2024-04-25T14:35:39.956Z

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Was ein Start: Am ersten Spieltag besiegen die Wormser vor heimischer Kulisse den Mit-Aufstiegsanwärter Kickers Offenbach.
Was ein Start: Am ersten Spieltag besiegen die Wormser vor heimischer Kulisse den Mit-Aufstiegsanwärter Kickers Offenbach. – Foto: Claus-Walter Dinger (Archiv)

Wormatia: Keine Zeit für Langeweile

Saisonrückblick auf die Wormser Regionalliga-Saison 2022/2023 +++ Eine Reise voller Aufs und Abs

Worms. Langweilig wurde es rund um die Wormatia in der vergangenen Regionalliga-Saison eigentlich nie. Ein Rückblick auf die Aufreger der Saison – auf dem Spielfeld und daneben.

Viel Vorfreude, aber auch eine holprige Vorbereitung

Die Euphorie rund um die Wormatia ist nach dem Oberliga-Aufstieg im Sommer 2022 riesig. Mit Maximilian Mehring verpflichten die Wormser einen ehemaligen Wormaten mit „Stallgeruch“, der von seinem Co-Trainerposten bei Drittligist Waldhof Mannheim beim VfR in seine erste Cheftrainerposition schlüpft. Mit einem vergrößerten Trainerteam und vielen Neuverpflichtungen, von denen viele spät zur Mannschaft stoßen, beginnt die Mission Klassenerhalt. Erst als die ersten Saisonwochen schon laufen, hat Mehring allerdings sein gesamtes Team beisammen. Als finanziell ihren Kontrahenten klar unterlegener Verein hat die Wormatia auf dem Transfermarkt keine leichte Ausgangslage und mehrfach das Nachsehen. Obendrein als Aufsteiger gehen die Wormser also als Außenseiter in die Saison. Sportvorstand Ibrahim Kurt ist trotzdem optimistisch: „Wir konzentrieren uns darauf, was wir haben und schauen nicht, wie viel die anderen haben. Wir wollen die Liga rocken und gehen selbstbewusst in die Runde.”

Ein Ausrufezeichen zum Auftakt

Zum Saisonauftakt sorgen die Wormser dennoch direkt für einen Paukenschlag. Mit einer kämpferischen Leistung besiegen sie den ambitionierten Mitaufstiegsfavoriten Kickers Offenbach 1:0. Torschütze Daniel Kasper sagt: „Dieser Einsatz muss uns auch in dieser Saison auszeichnen. Wir haben schon in der Oberliga Widerstände überwunden. Das war auch heute wieder der Fall.“ In der Folge bieten die Wormser weiteren Topteams in Ulm (2:2) oder gegen Steinbach (1:2) die Stirn. Beim spielstarken FSV Mainz 05 II gelingt ein furioser 3:2-Auswärtssieg.

Überzeugende Wormatia in den ersten Saisonwochen

Der Aufsteiger spielt in den ersten Wochen der Saison einen ansehnlichen Fußball. Die schwache Quote im Abschluss verhindert aber eine noch bessere Ausgangslage. Durch wichtige knappe Erfolge in Koblenz (1:0) oder gegen den FSV Frankfurt (1:0) ist der Aufsteiger voll im Soll. Platz 13 (13 Punkte) und sieben Punkte vor der Abstiegszone sind ein erstes starkes Zwischenergebnis an Spieltag zwölf. Zwei Wochen zuvor, Ende September, übernimmt Florian Natter die Position des Vorstandsvorsitzenden Jochen Schneider und erklärt in einem Interview: „Wir wollen uns mit der Wormatia im Mittelfeld der Regionalliga etablieren. Dafür müssen wir uns schon gewaltig strecken. Aber das ist, finde ich, ein realistisches Szenario.”

Sieglosserie zum Jahresende und eine tragische Nachricht

Die Ergebniskrise kommt plötzlich. In den Wochen nach dem Heimsieg gegen den FSV Frankfurt am 15. Oktober gewinnen die Wormser zwar den Pokalkrimi bei der TSG Pfeddersheim (2:1) dank des 1:1-Treffers von Derbyheld Fatih Köksal in der 89. Minute, gewinnen in der Liga aber kein einziges Spiel (!) mehr im Jahr 2022. Zum Jahresabschluss geht die Wormser Mannschaft mit 1:6 beim VfB Stuttgart II unter. Davor muss der VfR die Hiobsbotschaften verkraften, dass mit Jean-Yves Mvoto (Kreuzbandriss) und Tevin Ihrig (Knorpelschaden) die Stamm-Innenverteidigung für den Rest der Saison ausfällt. Stürmer Nils Fischer, selbst mit Torflaute im ersten Halbjahr der Saison, sagt treffend: „Schön spielen bringt nichts. Im Fußball geht es um Tore und Punkte.” Zwischendurch rückt der Fußball für den gesamten Verein in den Hintergrund als Worms’ Betreuer Jörg Schmidt plötzlich verstirbt und für Trauer und Fassungslosigkeit sorgt.

Schon Mitte November tauchen Gerüchte auf, dass sich die Wormatia von Max Mehring trennen könnte. Das passiert jedoch nicht, sodass die Nachricht von der Trainerentlassung am 17. Dezember nach dem letzten Spiel des Jahres dann doch überrascht. In einem kurzen Gespräch teilen die VfR-Verantwortlichen ihrem Trainer Max Mehring die Entscheidung des Vereins mit. Norbert Hess, der Sportliche Leiter der Wormser begründet die Trennung mit der sportlichen Situation der Wormatia, die zwar auf einem Nichtabstiegsplatz überwintert, aufgrund der Sieglosserie jedoch voll im Abstiegskampf steckt. „Wir haben uns das erste Halbjahr natürlich ganz genau angeschaut und standen jetzt vor der Frage: Lassen wir es laufen oder verändern wir was. Letzten Endes hat das Pendel leicht in Richtung Trennung ausgeschlagen.“ Für einen ungewöhnlichen Vorgang sorgt anschließend die Mannschaft, die sich in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit wendet und die Entscheidung des Vereins kritisiert. In ihrem Brief schreiben sie: „Wir standen immer zu hundert Prozent hinter Max und dem ganzen Trainerteam und waren fest entschlossen, als Einheit uns gemeinsam aus der sportlichen Krise zu arbeiten und die gesteckten Ziele zu erreichen. Dennoch wissen wir, dass Fußball leider ein schnelllebiges und manchmal ungerechtes Geschäft ist.”

Die Trainersuche wird zur Hängepartie

In der Neu-Besetzung des Trainerpostens gibt der Verein kein gutes Bild ab. Einen zügigen Plan B gibt es nach der Trennung von Mehring nicht. Der Verein führt unzählige Gespräche und muss einige davon auf der Zielgeraden ohne Abschluss abbrechen. Das Ziel, einen „Feuerwehrmann” für den Rest der Saison zu finden, misslingt. Erst nach mehr als sechs Wochen verkündet der Verein die Verpflichtung des neuen Trainers Peter Tretter, der einen Vertrag über die Saison hinaus unterschreibt. Beim Trainingsauftakt und den ersten beiden Testspielen schlüpft noch Co-Trainer Mario Cuc in die Chefrolle. Mit Niklas Jeck gelingt es dem Verein sogar, einen Spieler zu verpflichten, ohne dass das Team einen Cheftrainer hat. Mit Tretter an der Seitenlinie verfehlt der Verein anschließend zwar seine beiden Saisonziele Klassenerhalt und Pokalsieg, stellt die Weichen jedoch schon für die mittelfristige Zukunft des Vereins.

Ende der Pleitenserie und vermeidbare Niederlagen

Mit einem erlösenden 3:0-Heimsieg gegen Eintracht Trier beenden die Wormser ihre Pleitenserie (zwölf Ligaspiele in Folge ohne Sieg). Für Peter Tretter ist es nach der dem Finaleinzug im Verbandspokal (2:1 in Ludwigshafen) im fünften Anlauf der erste „Dreier” mit der Wormatia in der Liga. Die Wormser haben zu diesem Zeitpunkt, trotz Abstiegsplatz, den Klassenerhalt in der eigenen Hand. Diesen Vorteil verspielen sie in der Folge dann in den drei Heimspielen gegen Barockstadt-Fulda (0:0), Koblenz (1:2) und Freiberg (1:3). Allesamt Spiele und Gegner auf Augenhöhe, bei denen die Wormatia-Spieler die notwendige Zielstrebigkeit, Durchschlagskraft und Leidenschaft vermissen lassen und sich in eine beinahe ausweglose Tabellenkonstellation manövrieren. Mittelfeld-Motor Jannik Marx hadert: „Die fifty-fifty-Spiele in dieser Saison gehen für uns alle nach hinten los.” Schlussendlich fehlen genau diese Punkte aus den Heimspielen gegen die direkte Konkurrenz für den Ligaerhalt.

Eine Wutrede, die es in sich hat

Nach der vorentscheidenden Heimpleite gegen Freiberg platzt Wormatia-Trainer Tretter bei der anschließenden Pressekonferenz der Kragen. Offen kritisiert er Teile seines Teams für ihre Einstellung: „Wir hatten heute Spieler auf dem Platz, die ihr Herz nicht für die Wormatia auf dem Rasen lassen.” Weiter legt er nach: „Wir haben Jungs, die träumen noch vom Profi-Fußball. Aber die Realität ist einfach eine andere. Die Jungs, die nur für sich und das eigene Ego spielen, müssen in Zukunft draußen bleiben, dafür nehme ich auch Niederlagen in Kauf.” In der Folge nimmt Tretter Spieler aus der eigenen Jugend in den Regionalliga-Trainingsbetrieb auf und gibt Talent Luca Manganiello sogar die Chance, sich in Liga vier zu beweisen. Größere personelle Konsequenzen bleiben aber aus. Weitere schlechte Nachrichten: Kapitän Sandro Loechelt zieht sich einen Syndesmosebandriss zu und fällt für den Rest der Saison aus. Abseits des Platzes sorgt die Entscheidung des Verbandes, das Pokalendspiel nicht wie zuvor geplant, in Worms auszutragen, für Ärger.

Saisonendspurt und ein Stürmer, der plötzlich trifft

Vor den finalen Saisonwochen äußert sich der Vorstandsvorsitzende Florian Natter bei WormatiaTV zur mittelfristigen Zukunft des Vereins und sagt: „Mir persönlich ist es wichtiger, dass wir hier ein qualitativ gutes Fundament schaffen, anstatt mit aller Gewalt bei einem Abstieg direkt wieder aufzusteigen. Im Verein muss ein Umdenken stattfinden.” Stichwörter der Natter-Aussagen: Regionalität, Nachwuchsarbeit und Kontinuität. In der Liga stehen die Wormser mit dem Rücken zur Wand. Und starten aus der Not heraus eine Aufholjagd. Nils Fischer trifft in den letzten vier Saisonspielen sechs Mal und führt sein Team zu Siegen in Aalen (4:1) und gegen Balingen (3:0). Auch in Homburg trifft der Stürmer und steht mit seiner Mannschaft in der 87. Minute dank einer 3:2-Führung und der Ergebnisse der Konkurrenz plötzlich auf einem Nichtabstiegsplatz. Doch der Wahnsinn des Spieltags ist noch nicht vorbei. Denn in der ultimativen Schlussphase schießt die Konkurrenz noch Tore, während die Wormatia sogar noch zwei kassiert (3:4). Nach einem unfassbaren Auf und Ab ist die Wormatia am 33. Spieltag abgestiegen. Die Fans der Wormser honorieren die starken Leistungen der Wormser im Saisonfinale und leisten tröstenden Applaus.

Entscheidung im Pokalfinale erst nach Elfmeterschießen

Nach dem furiosen Saisonfinale in der Liga steigt das Verbandspokalfinale in Pirmasens. Worms‘ Gegner: der eine Woche zuvor aus der Oberliga aufgestiegene TSV Schott Mainz. Die Wormatia knüpft an die Leistungen der Wochen zuvor an, und ist etwas gefährlicher in ihren Aktionen als Schott. Fischer untermauert seine Topform und legt zweimal für die Wormser vor. Die Mainzer kontern die VfR-Führung jeweils, sodass nach 90 Minuten kein Gewinner feststeht. Nach einer Ampelkarte müssen die Mainzer die komplette Verlängerung des Finales in Unterzahl bestreiten – retten sich aber ins Elfmeterschießen. Dort übernehmen ausgerechnet die Leader Jannik Marx und Lennart Grimmer, die ihr Herz seit Jahren für die Wormatia auf dem Platz lassen, tragische Hauptrollen und vergeben ihre Versuche. Als letzter Schütze vergibt Alexander Shehada. Nach dem Abstieg ist auch der die Teilnahme am DFB-Pokal 2023/2024 futsch. In der Woche nach dem verlorenen Finale verkündet der Verein, dass der Sportliche Leiter Norbert Hess die Wormatia im Sommer verlassen wird.



Aufrufe: 010.6.2023, 18:00 Uhr
Stefan MannshausenAutor