2024-04-29T14:34:45.518Z

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Glückwunsch: Tim Schmid (r.) und Stefan schwinghammer junior haben den TSV in die Bezirksliga geführt.
Glückwunsch: Tim Schmid (r.) und Stefan schwinghammer junior haben den TSV in die Bezirksliga geführt. – Foto: Oliver Rabuser

„In den letzten 72 Stunden hab’ ich drei geschlafen“: TSV Murnau im Party-Marathon

Drachen feiern Bezirksliga-Aufstieg ausgiebig – Nächste Saison rückt bereits in den Fokus

Eine Party wie diese hat niemand von ihnen erlebt. Vier Tage nach dem Triumph über Peiting hatte Thomas Bauer immer noch keine Zeit für eine ganze Nacht Schlaf gefunden.

Murnau – „In den letzten 72 Stunden hab’ ich drei geschlafen“, scherzt der Huglfinger. Der TSV Murnau feierte seinen Aufstieg in die Bezirksliga auf mehreren Etappen.

Alle zerrten und zurrten an diesem Erfolgsteam, wollten ein Teil davon werden. Die Kabine nach dem Spiel bevölkerte so ziemlich jeder Spieler ab der U19 aufwärts. „Wir haben die abgerissen“, sagt Torwart Felix Schürgers lachend. Als plötzlich der frisch-geduschte Michael Adelwart in all seiner Ernsthaftigkeit und Autorität in der Tür stand, verstummte der Partymob, ehe der Abteilungsleiter mit erhobener Faust zum Feiern reanimierte. „Das war so richtig geil“, sagt Adelwart. Im Marylin Park, dem Musikclub ihres Vertrauens, unterbrachen sie das Nachtprogramm für eine gemeinsame Humba auf der Tanzfläche. Am Tag danach luden zwei Edelfans zum Frühschoppen nach Seehausen ein. Zuvor entspannten die Spieler noch kurz im Whirlpool. In diesem Moment realisierten sie erst, wie viel Kraft die vergangenen Wochen geraubt hatten. Thomas Bauer sagt: „Ich bin körperlich komplett am Ende.“ Die vergangenen Spiele schaffte er nur noch mit Schmerzmitteln. Bis zum Trainingsstart am 20. Juni ist frei. Die erste Pause nach eineinhalb Jahren.

Tim Schmid saß am Montag wieder in der Arbeit. Seine Spieler, sagt der Erfolgscoach, dürften gerne noch länger feiern. „Wir haben viel investiert.“ Selbst oben in der Landesliga gibt es Klubs, die weniger Aufwand betreiben. Und doch zischten auch im Murnauer Hintergrund die Stimmen, ob denn der liebe Schmid der richtige sei. „Die gab es ja immer wieder“, sagt Adelwart. Doch seinem Coach habe er bis zum Schluss vertraut, betont der Spartenchef. „Das mache ich nicht bei jedem.“ Trainer und Team sind längst verwachsen. „Ein ganz besonderer Mensch, geiler Typ, geiler Charakter“, sagt etwa Felix Schürgers. In den Tagen nach dem Relegationsspiel schickte Schmid seinem Torwart einen Countdown. Im Text dazu hieß es im Scherz: Wie er froh er doch sei, ihn endlich los zu werden. Das zeige nur Schmids größte Stärke: die menschliche Seite. Er weiß, wie er mit wem umgehen muss. „Das zeichnet große Trainer aus“, sagt Schürgers. Anders hätten er und Assistent Stefan Schwinghammer diese Masse nicht in Zaum halten können. 25 Kicker setzte der TSV in dieser Saison ein, ein Drittel davon wäre noch in der U19 spielberechtigt gewesen.

Der Moment der Entscheidung: Eine Murnauer Jubeltraube bedeckt Torschütze Georg Kutter.
Der Moment der Entscheidung: Eine Murnauer Jubeltraube bedeckt Torschütze Georg Kutter. – Foto: Oliver Rabuser

Zur Geschichte dieses Aufstiegs gehört auch Dennis Desteks Opfer. Der A-Jugend-Trainer stellte seine besten Mannen ab, obwohl ihm das nicht gefiel. Doch Adelwart wusste um die Bedeutung dieses Schachzugs. Seit Jahren wirft man ihm vor, die Senioren zu vernachlässigen. Der Sprung in die Bezirksliga fühlt sich deshalb an wie ein dicker Mittelfinger an seine Kritiker. „Dennis hat die Pille für den Verein geschluckt“, sagt Adelwart. Im Rückblick ging der Poker auf. Die jungen Kicker, allesamt mit Erfahrung aus höherklassigen Nachwuchsligen, brauchten praktisch keine Eingewöhnungszeit. Spieler wie Thomas Bauer, Bastian Adelwart, zuletzt auch Phillip Mühlbauer schafften es direkt in die Startelf. In Murnau teilt man nicht in alt und jung auf, sondern in gut und schlecht. „Man muss Danke sagen an die Trainer, die die acht Maschinen nach oben gebracht haben“, sagt Schürgers, einer der wenigen aus der Übergangsgeneration, die die goldenen Jahrgänge um Kapitän Benedikt Hausmann mit der Neuzeit verbindet.

Den Defensivverbund im entscheidenden Spiel bildeten vier Unter-Zwanzigjährige und der Kapitano. „Was die abgerissen haben, war über 180 Minuten Weltklasse“, lobt Schürgers. Welch’ Talent die Zukunft offenbart, zeigten zwei Testspiele der Ersten Mannschaft gegen die A-Jugend, die gewiss nicht repräsentativ sind und in zwei Klatschen für die Senioren endeten. Das zeige die gute Jugendarbeit, lobt Schürgers. „Der Weg geht so weiter. Ich fühle mich bereit, mit der Mannschaft in der Bezirksliga zu spielen.“

Banner kaputt, egal: Nichts konnte die Murnauer davon abhalten, ihren Aufstieg in die Bezirksliga gebührend zu feiern.
Banner kaputt, egal: Nichts konnte die Murnauer davon abhalten, ihren Aufstieg in die Bezirksliga gebührend zu feiern. – Foto: Oliver Rabuser

Vor Murnau steht nun der kurze Prozess der Umorientierung. Ex-Profi Sven Teichmann kommt als neuer Coach samt bester Referenzen. Welches System er bevorzugt, wissen sie beim TSV noch nicht. Mit Benedikt Hausmann (künftig Co-Trainer) und Manuel Pratz hören Routiniers auf. Thomas Bauer verlässt den Klub im August in Richtung Chicago (Studium). Zwei Zugänge haben schon vor Längerem zugesagt – unabhängig von der Klasse. Namen verrät noch niemand, weil gerade erst die alten Vereine vom Wechsel erfahren. Sechs Wochen veranschlagt Trainer Teichmann für die Vorbereitung, bevor am 30. Juli die Bezirksligarunde startet. Bis dahin können sich sämtliche Jugendspieler des Jahrgangs 2004 empfehlen. Gesucht ist unter anderem ein Nachfolger für Sicherheitsmann Bauer vor der Abwehr. „Wir haben einige, die das Potenzial haben“, sagt der Huglfinger.

In der neuen Klasse ordnet sich Murnau zunächst unten ein. „Ziel muss sein, den ersten Platz über dem Strich zu sichern“, betont Schürgers. Die Gegnerschaft sieht das natürlich anders. Johannes Franz, Spielertrainer in Raisting etwa, verweist auf die starken Aufsteiger der Vorjahre, die die Bezirksliga nur als Zwischenhalt nahmen. „Das traue ich Murnau auf alle Fälle zu“, sagt er. Adelwart hingegen verbietet derlei Gedanken, predigt Demut. Zum Vergleich mit Absteiger Garmisch-Partenkirchen, mit dem sich der TSV nun um den Titel des besten Landkreisteams streitet, sagt er: „Ich weiß nicht, ob wir auf demselben Level sind.“ Mit Georg Kutter verfügt Murnau jedenfalls über einen Einzelkönner, der auch in der Bezirksliga Spiele entscheiden kann. Gegen Peiting, im Rückspiel, fand man ihn in mancher Szene gar in der Innenverteidigung. „Das sagt alles aus über unsere Mannschaft“, betont Schürgers. Am Ende rundete Kutter mit seinem Tor zum 2:0 das Jahr perfekt ab und kreierte den Moment der Saison.

Das Spiel ähnelte einem Höllengang, sagt Schürgers. Mit dem Tor legte sich kollektive Erleichterung über den Klub. „Das war wie eine Erlösung“, sagt Trainer Schmid. Adelwart vergleicht das Spiel mit der Geburt seiner Kinder. „Du kannst nur die Hand deiner Frau halten, aber bist machtlos.“ Am Ende ging alles gut. Der Ausstatter überraschte die Mannschaft mit Aufstiegs-Shirts, die man derzeit verlässlich durch Murnau spazieren sieht. Bald auch auf Mallorca. In einer Woche fliegen sie. Die offizielle Meisterparty.

Aufrufe: 08.6.2022, 19:16 Uhr
Andreas MayrAutor