2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Bilanz der Hinrunde aus Sicht der Schiedsrichter.	Foto: dpa
Bilanz der Hinrunde aus Sicht der Schiedsrichter. Foto: dpa

"Noch viele Entgleisungen gegen Schiedsrichter"

„Da sind dann auch Trainer und Betreuer gefragt“: Kreisschiedsrichter-Obmann Heinz Krollmann im Interview über Problemvereine, die Zeitstrafe und Schiri-Talente

Mainz. Entgleisungen von Spielern gibt es weiterhin, aber in der Hinrunden-Bilanz der Fußball-Schiedsrichter tauchen auch viele positive Aspekte auf: Junge Talente auf dem Weg nach oben, ausgebuchte Neulingslehrgänge. Heinz Krollmann, 79 Jahre alter Kreisschiedsrichter-Obmann, spricht im Interview über Problemvereine, die Zeitstrafe und seine große Freude.

Dieser Text wird euch kostenlos zur Verfügung gestellt von der Allgemeinen Zeitung und Wormser Zeitung.

Herr Krollmann, wie sieht Ihre Hinrunden-Bilanz der Schiedsrichter aus?

Ich bin sehr zufrieden. Ich habe auch schon mit den Staffelleitern gesprochen, das lief alles im Großen und Ganzen sehr gut.

Im März war beim Schiedsrichter-Lehrgang in der Mewa-Arena die Gewalt gegen Schiedsrichter das Thema – hat sich das aus Ihrer Sicht gebessert?

Es gibt leider immer noch verbale Entgleisungen gegen Schiedsrichter, auch rassistische Sprüche. Wir hatten mal einen Spieltag mit drei Spielabbrüchen. Im Jugendbereich haben wir bis zu fünf Problemvereine im Kreis Mainz-Bingen. Da müssen wir unbedingt gegensteuern. Da sind dann auch mal die Trainer und Betreuer gefragt, so kann es nämlich nicht weitergehen.

Welche Vereine sind das?

Das möchte ich nicht sagen, da bitte ich um Verständnis.

Haben Sie konkrete Beispiele für solche Vergehen?

Eine B-Jugend wurde jetzt mit drei Spielen Verbandsaufsicht belegt, dazu Geldstrafe und Punktabzug am Saisonende. Das muss man sich mal vorstellen. B-Jugend! Die Kids sind erst 14 bis 16 Jahre alt. Haben aber den Schiedsrichter bitterböse beleidigt, die Worte will ich gar nicht wiederholen. Das ist aber dort der Normalfall. Wenn da nochmal was passiert, werden wir die gesamte Mannschaft aus dem Verkehr ziehen.

Die Probleme bestehen also hauptsächlich im Jugendbereich?

Auch im Aktivenbereich. Wir haben ja Austausch, schicken auch Schiedsrichter in andere Kreise. Und gerade hatten wir Probleme in Frankfurt, da habe ich jetzt an vier Spieltagen drei Sonderberichte gekriegt. Der Schiedsrichter sagte mir: Heinz, unmöglich, wie die mich da betiteln.

Muss der Verband härter reagieren?

Der Verband tut schon viel. Ich appelliere immer an die Vereinsvertreter: Passt doch bitte besser auf. Ihr wollt doch sonntags eure Spiele besetzt haben. Ihr wisst doch: Ohne Schiedsrichter geht es nicht.

Der Super-Gau ist noch nicht eingetreten, dass ein Spiel wegen Schiedsrichter-Mangels nicht ausgetragen werden konnte, oder?

Nein, das haben wir zum Glück in unserer Kante bislang nicht gehabt. Gott sei Dank haben wir aber auch Schiedsrichter, die teilweise drei Spiele am Wochenende pfeifen.

Gab es Probleme bei den Ansetzungen?

Wir vermissen Fred Vulpes, der im Sommer leider verstorben ist. Wir vermissen ihn als lieben Menschen. Aber auch als Schiedsrichter-Ansetzer. Da mussten wir viele Kräfte freimachen, um diesen großen Verlust auszugleichen. Er war ein Macher.

Was sind für Sie die guten Nachrichten?

Dass es viele Anmeldungen bei den Neulingslehrgängen gibt. Und zwei, drei junge Schiedsrichter-Talente machen mir derzeit sehr viel Freude. Unser Lehrstab liefert herausragende Arbeit. Jeden Montagabend trifft sich die Fördergruppe in Ebersheim.

Die Zeitstrafe wurde im Sommer eingeführt – wie sieht aus Ihrer Sicht die erste Bilanz aus?

Wir hatten am Anfang etwas Probleme, da haben Schiedsrichter noch Gelb-Rot gezeigt. Da gab es natürlich etwas Ärger, aber es ging überall gut aus. Ich habe mit Vereinen gesprochen – die haben das hervorragend angenommen. Es gab Beispiele, da kam der Spieler nach der Zeitstrafe zurück und sagte: „Schiedsrichter, kommt nicht mehr vor“. Das sind tolle Reaktionen. Ich sehe die Zeitstrafe als eine Art Wachrütteln. Die letzte Ermahnung vor dem Platzverweis.

Was ist nötig, um den Respekt vor den Schiedsrichtern wieder zu erhöhen?

Eins vorweg: Nicht bei jedem Abbruch ist der Verein schuld. Es gibt auch Schiedsrichter, die sich anders verhalten könnten. Ich sage den Schiedsrichtern immer: Versucht doch, mehr zu kommunizieren. Das ist das A und O. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus.

Gerade ist ein weiterer Neulingslehrgang vom SWFV angeboten worden, weil die beiden im Dezember und Februar ausgebucht sind. Eine sehr erfreuliche Entwicklung.

So ist es. Wir bieten selbst ab 13. Januar bei uns einen Lehrgang an, beim TSV Schott. Wir haben jetzt schon zwanzig Meldungen, es sind noch 15 Plätze frei. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Schiedsrichter wir haben, desto weniger müssen die andere pfeifen – und bleiben uns wahrscheinlich länger erhalten. Erfreulich auch: Der letzte Lehrgang in Mainz war hervorragend. Von 35 Gemeldeten waren 32 da, 27 haben bestanden.

Woher kommt der Zuspruch?

Das ist schon sehr erfreulich. Es ist auch zurückzuführen auf die Geschichte in Nierstein, wo Deniz Aytekin, Anton Stach und Nils Petersen das Bezirksliga-Spiel gepfiffen haben. Darauf kam viel Resonanz. Unsere nächste Aktion steht bevor: Beim Spiel von Mainz 05 am Sonntag gegen den SC Freiburg werden mindestens zwanzig unserer jungen Schiedsrichter vor dem Spiel und in der Halbzeit für die Schiedsrichterei werben. Unterstützt uns!

Welche Vereine stellen zu wenige Schiedsrichter?

Ohne konkrete Namen zu nennen: Wir haben etwa achtzig Vereine im Kreis, davon sind 12 bis 15 fast ohne Schiedsrichter. Auch hochklassige Teams. Aber die Vereine bewegen sich und wollen mit uns das Ruder rumreißen.

Was ist der größte Wunsch des Kreis-Schiedsrichterobmanns für das neue Jahr?

Frieden. Und, wie eben schon gesagt: Kommunikation. Mehr Mit- statt Gegeneinander.

Das Interview führte Peter Schneider.



Aufrufe: 02.12.2023, 08:00 Uhr
Peter SchneiderAutor