„Druck, Druck“, sagt Helmut Rahner. Und seine Spieler halten sich daran, setzen ihre Gegner unter Druck, mit Ball, ohne Ball. Druck, Druck. Rahner muss nicht brüllen. Der garstige Wind trägt seine präzise formulierten Anweisungen auf das Feld. „Wir wollten spielen“, sagt Rahner später. Er meint: Die anderen wollten das zunächst nicht. Die anderen spielen, nein, sie kämpfen für Vorwärts Röslau. Und Rahners Bucher Jungs lernen ihre Grenzen kennen.
„Unsere Gegner nehmen uns ernst und stellen erst einmal am eigenen Sechzehner auf, wenn du da kein Tor machst...“ Dabei macht Buch ein Tor, jeder sieht es, Udo Brehm, der den Ball über die Torlinie genickt hat, Röslaus Torhüter, Helmut Rahner, die im Wind zitternden Zuschauer – sie meinen es jedenfalls zu sehen. Der Linienrichter sieht es jedenfalls nicht, vor dem Wiederbeginn gibt er zu, froh zu sein, 45 Minuten lang auf der Gegenseite auf und ab rennen zu dürfen. Nicht nur der Wind kann in Buch unangenehm sein.
„Druck, Druck – aber ohne Foul.“ Auch das Spiel wird garstig. Anders als von Rahner geplant, kommen die Bucher nicht mehr ganz so oft über die Flügel. Man meint, sehen zu können, wie die Spieler das Denken anfangen, Röslau verengt nicht nur die Räume auf dem Rasen. Sechs seiner ersten sieben Spiele hat der TSV Buch gewonnen, dabei 25 Tore geschossen.
„Wenn du vorne bist, dann weckst du Begehrlichkeiten auch bei uns selbst.“ Und jenseits der Bande. Dann kam das Derby gegen Dergahspor. „Da wollten wir zu viel.“ Endstand: 0:3.
Gegen Röslau wollen sie auch viel, lassen aber wenig zu. Plötzlich liegt Udo Brehm im Strafraum, gestikuliert, steht wieder auf, wird erneut gefoult, das Spiel aber wird wieder nicht unterbrochen. Erst als der Torhüter eingreift, zögert der Schiedsrichter, fragt beim erleichterten Linienrichter nach und zeigt dann doch noch auf den Punkt. Christian Oertel legt sich den Ball zurecht.
„Den macht er nicht“, sagt nicht nur einer auf der kleinen Tribüne hinter den Trainerbänken. Oertel macht ihn aber doch.
Rahner tut erst so, als wäre es jetzt ganz wichtig, einem Einwechselspieler seine Aufgabe zu erklären, dann muss er doch aufstehen, die Luft rauslassen, die Faust ballen. „Raus. Raus. Schiebt raus.“ Buch macht keinen Druck mehr. Röslau auch nicht. Aber Rahner ist das Spiel seiner Mannschaft zu zurückhaltend. Er hat Sven Riese eingewechselt, Riese ist schnell – vor allem schnell im Abseits. „Wir versuchen es 15-mal und der hebt 16-mal die Fahne.“ So war es tatsächlich – zumindest gefühlt. Rahner beruhigt Riese. „Einmal, wir müssen nur einmal durchkommen“, ruft er. Riese nickt, in Oberkotzau hat er so das 2:0 erzielt. Aber heute wird er nicht durchkommen.
„Wir waren in den ersten Spielen auch nicht überragend, aber da haben wir das 2:0 und das 3:0 gemacht.“ Und das 4:0 und das 5:0. Gegen Röslau aber sprintet jedes Mal die Angst vor dem Gegentor mit. „Vielleicht hatten sie auch Angst vor dem Volleyballer“, vermutet Rahner, er grinst. Lukas Zakrzewski verteidigt für Röslau und für den Volleyball-Drittligisten Marktredwitz und er ist groß, sehr groß. Trotzdem fällt er leicht. Wie jetzt plötzlich alle fallen.
Den goldenen Norbert Meier am Band verdient sich aber allein ein Röslauer Provokateur, der vor einem Eckball Buchs Torhüter Kevin Kosuchowski behindert, selbst an der Schulter berührt wird, schreiend zu Boden geht – und sich das Knie hält. „Ja, jeder hat’s versucht“, sagt Rahner, „so ist das eben.“
„Ey. Ey.“ Es wird lauter auf dem Platz, Rahner wird leiser. Riese rennt zum 16. Mal ins Abseits, Buch reagiert unkontrolliert, ein langer Ball sucht Markus Walther und der trifft. Eins zu eins. Zu wenig für den Tabellenersten – findet jedenfalls der Tabellenerste.
„Sie sind bedröppelt, ich bin stolz.“ Die Spieler gehen vom Feld. „Die reden vom Aufstieg, aber dann muss man die schlagen“, sagt einer. Zurück bleiben Kapitän Thomas Reichel und Udo Brehm und Helmut Rahner. Die Spieler reden, der Trainer hört zu. „Hier muss man Diplomat sein“, sagt er. Hier und überall anders auch. Rahner fühlt sich wohl am Wegfeld, wo die Begehrlichkeiten groß sind und die Erwartungen. „Am Sonntag ziehe ich meine Copas an, es ist Fußball, danach geben sich alle die Hand, es gibt ein Essen, ist doch wunderbar.“