2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Tristesse, Ratlosigkeit, Enttäuschung - das sind derzeit die dominierenden Gemütszustände im Kloster.
Tristesse, Ratlosigkeit, Enttäuschung - das sind derzeit die dominierenden Gemütszustände im Kloster. – Foto: Sportfoto Zink / M. Zink

»Wird schwer, sich zu erholen«: Seligenporten am Ende?

Der einstige Regionalligist spielt nach zwei Abstiegen in zwei Jahren nur noch Bezirksliga. Geht es noch weiter nach unten?

Es war einmal. So beginnen klassischerweise viele Märchen. Auch die jüngste Vergangenheit des SV Seligenporten erscheint etwas unwirklich. Es war einmal, dass der Verein aus dem 1000-Seelen-Ort dem gehobenen Amateurbereich angehörte. Von 2008 weg spielten die Oberpfälzer acht Jahre Bayern- und fünf Jahre Regionalliga. Zahlreiche namhafte Kicker trugen das SVS-Trikot, an der Linie stand u.a. Trainerlegende Karsten Wettberg. Der TSV 1860 München war zu Gast, genauso die Würzburger Kickers oder die SpVgg Unterhaching. Es war einmal.

Denn die Realität in der Saison 2023/24 heißt Bezirksliga. Zweimal ist der SV Seligenporten in den vergangen beiden Jahren abgestiegen. Von der Truppe, die die Corona-Spielzeit 2019/21 noch auf Rang 3 der Bayernliga abschließen konnte, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Generell ist der gesamte Verein ein anderer als er noch vor rund zehn Jahren war. "Das war ein schleichender Prozess. Leider", weiß Florian Schlicker. Der 42-Jährige, inzwischen Trainer der DJK Ammerthal, war über ein Jahrzehnt im Kloster aktiv. Erst als Kapitän, dann als Trainer. Der SVS ist für ihn nach wie vor mehr als nur ein Verein, er ist "meine zweite Heimat. Die Entwicklung der letzten Jahre ist extrem schade."

Eng verbunden war die Erfolgsgeschichte der Oberpfälzer mit Hauptsponsor Max Aicher Recycling (MAR) GmbH. Unter dessen Geschäftsführer Walter Eisl, während der Glanzzeiten auch Vereinsboss in Seligenporten, und Kicker-Chefreporter Karlheinz Wild gehörte der SV Seligenporten zum Establishment des bayerischen Fußballs. "Das waren sehr schöne Zeiten", erinnert sich Eisl, ein gebürtiger Bad Reichenhaller, der 1998 in Seligenporten heimisch wurde. "Aber schon damals haben wir vorausgesagt, dass wir diese Spielklassen nicht dauerhaft halten können. Dafür ist das Dorf einfach zu klein."

Spielertrainer Bernd Rosinger selbst ist ein Relikt früherer Glanzzeiten.
Spielertrainer Bernd Rosinger selbst ist ein Relikt früherer Glanzzeiten. – Foto: Sportfoto Zink / M. Zink

Seine Prognose ist eingetroffen – mit Brandbeschleuniger Corona schneller als gedacht. Denn das Virus und die damit verbundenen Beschränkungen sorgten auch bei der MAR GmbH für einen schmaleren Geldbeutel. "Wir konnten unseren Mitarbeitern schlecht sagen, dass sie in Kurzarbeit müssen und auf der anderen Seite als Großsponsor eines Fußballvereins auftreten", erklärt Eisl, eigenen Angaben zufolge von 2007 bis "2017 oder 2018" SVS-Chef. Wobei er betont, dass es sich nur um einen Teilrückzug gehandelt habe und die MAR GmbH den Verein weiterhin unterstützt. Aber nicht mehr in dem Maße wie einst.

Auch wenn sich Walter Eisl eigenen Angaben zufolge vom Fußball mehr oder mehr verabschiedet, "weil es nur noch um Geld, Geld, Geld" geht, ist er weiterhin beim SV Seligenporten aktiv. Aber nur noch im Hintergrund. Und natürlich tut ihm der neuerliche Abstieg nicht nur deshalb weh. "Es ist ein bisschen rasant gegangen in den vergangenen Jahren. Es wird schwer, sich zu erholen." Er weiß aber den Verein gut aufgestellt – aber eben auf einem anderen Niveau. Ein komplettes Ende oder einen noch dramatischeren Absturz befürchtet er aus diesem Grund nicht. "Es gilt sich in der Bezirksliga zu stabilisieren. Auch wenn für unsere Top-Anlage Bayernliga stilgerechter wäre."

Einer, der an vorderster Front um den SVS kämpft, ist Bernd Rosinger. Einst schaffte der Angreifer von Seligenporten aus den Sprung in den Profifußball, u.a. kickte der für den SV Wacker Burghausen und Sportfreunde Lotte in der 3. Liga. 2019 kehrte er ins Kloster zurück, "weil mir der Verein am Herzen liegt. Ich wollte was zurückgeben." Und das ist auch der Grund, warum er den Oberpfälzern auch nach zwei Abstiegen noch die Treue hält – trotz lukrativer Angebote als Spieler und als Trainer. "Es war nichts dabei, was mich wirklich gereizt hätte", macht der 33-Jährige deutlich.

Sein ganzes Herzblut steckt er in diesen Tagen in den SV Seligenporten. Denn die inzwischen traditionellen Personalprobleme haben sich mit dem Fall in die Bezirksliga noch einmal zugespitzt. "Wir sind noch immer auf der Suche nach Spielern. U.a. ein Keeper, ein Sechser und ein Stürmer fehlen noch", berichtet Rosinger, der zuletzt unzählige Gespräche mit potenziellen Neuzugängen geführt hat. "Das Problem, neue Spieler zu bekommen, haben wir nicht exklusiv. Jeder Verein hat damit zu kämpfen", weiß er.

Sein bewusster Gang an die Öffentlichkeit in dieser Hinsicht klingt nach Hilferuf. Nach letztem Strohhalm. Ist es aber nicht, wie der SVS-Spielertrainer richtigstellen will. "Der Spielbetrieb ist gesichert. Wir wollen und werden wieder in die Spur kommen. Aber ich habe gewisse Ansprüche – u.a. einen 20-Mann-Kader. Und um diese zu erreichen, nutze ich alle Möglichkeiten." Er sieht eine solide Basis im Kloster, auch wenn der Unterbau in Form einer ausgeprägten Jugendarbeit fehle. Und er steht hinter dem langfristigen Plan der Verantwortlichen, wonach Seligenporten in absehbarer Zeit wieder Landesliga spielen soll. Aber: Eins nach dem anderen.

"Ich habe schon unfassbar tolle Momente hier erlebt", blickt der Woffenbacher noch einmal zurück. "In Seligenporten wurde super Arbeit geleistet. Es gehörten Spieler zum Kader, die nicht aufs Geld geschaut haben. Eine tolle Einheit mit super Charakteren." Trotz aller Sentimentalitäten müsse man aber der Realität ins Auge blicken. Und diese heißt nicht mehr Regionalliga, sondern Bezirksliga. Es geht nicht mehr um außergewöhnliche Fußball-Highlights, es geht zunächst einmal um eine Selbstfindung in neuer Rolle. Oder ist es doch ein Überlebenskampf? Alles in allem soll es, was den SV Seligenporten generell betrifft, nicht bald heißen: Es war einmal...

Der große TSV 1860 München war nach seinem Zwangsabstieg ein Gegner von Seligenporten in der Regionalliga-Saison 2017/18..
Der große TSV 1860 München war nach seinem Zwangsabstieg ein Gegner von Seligenporten in der Regionalliga-Saison 2017/18.. – Foto: Sven Leifer

Aufrufe: 09.7.2023, 08:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor