2024-05-17T14:19:24.476Z

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– Foto: Schiris MG

Marlon Bruchhausen: "Mangelnder Respekt für Schiedsrichter ist Alltag"

Im Fußballkreis Mönchengladbach/Viersen will eine Arbeitsgruppe dem Schiedsrichterschwund entgegenwirken.

Die Pandemie hat dem Schiedsrichterwesen nicht gut getan - damit verrät man fraglos kein Geheimnis. Auch am Niederrhein gibt es praktisch keinen Kreis, der diesen Effekt nicht zu spüren bekommt. Im Kreis Mönchengladbach/Viersen hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die den Finger in die Wunde legt und Konzepte erarbeitet, dem Problem entgegenzutreten. Die Koordination hat Marlon Bruchhausen übernommen - und stand FuPa zum Interview zur Verfügung.

Die Schiedsrichtervereinigung Mönchengladbach/Viersen hat eine Arbeitsgruppe gebildet, um dem Schiedsrichterschwund aktiv entgegenzuwirken. Wie kam es dazu und wer hatte die Idee?

Marlon Bruchhausen Es ist eine Idee, die mit der Zeit entstanden ist. Wir haben uns kreisintern immer wieder Gedanken gemacht, wie wir den rückläufigen Schiedsrichterzahlen entgegenwirken können. Da gibt es natürlich viele Ansätze: Schiedsrichter-Gewinnung durch Ausbau von Marketingmaßnahmen, Team-Building-Events und ganz wichtig die Nachwuchsförderung. Da fallen allerdings sehr viele verschiedene Aufgaben an, die nicht alle vom Kreisschiedsrichter-Ausschuss (KSA) zu bewältigen sind. Daher haben mein Kollege Matti Lambertz und ich uns überlegt, eine Gruppe zu organisieren, die den KSA unterstützt und noch ein wenig kreativen Input liefert.

Welche Schiedsrichter mischen dabei mit und welche Aufgabe hast Du dabei übernommen?

Bruchhausen In der Arbeitsgruppe sind ganz verschiedene Charaktere dabei. Wir bestehen aus einer sehr guten Mischung von Nachwuchsschiedsrichtern und erfahrenen Kreisliga-Schiedsrichtern, sowie zwei Mitgliedern aus dem KSA. Solomon Anderson, Jonas Scharner, Matti Lambertz, David Dos-Reis, Alexander Bach, Kai Conrads, Nico Thieme und meine Wenigkeit sind die Namen hinter der Gruppe. Ich habe dabei die Gesamtkoordination des Projektes übernommen. Dazu gehört die Organisation von Meetings, ob digital oder in Präsenz, die Aufgabenverteilung und Kommunikation mit dem KSA. Außerdem werte ich Ergebnisse von internen Umfragen oder Anmeldungen für den Anwärterlehrgang aus. Zudem bin ich für das neu entwickelte Corporate Design der Schiedsrichter-Gruppe Mönchengladbach/Viersen verantwortlich und setze dieses auf Instagram und hoffentlich auch bald auf unserer neu entwickelten Website um.

Was sind aus Deiner Sicht die Gründe dafür, dass es immer schwieriger wird, Schiedsrichter zu finden, und sie vor allem dann zu halten?

Bruchhausen Natürlich spielen die stetigen Beleidigungen und tätlichen Angriffe auf Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter eine große Rolle. Auch wenn wir dort in unserem Kreis „vergleichsweise wenig“ Fälle aufweisen, sind mangelnder Respekt und schlechte bis miserable Rahmenbedingungen leider häufig Alltag. Der Job als Schiedsrichter ist selten einfach, wenn man dann noch eine dreckige und vollgestellte Ein-Quadratmeter-Abstellkammer als Umkleide bekommt und ab der ersten Spielminute um einen respektvollen Umgang kämpfen muss, dann ist der Fußballsonntag schon deutlich weniger spaßig, als er eigentlich für uns alle sein sollte. Hinzu kommt natürlich auch die Corona-Pandemie. Die immer wieder stattfindenden Events wie Schiedsrichter-Fußball-Turniere, Saisonabschlüsse, Schulungen und vieles mehr haben uns allen gefehlt. Es sind enorm wichtige Events, um sich untereinander kennenzulernen, vor allem zu Beginn der „Schiedsrichter-Karriere“. Auch die Schiedsrichter-Weiterbildung wurde hierdurch deutlich erschwert.

Ist es in Eurem Fall ein Problem, dass die feste Anlaufstelle “Alt Eicken” für Schulungen und Events nicht mehr existiert?

Bruchhausen Natürlich war das ein schmerzhafter Verlust. Das Alt Eicken war eine perfekte Location für uns. Wir suchen seitdem stetig nach einem neuen Raum für unsere regelmäßigen Schulungen. Dieser muss allerdings ein Fassungsvermögen von rund 100 Personen aufweisen und kostenfrei sein. Daher gestaltet sich die Suche nicht sehr einfach.

Gibt es auch Fehler, mit denen die Verbände diese Entwicklung mitverschuldet haben?

Bruchhausen Ich glaube, da bin ich zu wenig in der Kernmaterie drin, um mir darüber ein Urteil bilden zu können. Natürlich gab es in der Vergangenheit Strafen für Vereine oder Spieler, die aus meiner Sicht vielleicht etwas zu glimpflich ausgefallen sind. Aber die Verbände für mangelnden Respekt verantwortlich zu machen, fände ich falsch.

Was können die Vereine tun, um ihren Beitrag zur Initiative zu leisten?

Bruchhausen Zum einen sollten Vereinsvertreter und offizielle als Vorbild agieren. Respektvoll und höflich mit Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern umgehen. Ich verstehe häufig Emotionen und Ehrgeiz, ich habe selbst jahrelang Fußball gespielt, aber man kann auch nicht alles mit Emotionen entschuldigen. Ein respektvolles Miteinander ist das A und O, von allen Seiten wohlgemerkt. Außerdem ist jedes Mitglied für das Verhalten seines Vereins mitverantwortlich. Egal ob Zuschauer, Betreuer, Spieler. Alle können Einfluss nehmen und einschreiten, wenn es zum Ernstfall kommt. Im besten Fall schon, bevor etwas passiert. Zudem können natürlich auch Vereine Werbung für die Schiedsrichterei machen. Ich glaube, es schadet keinem Spieler dieser Welt, einen Lehrgang zu besuchen. Im Gegenteil, es ist ein enormer Vorteil.

Du gehörst ja zu den jungen Schiedsrichtern. Was würde es brauchen, um gerade den Nachwuchs nachhaltig bei der Stange zu halten?

Bruchhausen Die eben bereits erwähnten Events sind ein unfassbar wichtiges Instrument. Ich bin mit 13 Jahren aus eigenem Antrieb Schiedsrichter geworden. Ich kannte keinen meiner Kollegen. Nach ein paar Jahren sind langjährige Freundschaften entstanden. Mit Freunden gemeinsam zu Spielen zu fahren und auf dem Platz zu stehen, macht natürlich deutlich mehr Spaß. Dass eine höhere Aufwandsentschädigung ebenfalls ein Argument darstellen würde, darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Der zeitliche Aufwand steht hier in keinem Verhältnis. Bei mir persönlich gleicht sich das mit der Freude an dem Hobby und der Zeit mit meinen Freunden aus.

Wie wichtig kann eine Aufgabe wie die Schiedsrichterei im Fußball auch für die eigene Persönlichkeitsentwicklung sein?

Bruchhausen Es fördert natürlich die Kommunikationsfähigkeit. Man lernt bereits als Jugendlicher auf unbekannte, erwachsene Personen zuzugehen, sich vorzustellen und seinen Respekt zu erarbeiten. Gleichzeitig lernt man, was es bedeutet, respektvoll mit anderen Personen umzugehen und ein Vorbild für andere in seinem Alter zu sein. Ich glaube, dass die Schiedsrichterei mir sehr geholfen hat, schneller zu reifen, Verantwortung zu übernehmen und zuverlässig zu sein.

Welche aktuellen Termine gibt es für Interessierte zu wissen?

Bruchhausen Der nächste Anwärterlehrgang beginnt am 30. Januar 2023. Anmelden kann man sich über den folgenden Link:

https://forms.office.com/r/3e7ft2ZuQW

Aufrufe: 08.12.2022, 12:00 Uhr
Sascha KöppenAutor