2024-06-17T07:46:28.129Z

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Borussias Nachwuchs ist gut aufgestellt.
Borussias Nachwuchs ist gut aufgestellt. – Foto: Marcel Eichholz

Sandmöller: "Unser Job ist es, Spieler für oben zu entwickeln"

Borussias Nachwuchsdirektor spricht über die Talentförderung, die Bezahlung von Jugendtrainern und die Zukunft des Frauenteams.

Mirko Sandmöller, lassen Sie uns gleich mit der U23 einsteigen. Zum Saisonstart gab es eine 1:2-Niederlage beim 1. FC Kaan-Marienborn. Was war bitterer: Die beiden Gegentore in der Nachspielzeit oder der Umstand, dass die Mannschaft nicht an ihr Leistungslimit gekommen ist?

Sandmöller: "Von der Leistung waren wir deswegen etwas enttäuscht, weil die Vorzeichen andere gewesen sind. In der Vorbereitung haben die Jungs andere Leistungen gezeigt. In diesem Spiel sind sie aber nicht an die Qualität gekommen, die wir schon von ihnen gesehen haben. Wir haben in den entscheidenden Spielsituationen, insbesondere in der Nachspielzeit, nicht gut verteidigt, daraus muss die Mannschaft lernen."

Welche Erwartungen haben Sie an das Team für das erste Heimspiel am Sonntag gegen Rot-Weiß Oberhausen?

Sandmöller: "Oberhausen ist sicher noch einmal ein anderes Kaliber. Es ist eine sehr erfahrene Männermannschaft, die den Anspruch hat, oben mitzuspielen. Wir dürfen jetzt nicht alles über den Haufen werfen, sondern müssen das Vertrauen in uns haben, dass wir besser Fußball spielen können als wir es im ersten Saisonspiel getan haben."

Bei Borussias Profis wird im Umfeld viel von einer Aufbruchstimmung gesprochen. Nehmen Sie die auch im Nachwuchsbereich wahr?

Sandmöller: "Wir haben im Leistungsbereich, der in der U17 beginnt, die Trainerteams der Mannschaften komplett neu zusammengestellt. Ich nehme derzeit in allen Mannschaften eine sehr positive Stimmung wahr. Die Arbeit der Trainerteams ist sehr gut, das ist für mich die Hauptsache. Zusätzlich beobachten wir natürlich ganz genau die Entwicklung der einzelnen Spieler und freuen uns, wenn die Saison für alle Mannschaften beginnt. Wir müssen im Detail hinschauen, was der jeweilige Spieler braucht und woran wir mit ihm arbeiten müssen, denn unser Job ist es am Ende des Tages, Spieler für oben zu entwickeln."

Im März haben Sie offiziell die Nachfolge von Roland Virkus als Nachwuchsdirektor angetreten. Wie schaffen Sie es, Ihre persönliche Note reinzubringen?

Sandmöller: "Die Zusammenarbeit mit Roland Virkus war schon im Vorfeld eng. Mein Anspruch ist es nicht, jetzt alles auf links zu drehen. Hinsichtlich der Durchlässigkeit müssen wir schauen, welchen Ansatz wir wählen, um wieder mehr Spieler aus der eigenen Jugend zu den Profis zu bringen. Ist die Qualität der Ausbildung gut? Wie haben wir mit den Spielern gearbeitet? Welche Talente finden wir, die eine Chance haben, im Profibereich anzukommen? Unser Job ist es, die Spieler an den Lizenzbereich heranzuführen. Da wollen wir strategisch Reize setzen und entscheiden, wann welcher Spieler auf welchem Niveau trainiert und spielt. Im Detail kann man da bei dem einen oder anderen Spieler noch mehr rausholen."

Können Sie das genauer erläutern?

Sandmöller: "Wenn wir junge Spieler haben, die ihre ersten Bundesligaminuten gesammelt haben, ist es schwierig, wenn sie danach keine Spielzeit mehr bei den Profis bekommen. Die Steuerung dieser Einsatzzeiten ist eine entscheidende Frage. Wir könnten uns dafür feiern, wenn junge Spieler sieben Wochen hintereinander bei den Profis auf der Bank sitzen. Wenn sie aber siebenmal in Folge kein Spiel gemacht haben, werden sie in der achten Woche auch keine größere Option für den Trainer sein. Daher geht es für uns darum, die Belastung dieser jungen Spieler über die U19 und U23 so zu steuern, dass sie dauerhaft auf dem bestmöglichen Level sind, um eine ernsthafte Option für den Cheftrainer zu sein."

Sicher ist Yvandro Borges Sanches, der noch in der U19 spielen kann, ein Spieler, bei dem Sie genau schauen müssen, in welcher Mannschaft es für ihn am sinnigsten ist, dass er in nächster Zeit Spielpraxis sammelt. Wie sieht der Plan mit ihm aus?

Sandmöller: "Es gibt einen Plan mit ihm, aber den verrate ich nicht. (lacht) Wichtig ist, dass wir uns die Spieler individuell anschauen. Es gibt Spieler, bei denen der Weg aus diversen Gründen sein kann, dass sie in der U19 zum Einsatz kommen. Genauso kann die Entscheidung sein, dass er in der U23 eingesetzt wird, weil dort Anforderungen an den Spieler gestellt werden, die wir für seine Entwicklung sinniger halten."

Wie ist die Vorbereitung für Simon Walde einzuordnen? War das ein reines Reinschnuppern?

Sandmöller: "Es geht nicht darum, irgendwelche Möglichkeiten in der Lizenzmannschaft zu verschenken. Simon hat eine sehr gute und stabile U17-Saison gespielt, die dazu geführt hat, dass er mit der U17-Nationalmannschaft an der EM teilnehmen durfte. Wir hatten ein hohes Vertrauen, dass er in der Lage ist, sich bei den Profis zu adaptieren und ein paar Duftmarken zu setzen. Im Nachhinein ist es schön zu sehen, dass das bei ihm und Yvandro Borges Sanches funktioniert hat. Dadurch merkt der Cheftrainer auch, dass Spieler von unten nachkommen und ihre Rolle finden können. Trotzdem muss man den Spielern Zeit geben und schauen, wo diese letztlich eingesetzt werden."

Sprechen wir konkret über die Jugendteams. Wie sehen Sie die U19 für die kommende Saison aufgestellt?

Sandmöller: "Für die U19 haben wir in Sebastian König einen externen Trainer verpflichtet. Da sollten wir allen Beteiligten Zeit geben, sich zu finden. Für die Spieler, die eine starke U17-Saison gespielt haben, ist die Umstellung auf die U19 trotzdem groß. Da darf man nicht erwarten, dass sie automatisch so gut abliefern wie in der U17 und um die Meisterschaft mitspielen. Trotzdem können sie diese Euphorie aus der vergangenen Saison mitnehmen und zusammen mit den Spielern des 2004er Jahrgangs eine ordentliche Rolle in der U19-Bundesliga spielen."

Für die U17 hat Borussia vier externe Talente verpflichtet. Welche Strategie steckt dahinter?

Sandmöller: "Bis zur U15 achten wir darauf, dass wir die Kader der Teams mit den Spielern der Region zusammenstellen. Idealerweise haben diese Kader die Qualität, dass es die Spieler in den Leistungsbereich schaffen. Trotzdem ist es nötig und wichtig, dass die Mannschaften punktuell durch spannende Talente noch mal in der Spitze verstärkt werden und nun hatten wir die Chance, diese Spieler zu verpflichten."

Tiago Pereira Cardoso und Oumar Diallo kommen beide wie Yvandro Borges Sanches aus Luxemburg. Ist das ein neuer Markt, den Borussia in den vergangenen Jahren mehr forciert hat?

Sandmöller: "Ja. Luxemburg hat mittlerweile einen sehr guten Weg eingeschlagen, was die Talentförderung angeht. Die Nationalspieler trainieren unter der Woche fast nur unter sich und gehen erst am Wochenende zu ihren Heimatvereinen und spielen dort. Das ist ein spannendes Konstrukt, auf Deutschland bezogen würde ich das nicht als Zielsetzung nehmen. Aber für Luxemburg ist das ein passendes Konzept, Talente gut auszubilden. Für uns ist auch der sprachliche Aspekt interessant, weil die meisten Luxemburger deutsch sprechen und dadurch keine Integrationsprobleme haben. Hinzu kommt die Qualität der Spieler, die für uns so spannend ist, dass wir uns mit den Spielern beschäftigen müssen."

Neben neuen Spielern haben Sie, wie eben schon angedeutet, im Nachwuchsbereich auch neue Trainer verpflichtet. Wird es für Klubs immer schwerer, gerade für die jüngeren Mannschaften Trainer zu finden, weil viele schnell nach oben möchten?

Sandmöller: "Es gibt immer Trainer, die schnellstmöglich nach oben wollen. Ob das immer der richtige Weg ist, stelle ich in Frage. Erfahrung zu sammeln ist wichtig. Denn nur die kann dazu führen, dass man in kritischen Phasen gute Entscheidungen trifft. Neben einer fachlichen Qualität sind Themen wie Menschenführung und Empathie am Ende des Tages mindestens genauso wichtig. Verschiedene Entwicklungsstufen mit den Spielern zu durchlaufen hilft einem Trainer, damit er sieht, was die Spieler in welchen Altersklassen brauchen und wie trainiert werden muss. Es gibt Trainer, die in der U17 oder U19 einsteigen, aber die Erfahrungen weiter unten zu sammeln, gibt einem Trainer ein breiteres Wissen und Möglichkeiten, in älteren Altersklassen noch mal auf die Basics zurückzugreifen."

Von den Trainern, die in Deutschland in einem Nachwuchsleistungszentrum arbeiten, haben sicher die meisten das Ziel, diesen Job hauptamtlich zu machen. Aktuell ist es so, dass die Gehälter für Trainer in älteren Jugendmannschaften höher sind. Könnten die Vereine irgendwann gezwungen sein, einem U12-Trainer genauso viel zu zahlen wie einem U19-Trainer?

Sandmöller: "Das ist eine schwierige Frage. Wir haben dieses Thema auch schon intern besprochen. Mittlerweile ist es bei uns so, dass wir alle Cheftrainer ab der U12 und den Cheftrainer der U9 hauptamtlich bei Borussia angestellt haben. Teilweise haben sie dann noch andere Aufgaben im Verein. Grundsätzlich spielen natürlich neben der Altersklasse der Mannschaft auch diverse weitere Faktoren eine Rolle, die unterschiedliche Gehälter rechtfertigen können."

Aufgrund der laufenden Europameisterschaft wird aktuell viel über die Entwicklung des Frauenfußballs gesprochen. Borussias erste Frauenmannschaft spielt aktuell in der Regionalliga. Was sind die Ziele für die kommenden Jahre?

Sandmöller: "Grundsätzlich möchten wir uns so aufstellen, dass wir mit der Frauenmannschaft wieder eine bessere Rolle spielen können und über kurz oder lang wieder in die 2.Bundesliga zurückkehren können. Bisher war es immer unser Weg, aus den eigenen Talenten eine gute erste Mannschaft zu rekrutieren. Als Verein müssen wir uns mittelfristig fragen, wo die Reise hingehen soll. In Jonas Spengler haben wir einen jungen, ambitionierten Cheftrainer geholt."

Zumal man im Frauenfußball mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln viel bewegen kann.

Sandmöller: "Ich glaube, dass sich der Frauenfußball enorm entwickelt hat. Das sieht man aktuell an der Wahrnehmung der EM und dem Zuschaueraufkommen, aber auch an der Art und Weise, wie gespielt wird. Für den Moment wollen wir eine Mannschaft aufbauen, die in der Regionalliga eine gute Rolle spielt. Der nächste Schritt wäre dann, zurück in die 2. Bundesliga zu kommen."

Was kann kurzfristig dafür getan werden?

Sandmöller: "Mit dem Haus Lütz haben die Frauen ihr eigenes Zuhause. Da müssen wir uns anschauen, was wir dort verbessern können, um dort einen Wiedererkennungswert zu schaffen und dass die Leute diesen Ort noch mehr mit Borussia Mönchengladbach in Verbindung bringen."

Hannah Gobrecht und Thomas Grulke führten das Gespräch.

Aufrufe: 029.7.2022, 16:00 Uhr
RP / Hannah Gobrecht und Thomas GrulkeAutor