2024-04-25T14:35:39.956Z

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Auch der Kreis Kleve-Geldern ist natürlich vom Schiedsrichtermangel betroffen.
Auch der Kreis Kleve-Geldern ist natürlich vom Schiedsrichtermangel betroffen. – Foto: Sascha Köppen

Schiedsrichter Kleve-Geldern: „Die Probleme gibt es neben dem Platz“

Klaus Engel, der Vorsitzende des Kreis-Schiedsrichterausschusses Kleve-Geldern, über die aktuelle Situation, die Sorgen und den Kölner Keller.

Die Schiedsrichter-Vereinigung im Kreis Kleve/Geldern hat am Samstag im Kreis-Sportheim in Kellen ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Das Fest fand mit drei Jahren Verspätung statt. Es sollte eigentlich 2020 steigen, musste aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Klaus Engel vom BV Sturm Wissel ist seit März 2022 wieder Vorsitzender des Kreis-Schiedsrichterausschusses. Der 63-Jährige, der selbst gut ein Vierteljahrhundert als Referee Spiele bis zur Oberliga Nordrhein geleitet hat, hatte das Amt schon einmal von 1998 bis 2006 ausgeübt. Er spricht im Interview über die aktuelle Situation, Probleme der Schiedsrichterzunft und den Kölner Keller.

Herr Engel, wie steht es um die Schiedsrichter im Kreis Kleve?

Klaus Engel Wir haben einen Kreis-Schiedsrichterausschuss mit engagierten Leuten. Die Arbeit im Gremium macht Spaß, das hat sich jetzt wieder bei der Vorbereitung des Jubiläums bewiesen. Wir haben allerdings auch das Problem, das alle Kreise im Fußball-Verband Niederrhein haben. Es existiert, wie überall, ein Schiedsrichtermangel. Deshalb können wir viele Männer-Spiele in der Kreisliga C und der untersten Klasse bei den Frauen nicht mehr mit Schiedsrichtern besetzen. Und auch bei der Jugend können wir nur noch für die höheren Ligen auf Kreisebene Unparteiische stellen.

Wie viele Schiedsrichter gibt es im Fußball-Kreis?

Engel Aktuell sind es 170 Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen, von denen aber nicht mehr alle Spiele leiten, sondern einige andere wichtige Aufgaben übernehmen. Sie arbeiten zum Beispiel im Schiedsrichterausschuss mit oder helfen bei der Ausbildung und Betreuung von jungen Referees. Für den Einsatz bei Spielen stehen uns etwa 130 Unparteiische zur Verfügung.

Und wie viele Schiedsrichter müsste der Kreis haben, um alle Spiele besetzen zu können?

Engel Davon sind wir weit entfernt. Uns müssten gut 200 Schiedsrichter zur Verfügung stehen, um das zu schaffen. Wir können derzeit aber jährlich nicht so viele neue Referees ausbilden, wie wir Abgänge haben.

Ist der Schiedsrichtermangel ein Problem, das erst in den vergangenen Jahren aufgetreten ist?

Engel Das haben wir auch gedacht. Doch das ist nicht der Fall. Das haben wir jetzt erfahren, als wir alte Berichte durchforstet haben, um eine Chronik für das aktuelle Jubiläum zusammenzustellen. Ob vor 75 oder vor 50 Jahren – schon damals wurde darüber geklagt, dass nicht genügend Schiedsrichter zur Verfügung stehen. Die Sätze, die in den alten Berichten standen, konnten wir eins zu eins übernehmen.

Wie sieht es in Sachen Ausbildung von neuen Schiedsrichtern aus?

Engel Wir haben 2022 44 neue Schiedsrichter gewinnen können, die überwiegend erst 15 oder 16 Jahre alt waren. Die brauchen zum einen Zeit, bis sie so weit sind, auch Spiele bei den Senioren pfeifen zu können. Zum anderen müssen wir damit rechnen, dass einige nach einiger Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen wieder die Lust am Schiedsrichter-Job verlieren.

Gibt es einen Grund für den Schiedsrichtermangel?

Engel Ich glaube, das ist ein generelles Problem. Viele Vereine haben doch auch enorme Schwierigkeiten, Mitglieder zu finden, die ein Ehrenamt übernehmen. Denn viele Leute sind nicht mehr bereit, sich den Aufgaben zu stellen. Bei den Schiedsrichtern kommt vielleicht noch hinzu, dass ein Mannschaftsgefühl fehlt. Man ist in der Regel alleine zu den Spielen unterwegs.

Haben Sie die Hoffnung, dass die Zeiten einmal besser werden könnten?

Engel Wie sagt man im Sport so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch ich weiß aktuell nicht, wie wir das Problem lösen könnten. Und wir haben wirklich im Kreis Kleve/Geldern schon eine Menge ausprobiert – ob verstärkte Werbung für das Amt oder Arbeits-Gemeinschaften an Schulen. Wir lassen uns auch nicht entmutigen und hoffen nach wie vor, das Ziel von 200 Schiedsrichtern, die Spiele leiten, einmal erreichen zu können. Aber aktuell fehlt ein wenig der Glaube daran, dass wir das zeitnah schaffen.

Wird die Arbeit dadurch erschwert, dass es immer wieder zu Angriffen auf Schiedsrichter kommt?

Engel Zum Glück gibt’s im Kreis Kleve/Geldern in einer Saison nur ganz wenige Vorkommnisse und generell äußerst selten tätliche Angriffe auf Schiedsrichter. Da leben wir im Vergleich zum Ruhrgebiet wahrlich auf einer Insel der Glückseligkeit. Aber mein Eindruck ist, dass die Stimmung auf den Plätzen auch bei uns gerade nach der Pandemie etwas schwieriger geworden ist. Das liegt oft nicht an den Spielern, sondern an den Leuten, die neben dem Platz stehen – vor allem an den Zuschauern. Auf den Rängen treten die größten Probleme auf. Und das sorgt dann auch dafür, dass junge Schiedsrichter schnell wieder aufhören, weil sie keine Lust haben, sich diesen Stress anzutun. Mit 15, 16 oder 17 Jahren ist es schwer, damit umzugehen, wenn man als Schiedsrichter von Zuschauern verbal attackiert wird. Und das kommt auch auf unserer Insel der Glückseligkeit vor.

In Guido Winkmann, der lange Jahre in der Bundesliga im Einsatz war und jetzt noch im Kölner Keller aktiv ist, sowie Dr. Martin Thomsen, der in der Zweiten Liga pfeift, hat die Schiedsrichtergruppe im Kreis zwei Aushängeschilder. Wie wichtig ist das für Ihre Arbeit?

Engel Das ist schon sehr wichtig. Zum einen sind das Vorbilder, zu denen der Nachwuchs aufblickt. Und wenn Guido Winkmann oder Martin Thomsen unsere Arbeit an der Basis unterstützen, weil sie Schulungen im Kreis leiten, dann zieht das in der Regel viele Schiedsrichter an. Da hört man bei den Lehrgängen, bei denen sie über ihren Alltag und beispielhaft über gewisse Entscheidungen sprechen, gerne zu und lernt eine Menge.

Thema Keller in Köln – was sagt der Vorsitzende des Kreis-Schiedsrichterausschusses zum Videobeweis?

Engel Ich halte das generell für eine gute Geschichte, aber ich bin in der Sache auch ein bisschen gespalten. Es entsteht oft der Eindruck, dass der Schiedsrichter auf dem Platz seine Eigenständigkeit verliert, weil vieles im Kölner Keller kontrolliert wird. Der Videobeweis sollte eigentlich nur ein Hilfsmittel sein. Wenn es aber zum Beispiel beim Thema Abseits mehrere Minuten dauert, um mit einer kalibrierten Linie eine Millimeterentscheidung zu treffen, ist das für mich des Guten zu viel.

Also ist es gut, dass in den Amateurklassen noch alleine die Entscheidungen des Schiedsrichters zählen?

Engel Da mögen zwar Fehler passieren. Aber das gehört für mich irgendwie zum Fußball dazu. Und wer macht auf dem Platz keine Fehler? Wenn ein Stürmer alleine vor dem Tor steht und den Ball aus kurzer Distanz über das Tor schießt, dann sagen alle, er hat Pech gehabt oder der Ball ist komisch aufgesprungen. Wenn ein Schiedsrichter einen Fehler macht, dann wird seine gesamte Leistung direkt als schlecht bewertet.

Ihre Meinung zur umstrittenen Handspiel-Regel?

Engel Darüber reden wir besser nicht. Das sollte doch alles sagen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Schiedsrichter im Kreis Kleve/Geldern?

Engel Dass alle Schiedsrichter auf dem Rasen und neben dem Platz den Respekt und die Akzeptanz erhalten, die sie eigentlich verdienen. Mancher Betreuer, mancher Spieler oder mancher Zuschauer vergisst einfach, dass in den meisten Fällen eine Person alleine das Spiel leitet und in Bruchteilen von Sekunden ohne irgendeine technische Unterstützung Entscheidungen treffen muss. Dass dies nicht ohne Fehler gehen kann, das müsste doch jedem klar sein.

Aufrufe: 012.6.2023, 20:00 Uhr
Joachim SchwenkAutor