2024-05-17T14:19:24.476Z

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Das ist Natascha Wermelskirchen.
Das ist Natascha Wermelskirchen. – Foto: Jan Venten

Natascha Wermelskirchen: Mönchengladbacherin holt Olympisches Feuer

Natascha Wermelskirchen aus Mönchengladbach ist Torhüterin der Deutschen Frauen-Nationalmannschaft, die bei den Special Olympics in Berlin in den Fußball-Wettkämpfen antritt. 

Es ist Dienstagabend, so gegen 18 Uhr. Auf dem Kerngelände der evangelischen Stiftung Hephata mitten in Mönchengladbach wirft eine Flutlichtanlage ihr Licht über den dortigen Fußballplatz. Auf dem Kunstrasenfeld laufen sich sieben Frauen warm, eine einzelne steht am Rand und dirigiert sie von links nach rechts, baut Übungen auf, legt Fußbälle zurecht.

Klingt nach dem Auftakt einer ganz normalen Fußball-Trainingseinheit, ist aber so viel mehr als das. Denn dort wärmt sich die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen mit geistiger Behinderung auf – und gleich sieben Spielerinnen aus der Mönchengladbacher Einrichtung bilden ihren Kern, das Herzstück jenes Teams, das die Deutschen Farben bei den Special Olympic World Games vertritt, die in diesem Jahr erstmals in ihrer Geschichte in Deutschland – genauer gesagt in Berlin – ausgetragen werden.

Eine von den Spielerinnen der Hephata-Stiftung steht dabei ganz besonders im Mittelpunkt: Torhüterin Natascha Wermelskirchen. Sie wurde aus den mehr als 400 nominierten deutschen Sportlern ausgewählt, das Olympische Feuer am 7. Juni aus Griechenland zu holen und nach Deutschland zu bringen. Wermelskirchen hatte im vergangenen Jahr bei der Deutschen Meisterschaft der Werkstätten mit ihren Glanzparaden für Furore gesorgt und einen großen Anteil am Gewinn des Titels für das Team aus Mönchengladbach. Dieser Erfolg war Garant für die Nominierung des gesamten Teams zur Deutschen Nationalmannschaft, inklusive der Trainerin Sarah Splinter. Aufgefüllt wird die deutsche Auswahl – da Nachwuchs im Hephata-Team fehlt – noch mit drei Spielerinnen aus Berlin.

Auch neben dem Platz gefragt

Klasse beweist Natascha Wermelskirchen nicht nur auf dem Platz: Bei einem Fotoshooting für die deutsche Ausgabe der Vogue und als Werbung für inklusiven Sport bestach die junge Frau auch mit ihrer lässigen Art, ihrer Geduld und ihrem intensiven Blick. Auf dem Platz wiederum ist die 28-Jährige alles andere als gelassen. „Ich versuche, mich immer voll und ganz auf jeden Moment des Trainings und des Spiels zu konzentrieren. Was als Torwart nicht immer leicht ist, denn es gibt immer wieder Übungen im Training oder Phasen im Spiel, in denen der Torwart nicht beteiligt ist. Aber da darf man sich nicht ablenken lassen oder an Sachen denken, die nichts mit Fußball zu tun haben.“ Jede Sekunde müsse ein Torwart aufpassen, jede Bewegung des Balles und der Spielerinnen verfolgen. Um dann im entscheidenden Moment da zu sein, die richtige Bewegung zu machen und den Ball abzuwehren. Egal wie, egal womit, sei es der Kopf, das Gesicht oder andere sensible Stellen des Körpers. Schmerzen oder Angst dürfe es dabei nicht geben. Das sei ihr eigenes Erfolgsrezept.

Ein Rezept, das überzeugt, wenn man Natascha Wermelskirchen auf dem Platz sieht. Fehlgriffe gibt es selten, wenn ein Tor fällt, dann war der Ball auch meistens wirklich unhaltbar. Ob sie immer schon im Tor stand? „Ich spiele überall, wo ich gebraucht werde, mir macht jede Position Spaß. Aber ich glaube, dass ich Torwart am besten kann. Deshalb mache ich das natürlich am liebsten“, so die deutsche Nationalspielerin.

Eine besondere Ehre

Als Wermelskirchen erfuhr, dass sie ausgewählt wurde, um für die Special Olympics das Olympische Feuer aus Athen nach Deutschland zu holen, fiel sie vor Überraschung förmlich um. Ihr erster Gedanke aber war, „dass ich hoffentlich kein Training verpasse“. Erst als klar war, dass an den Feuer-Abholungs-Tagen sowieso kein Training stattfindet, war sie beruhigt und konnte sich so richtig freuen. Und wie das Feuer im Flugzeug transportiert werden kann? „Das erzähle ich, wenn ich zurück bin“, sagt die 28-Jährige und lacht.

Seit Februar bereitet sich ihre Mannschaft auf die Weltspiele der Special Olympics (Olympische Spiele der Menschen mit einer geistigen Behinderung) vom 17. bis 25. Juni 2023 in Berlin vor, zweimal pro Woche trainieren die Fußballerinnen der Hephata-Werkstätten für das Turnier. Vorbereitungslehrgänge, Einkleidungstermine, PR-Termine – so viel Trubel gab es wohl noch nie im Vorfeld dieser Olympischen Spiele, die ihren Ursprung vor mehr als 50 Jahren hatten: 1968 liefen tausend Athleten aus den USA und Kanada mit Flaggen und Bannern ins Stadion ein – die ersten Special Olympics World Games. Die Gründerin ist Eunice Kennedy Shriver, die sich ihr Leben lang für mehr Rechte und Akzeptanz für Menschen mit geistiger Behinderung einsetzte. Heute sind die Special Olympics mit mehr als fünf Millionen Athleten in 174 Ländern die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung und offiziell durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) anerkannt.

Einige Mitglieder des Teams um die heutige Trainerin Sarah Splinter waren schon bei Weltspielen in Polen, in Shanghai und zuletzt in Los Angeles dabei. Das heißt, die Nominierung zur Deutschen Nationalmannschaft ist mittlerweile nichts Neues mehr, aber jedes Mal eine erneute große Ehre für die geistig behinderten Frauen. Zur Nationalmannschaft gehören aus dem Hephata-Team neben Mannschaftskapitänin Nicola Brings die Geschwister Mireille Vanfürth und Elisabeth Woyke, Sylvia Thissen, Nathalie Sundhaus, Susanne Peters, Selina Jay – und eben Torhüterin Natascha Wermelskirchen.

Aufrufe: 018.5.2023, 20:00 Uhr
RP / Oliver SchaulandtAutor