2024-04-29T14:34:45.518Z

Ligabericht
Da darf man dann auch mal stolz sein: Christian Blöchl, nachdem er den Berlin-Marathon absolviert hatte.
Da darf man dann auch mal stolz sein: Christian Blöchl, nachdem er den Berlin-Marathon absolviert hatte. – Foto: Sportograf

»Muff« Blöchl: Einst Kreis-König, nun Marathon-Matador

Als Fußballer war Christian Blöchl "der Spaß wichtiger", dennoch wurde er eine Legende auf Kreisebene. Nun greift er national an - als herausragender Läufer.

Diesen Tag muss sich Christian Blöchl erst gar nicht im Kalender dick anstreichen. Dieses Datum hat sich so sehr eingebrannt, dass er es wohl nie vergessen wird. Am 3. Mai 2020, abends gegen 21.30 Uhr, hat der 46-Jährige seine letzte Zigarette geraucht. Eine ganz bewusste Entscheidung. "Nach meinem Karriereende als Fußballer habe ich 20 Kilogramm zugenommen. Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt – und musste deshalb etwas ändern." Also weg mit dem Glimmstängel und rein in die Laufschuhe. Denn für "Muff", wie er genannt wird, war klar: "Nur mit Sport kann ich wirklich abnehmen."

Zweieinhalb Jahre später: Christian Blöchl hat sein großes Ziel erreicht. Er hat den Berlin-Marathon in 2 Stunden und 35 Minuten gemeistert. Seine Halbmarathon-Bestzeit: 1 Stunde 15 Minuten. Der gebürtige Philippsreuter gehört somit national zu den herausragenden Läufern seiner Altersklasse. "Dass es mal soweit kommt, hätte ich nicht für möglich gehalten", gibt der Bundespolizist zu. "Laufen strengt mich nicht sonderlich an. Das war schon immer so. Dennoch waren diese Zeiten nicht mein Ziel. Das hat sich vielmehr nach und nach ergeben."

Zurück in die Zeit vor dem 3. Mai 2020 – und noch weiter. Christian Blöchl ist mit einem für unsere Breitengrade herausragenden Fußball-Talent gesegnet. Über seinem Heimatverein, dem SV Philippsreut, landet er beim TSV Waldkirchen. Dort spielt er Junioren-Bayernliga. Bekannte Namen wie Herbert Riedl, Stefan Hartl und Jürgen Fuchs zählen zu seinen Mitspielern. Muff ist dabei nicht nur irgendein Spieler, sondern einer der Leistungsträger.

Sein damaliger Trainer "Wigg" Eckerl, eine Bayerwald-Koryphäe auf seinem Gebiet, erinnert sich: "Ein großes Talent. Er war immer einer der Laufstärksten, hat aber auch das fußballerische Werkzeug mitgebracht, das nötig ist, um höherklassig zu bestehen. Vor allem sein linker Fuß ist mir in Erinnerung geblieben." Gerne hätte man in Waldkirchen Blöchl auch im Herrenbereich behalten. Doch er hatte andere Pläne.

Meister! "Muff" (hinten 5.v.r) feiert mit dem TSV Waldkirchen um Trainer Wigg Eckerl (hinten rechts) den Aufstieg in die Junioren-Bayernliga im Jahr 1992.
Meister! "Muff" (hinten 5.v.r) feiert mit dem TSV Waldkirchen um Trainer Wigg Eckerl (hinten rechts) den Aufstieg in die Junioren-Bayernliga im Jahr 1992. – Foto: Archiv Eckerl

Es ging zurück zum SV Philippsreut, ehe ein kurzer Abstecher zum TSV Mauth folgte. Beim SC Herzogsreut wurde er dann zur Legende. Nach der Jahrtausend-Wende gehörte der Stürmer zu den besten Spielern auf Kreisebene. Er schoss den SC 2003/04 in die Kreisklasse - und verschwendete keinen Gedanken an höherklassigen Fußball. "Ich hätte wohl mindestens Bezirksoberliga drauf gehabt", macht Blöchl, dessen Söhne Jonas und Nathan für den SV Grainet in der Bezirksliga spielen, deutlich. "Aber das war mir nicht wichtig. Kameradschaft und Spaß am Fußball waren mir wichtiger." Als müsste er sich rechtfertigen, ergänzt er: "Bereut habe ich nichts. Es ist alles gut so, wie es war."

4. Mai 2020: Einen Tag nach der letzten Zigarette. Die erste Einheit von Christian Blöchl nach seiner Entscheidung, sein Leben umzustellen, erinnert eher an Bewegungstherapie wie an einen Lauf. "5 Kilometer bei einer Pace von 6:30 Minuten – und ich war fix und fertig. Tags darauf hatte ich den Muskelkater meines Lebens." Doch Muff hatte sich ein Ziel gesetzt. Und nimmt er sich was vor, gibt er alles dafür, es zu erreichen. Das war schon immer so – und ist auch dieses Mal der Fall.

Langsam aber sicher kommt er wieder ins Rollen. Die Zeiten werden besser – und das schneller als bei vielen anderen. "Ja, ich habe wohl eine Ausdauer-Begabung", weiß Blöchl. Jeden 2. Tag ist er in Laufschuhen unterwegs. Hündin Ary, lange Zeit sein treuer Begleiter, ist eine zusätzliche Motivation. Nach sechs Wochen probiert es sich an seinem ersten Halbmarathon - von seinem Haus in Freyung-Speltenbach aus nach Finsterau. 300 Höhenmeter. Seine Zeit: 1 Stunde 52 Minuten.

"Der is ned ganz dicht", bekam der Beamte in dieser Zeit ob seines Trainingspensums und seiner Zeiten zu hören. Er selber war von nun an richtig motiviert, hatte Blut geleckt. "Nach dem Finsterau-Lauf hatte ich ein konkretes Ziel vor Augen. Ich wollte das Maximum rausholen – und habe streng nach Trainingspläne, die ich mir selber erstellt habe, trainiert." Sein Körper machte ihm aber vorerst einen Strich durch die Rechnung: Eine Schilddrüsen-Überfunktion sorgte für eine halbjährige Zwangspause. "Ich hatte schon beim Spazierengehen einen 140er Puls. Ich war fix und fertig." Im April 2021 ging es also wieder bei Null los.

Doch wieder tat Christian Blöchl alles dafür, das zu schaffen, was er sich selber vorgenommen hatte. Nach einer Aufbauphase war er ab Herbst 2021 wieder auf dem körperlichen Niveau, das er von sich selber erwartet. Alles in Eigenregie. Alles auf Basis selbst ausgearbeiteter Trainingspläne. Der TV Hauzenberg wurde, als er wieder herausragende Zeiten ablieferte, auf ihn aufmerksam. Seitdem läuft er offizielle Rennen für den Laufverein aus der Granitstadt. Einige Titel wie Bayerischer Meister im Halbmarathon und in seinem ersten Marathon überhaupt kamen praktisch zwangsläufig. Alles Dagewesene überstrahlte aber bis dato der Berlin-Marathon.

Inzwischen ist Muff regelmäßig in Laufschuhen unterwegs. Das Laufen macht ihm unendlich viel Spaß. Seine Motivation ist ungebrochen. Nach dem Marathon in der Bundeshauptstadt sind Tempoläufe angesagt, um wieder bereit zu sein für kleinere Distanzen. Sein nächstes Ziel: "Mit 50 Jahren möchte ich schon mal an Europa- oder Weltmeisterschaften teilnehmen." Wenn man seine bisherige Entwicklung in Betracht zieht, für Christian Blöchl kein Ding der Unmöglichkeit – zumindest für den Muff, den es seit 3. Mai 2020 gibt...

Aufrufe: 01.11.2023, 08:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor