2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Die Erstligauafsteigerinnen geben sich selbstbewusst
Die Erstligauafsteigerinnen geben sich selbstbewusst – Foto: UMW

Mertert - Das "Gallische Dorf" in der ersten Liga

UMW's Damen-Aufstiegstrainer Jan Fisch im Interview über seine Mannschaft und den Damenfussball allgemein

Hallo Jan, ersteinmal noch Gratulation zum Aufstieg in die erste Liga. Danke das Du Dir etwas Zeit genommen hast.

Letzte Saison seid ihr ja eigentlich doch schon souverän aufgestiegen. Wie war die Saison im Rückblick? War der Aufstieg geplant oder kam er schlussendlich doch etwas überraschend?

JF: Es ist in der Tat so, dass der Blick auf die Abschlusstabelle den Eindruck weckt, es wäre eine einfache und souveräne Saison gewesen. Der Schein könnte allerdings nicht mehr trügen. Wer sich im Umfeld des Vereins auskennt wird wissen, dass es eine sehr anstrengende und mit vielen Rückschlägen versehene Saison war. Als Vorstandsmitglied und Betreuer der Herrenmannschaft, war es in der Sommervorbereitung nicht klar, ob es diese Saison Damenfussball in Mertert geben würde. Mangel an Spielerinnen, sowie eine nicht sonderlich starke Chemie zwischen Trainer und Mannschaft, waren Grund für eine eher pessimistische Vorschau auf die kommende Spielzeit. Nach den ersten 3 Spieltagen waren wir als Verein dann gezwungen die Zusammenarbeit mit dem damaligen Trainerzu beenden.

Da wir keine Alternative hatten, und ich sowohl die Damen und sie 2te Mannschaft des Vereins bereits trainiert hatte, wurde ich bis Winter als Interimstrainer eingesetzt. Ich drehte an den Schrauben die mir zu dieser Zeit am wichtigsten schienen, welches das ABC des Fussballs, wie zB. sauberes Passspiel oder Standards waren. Vor Allem aber war es mir wichtig, dass die Mannschaft wieder Spass hatte und eine Einheit formen würde. Viele Aktivitäten neben dem Platz sowie eine Vielzahl an Gesprächen trugen schnell ihre Früchte. Als dann die ersten Spiele gewonnen wurden, kam auch ein gewisses Selbstvertrauen hoch. Das war die Zeit in der es eigentlich gut lief. Wir gewannen das Spitzenspiel in Differdingen und schienen unaufhaltsam. Dann allerdings erlitten wir einen Todesfall im Verein. Ein Mitglied, welches sehr viel für die Damenmannschaft investiert hatte, und mir extrem zur Seite stand, verliess uns leider viel zu früh. Wir retteten uns in die Winterpause und wussten dass das erste Spiel im neuen Jahr gegen Fels richtungsweisend würde.

Wir bestanden den Test allerdings und vieles sah gut aus. Dann wurden wir von Verletzungen und 2 Coronawellen heimgesucht, verloren gegen Pfaffental und spielten in Bettemburg Remis. Der Zeitpunkt hätte nicht schlechter kommen können, wussten wir doch dass mit Differdingen und Kaerjeng die beiden entscheidenden Spiele vor der Brust standen. Ich entschloss mich Druck rauszunehmen und trainierte beide Male nur einmal die Woche um den Spielerinnen Zeit für Privates zu geben. Wir gewannen die beiden Spiele und der Rest ist bekannt. Es war also eine Saison die sportlich sehr schwierig begann, dann grandios wurde, und neben dem Spielfeld viele Herausforderungen hatte. Meine Erkenntnis allerdings war, dass diese Mannschaft einen starken Charakter und ein enormes Durchhaltevermögen besitzt. Ich denke dieses Zusammenhalten ist die grösste Stärke der Mannschaft und wird auch nächstes Jahr unser Trumpf sein.

Wie sieht es mit Neuverpflichtungen zur neuen Saison aus? Gehst Du davon aus, dass diese problemlos integriert werden können?

Die Rekrutierungsphase war sehr schwierig, da wir aus diversen Gründen keine beliebte Anlaufstelle sind. Als Aufsteiger ist es traditionell sowieso schwer Spieler oder Spielerinnen zu locken. Zudem kommt dass bei uns kein Geld bezahlt wird und wir geographisch nicht sonderlich gut liegen auf der Luxemburger Fussballkarte. Die Kombination aus Beidem ist Grund dafür, dass wir "nur" zwei Neuverpflichtungen getätigt haben. Ich bin von der Qualität allerdings sehr überzeugt. Jeweils eine erfahrene Spielerinn für die Offensive sowie den Defensivbereich werden uns sehr weiterhelfen. Die Integration wird in meinen Augen kein Problem darstellen, da die Mannschaft sehr positiv und einfach gestrickt ist. Um ehrlich zu sein, ist die Integrationsphase bereits im vollen Gange und könnte nicht besser sein.

Was ist das Ziel in der nächsten Saison? Wie schätzt du die Chancen auf den Klassenerhalt ein, oder wird gar nach höherem gestrebt?

Das Primärziel ist es ganz klar die Klasse zu halten und als Mannschaft zu wachsen. Es werden
Abende auf uns zu kommen in denen wir Lehrgeld zahlen werden. Das ist in meinen Augen normal und auch total ok, wenn daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. Jedes nicht so positive Spiel oder Ereignis muss dazu führen, dass wir dazulernen. Ich möchte, dass wir besonders zu Hause unangenehm zu spielen sein werden und gegen die Mannschaften, welche auf dem Papier in unseren Regionen angesiedelt sind, die nötigen Punkte einfahren. Dies ist in meinen Augen auch total machbar. Ich bin fest davon überzeugt und vertraue meiner Mannschaft, dass wir nächstes Jahr um diese Zeit wieder ein "erstklassiges" Interview führen werden.

Wo siehst Du die generellen Unterschiede zwischen erster und zweiter Liga?

Es mag banal und einfach klingen, aber der Hauptunterschied ist ohne jeden Zweifel die Qualität im technischen und fussballerischen Bereich. Die Mannschaften besitzen ein sehr sauberes und präzises Passspiel, sind taktisch besser ausgebildet und zählen mehrere technisch hochkarätige Spielerinnen. Es gibt in Liga 2 viele gute Mannschaften, die oft allerdings über das Mannschaftsgefüge und das Läuferische kommen. Natürlich gibt es einige Mannschaften mit fantastischen Einzelspielerinnen, ich bin allerdings der Meinung das die Anzahl an technisch überragenden Spielerinnen in Liga 1 viel höher ist. Spitzenspiele wie letzte Saison im Endspurt gegen Pfaffental, Differdingen oder Kaerjeng stehen in Liga 1 jedes Wochenende an. Es gilt also den Fokus hochzuhalten und die Liga anzunehmen. Es gibt keine vermeintlich einfachen Spiele diese Saison. Das Tempo ist sehr viel höher, die Stürmerin abgebrühter und die Verteidigerinnen souveräner. Ich persönlich finde es auch im Damenbereich sehr schwierig Torhüterinnen zu finden. In der höchsten Liga allerdings gibt es sehr viele gute Schlussleute, sodass das ein oder andere Distanztor, wie wir es dieses Jahr erzielt haben, sehr viel schwieriger zu erzielen wird.

Wer ist für dich Favorit auf die Meisterschaft?

Es gibt nur einen Favoriten, der genannt werden kann, und das ist selbstverständlich Racing. Wer die letzten beiden Jahre national aus 42 Pflichtspielen 39 Siege und 3 Remis vollbringt, sich dieses Jahr mit weiteren Nationalspielerinnen verstärkt hat und international vertreten ist, muss der Topfavorit sein. Natürlich haben Mannschaften wie Junglinster und Bettemburg sich gut verstärkt, sowie ebenfalls unser Mitaufsteiger Differdingen. Ich kann mir leider allerdings kein Szenario vorstellen, in dem Racing nicht durch die Liga fegen wird. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde dies auch nicht gut für den Luxemburger Damenfussball, allerdings ist es meiner Meinung nach die Realität.

Auf welches Spiel freust Du bzw. das Team sich am meisten?

Ich freue mich im grossen Ganzen auf die gesamte Saison, kann allerdings nicht verbergen dass ein Datum rot im Kalender angekreuzt ist. Es handelt sich selbstverständlich um das Derby gegen die Entente Wormeldingen/Munsbach/Grevenmacher. Viele Spielerinnen kennen sich, arbeiten zusammen, sind zusammen zur Schule gegangen oder haben bereits miteinander gespielt. Es ist gewusst dass die Mannschaften auf den diversen Veranstaltungen hier in der Moselgegend auch regelmässig zusammen feiern. So soll es auch sein. Ich erwarte auf dem Platz allerdings ein intensives, hartes aber faires Spiel, welches wir unbedingt für uns entscheiden möchten. In der 3ten Halbzeit kann dann wieder Harmonie herrschen.

In wie weit arbeitest du mit modernen Trainingsmethoden wie z.B. Laufdatenmessung
usw.?

Ich habe in der abgelaufenen Saison, wie bereits erwähnt sehr viel psychologisch gearbeitet.
Fussballtechnisch eher mit altbewährten Methoden, da mir nach der Übernahme der Mannschaft die Zeit fehlte für modernere Methoden. In der Sommervorbereitung wird sich in dieser Hinsicht allerdings ein bisschen was ändern.

Wo möchtest du in deiner Trainerkarriere hinkommen?

Ich bin ganz ehrlich, dass ich mir noch nie ernsthaft Gedanken darüber gemacht habe, wo die Reise eines Tages hinführen soll. Natürlich habe ich Ziele und Ambitionen, allerdings hat meine Trainerkarriere viel zu früh begonnen. Ich musste mit 28 Jahren nach drei Rückenoperationen und zu hohem Risiko früh aufhören. Ich habe dann ein Jahr die 2.Mannschaft bei uns in Mertert trainiert, ehe ich für 2 Spielzeiten die Reserven von Biwer trainiert habe. Ich habe dort sehr viel gelernt und Selbstvertrauen aufgebaut, da in den zwei Jahren zwei Aufstiege zu Buche standen. In meiner vierten Saison ist mir mit meinen Damen dann Aufstieg Nummer 3 gelungen.

Ich hatte also das Glück schnell viel Erfolg zu haben. Es wird in den nächsten Jahren sicherlich auch eine bescheidenere Saison auf mich zukommen. Ich werde natürlich auch einige Trainerscheine abschliessen wollen/müssen. Ich kann mir selbstverständlich auch vorstellen wieder im Herrenbereich tätig zu sein. Was, wo und wann zu Stande kommt steht allerdings noch in den Sternen, da mein ganzer Fokus auf meiner derzeitigen Mannschaft liegt, die mir sehr stark am Herzen liegt.

Was ist deiner Ansicht nach der grösste Unterschied zwischen Damen und Herrenfussball?

Der Unterschied zwischen Herren und Damenfussball ist in meinen Augen in 4 verschiedenen
Hinsichten bemerkbar. Erstens hätten wir natürlich das Physische. Das Tempo und die Härte sind um ein Vielfaches höher. Man merkt dass der Damenbereich erst so richtig in den letzten Jahren begonnen hat Spielerinnen von Klein auf qualitativ hochwertig aufzubauen. Ein weiterer Vorteil des Herrenfussballs ist selbstverständlich das Geld welches auf verschiedene Weisen investiert wird. Das Interesse von Sponsoren, den Medien, den Zuschauern und auch leider oft den Vereinen selbst ist dem Damenfussball doch im Vergleich vorbehalten.

Diese Schere irgendwann zu schliessen, scheint sehr schwierig zu werden. Ein letzter Unterschied würde ich oft innerhalb der Mannschaften ansiedeln. Als ehemaliger Spieler bin ich der Meinung dass Männer sich besser in dieses „wir gegen den Rest" oder „auf dem Platz muss mein gesamter Fokus auf meiner Leistung liegen" reinsteigern können. Dieses Gefühl, mit allen zusammen etwas vollbringen zu können ist im Durchschnitt meiner Meinung nach höher. Es wird seriöser, härter und mehr trainiert. Bei den Damen ist es oft so dass einige Elemente, auch der Freundinnen wegen, zum Training kommen, und einfach einen netten Abend verbringen wollen ohne an die Grenzen zu gehen. Ich bin allerdings sehr glücklich darüber dass ich dieses Phänomen bei meiner Mannschaft sehr selten empfinde.

Wie siehst Du die allgemeine Entwicklung des Frauenfussballs in Luxemburg? Was läuft
gut und was muss deiner Meinung nach noch verbessert werden?

Ich sehe die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Ich möchte diese Aussage allerdings näher erläutern. Ich bin absolut begeistert vom Niveau der Liga und vor allem unser Nationalmannschaft. Man sieht, dass dort über Jahre hinweg die richtigen Leute hart gearbeitet haben, sei es nun auf Klubebene, regional oder national in Monnerich. Die Begeisterung für die A-Mannschaft ist aufgrund der letzten Resultate und Auftritte absolut nachvollziehbar. Die Arbeit die Dan (d.Red.: Santos) mit seinem Trainerteam vollbringt ist vorbildlich. Ich fand es auch sehr schön, dass ein Blick hinter die Kulissen, dank der RTL Dokumentation möglich war und freue mich schon auf Teil 2.

Ich möchte nicht der Spielverderber sein, da wie erwähnt vieles sehr positiv ist, allerdings macht mir die drohende Kluft zwischen den Topteams und dem Rest der Liga Angst. Jemand der mir nun nicht Recht gibt, wird sagen dass auch früher Mannschaften wie Mamer, Ell, Junglinster und Bettemburg dominant waren. Das ist wohl wahr, jedoch war die Dominanz nie so eklatant wie sie es jetzt beim Racing der Fall ist. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe absolut kein Problem mit dem Verein Racing, lediglich mit der Handhabung rund um das Damenteam. Das Geld was in gestandene Spielerinnen gesteckt wurde, und weiterhin monatlich aufgebracht wird, ist für jeden anderen Verein nicht zu stemmen. Die logische Konsequenz sind vier Titel in zwei Jahren, ohne ein Pflichtspiel verloren zu haben. Der Fakt dass auch letztes Jahr ein Sieg auf internationaler Ebene zu Stande kam, bewirkt lediglich eine noch schnellere Zunahme dieser Überlegenheit.

Das Geld was hier eingenommen und weiterinvestiert wird, versetzt Racing, in einen für sie positiven Teufelskreis, wo bald kein gegnerisches Team mehr mithalten kann. Die Transfers welche jetzt getätigt wurden, sowie die neue Trainerverpflichtung machen aus Racing einen schier übermächtige Gegner. Letztes Jahr bedurfte es im Pokalfinale einer vorzüglichen Leistung von Mamer, der zweitstärksten Mannschaft der abgelaufenen Saison, um das Spiel lange spannend zu halten. In der Meisterschaft endeten beide Duelle 5-0 für Racing. Dies sind Resultate, welche mich sehr erschrecken. Ich würde mir wünschen, dass in unserem Hauptstadtverein auch wieder auf die jungen Elemente, die aus den Jugendmannschaften kommen, auf welche man ja anscheinend sehr stolz ist, gebaut wird anstelle sich im Ausland oder bei den anderen Topvereinen zu bedienen.

Als Letztes möchte ich sagen, dass es niveautechnisch Racing auch mehr bringen würde, wenn ein Projekt wie früher bei den Kaerjenger Handballdamen in Erwägung gezogen würde (d.Red.: die lange im Ausland an einer Meisterschaft teilnahmen). Die erste Mannschaft könnte sich somit Woche für Woche international messen, und im nationalen Ligabetrieb würde man mit den Talenten von Morgen spielen.

Bei einem Aufsteiger ist die Eingespieltheit sicher nicht zu vernachlässigen. Bleibt die
Mannschaft zusammen?

In der Tat ist das Mannschaftsgefüge und der Fakt, dass die Mädchen sich alle schon sehr lange sehr gut kennen, unser grosses Plus. Die Mannschaft ist eingespielt und hat auch keinen wirklichen Abgang zu verzeichnen. Es sind lediglich drei Spielerinnen, welche ausgeliehen waren, zu ihren Stammvereinen zurückgekehrt. Wir haben auch nur zwei Zugänge bekommen, sodass das Team zum grossen Teil gleich und eingespielt ist. Der Zusammenhalt im Team, sowohl auf dem Platz, wie aber auch daneben ist unser grösster Trumpf. Ich selbst bin mit einigen Spielerinnen seit Jahren befreundet und es macht Spass mit dieser Mannschaft zu arbeiten. Ich sehe es deswegen auch überhaupt nicht als Arbeit an, und freue mich auf unser Abenteuer in der kommenden Saison. Wir werden quasi das kleine Gallierdorf sein, welches sich mit den Grossen messen muss. Hoffen wir dass uns der Zaubertrank nicht ausgeht!

Vielen Dank Jan und alles Gute für die Saison.

Vielen vielen Dank und eine gute, verletzungsfreie Saison allen Teams.

Aufrufe: 013.8.2022, 09:15 Uhr
Stan JahrmärkerAutor