können.

Informationen zum SSV Merten:

Fußball ist zwar die größte Abteilung beim SSV Merten, der Verein bietet aber Breitensport vom Kinderturnen bis zum Seniorentischtennis. Insgesamt hat der Verein rund 700 Mitglieder. Das Kursangebot, etwa in Rückengymnastik, hat außerdem etwa 200 Teilnehmer. Am stärksten wächst die Abteilung Kinderturnen, sie hat derzeit mehr als 220 Mitglieder. In der Fußballabteilung gibt es 342 Mitglieder.


Der SSV Merten ist 1925 gegründet worden, zunächst wurde hier Faustball gespielt, später hat Fußball den Faustball verdrängt und war bis in die 70er Jahre die einzige Sportart. Andere Sportarten kamen bis Ende der 80er Jahre nach und nach hinzu. Eine Zeit lang gab es sogar ein Angebot für Langlauf, das aber schnell wieder eingeschlafen ist.


Vorsitzender ist seit 2001 Theo Riegel. Er ist seit 1982 im Vorstand, zunächst als Leiter der Jugendabteilung, ab 1993 dann als Kassenwart. (ms)

Aufrufe: 010.2.2014, 11:43 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Michael SchulzAutor