2024-04-30T13:48:59.170Z

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Hinter Jan Eul liegen intensive und lehrreiche Tage.
Hinter Jan Eul liegen intensive und lehrreiche Tage. – Foto: Alexander Link

Jan Eul: „Ich war intensiver involviert, als vermutet“

Der Trainer des Frauen-Niederrheinligisten CfR Links hospitierte zehn Tage beim Schweizer Topklub Youngs Boy Bern.

Auf Einladung von Imke Wübbenhorst, seiner ehemaligen Spielerin und aktuellen Trainerin der Fußballfrauen von Young Boys Bern, hospitierte Jan Eul beim Schweizer Erstligisten. Was der Trainer der Ersten Frauenmannschaft des CfR Links dort erlebte, davon kann der Niederrheinligist jetzt profitieren

Herr Eul, wie sahen die zehn Tage bei Young Boys Bern aus?

Jan Eul: "Ich hatte das Glück, dass der Co-Trainer während dieser Zeit mit einer anderen Mannschaft unterwegs war. Somit war ich nicht mehr Praktikant, sondern direkt Co-Trainer. Ich war also intensiver involviert, als zunächst vermutet."

Sind die Bedingungen in Bern professionell?

Eul: "Absolut! Das hat nicht ansatzweise mit dem zu tun, was in kleinen Vereinen geschieht. Ich kam am Freitagabend in Bern an, Samstag war das erste Spiel. Einen Tag darauf begann die Spielanalyse, die auf eigenen Aufnahmen und denen des Fernsehens basiert. Die positiven wie negativen Erkenntnisse werden gleichermaßen herausgefiltert. Womöglich wird auch bei dem ein anderen Niederrheinligisten ähnlich verfahren, bei Young Boys arbeiten sie aber mit verschiedenen technischen Systemen. So werden über eine Datenbank sämtliche taktischen Daten der eigenen Mannschaft festgehalten. Beim Stichwort „Eckball“ etwa spuckt das System alle verfügbaren Varianten aus, die bei den Spielen von Young Boys Bern gesammelt wurden. Das Gleiche gilt für Freistöße und Abstöße sowie für viele andere Teilaspekte, was die offensiven Aktionen betrifft wie die defensiven."

Wer so akribisch analysiert, wird vermutlich auch viel trainieren.

Eul: "Ja, das ist so. Die Mannschaft trainiert montags, mittwochs und freitags je ein Mal, dienstags zwei Mal. Am Samstag ist das Meisterschaftsspiel."

Das kostet Zeit, die doch eigentlich nur Vollprofis haben.

Eul: "Die meisten Spielerinnen arbeiten für den Verein, andere gehen noch zur Schule oder studieren. Es ist alles eng getaktet und abgesprochen. Jeder Coach hat im Austausch mit Imke dafür zu sorgen, dass die Belastungen in den Trainingseinheiten aufeinander abgestimmt sind."

Wie groß ist das Team um das Team herum?

Eul: "Imke Wübbenhorst ist Cheftrainerin, dann gibt es einen Co-Trainer, einen Videoanalysten, einen Athletiktrainer, einen Pressesprecher nur für das Team, eine Teammanagerin, einen Zeugwart, einen Teamleiter und zwei Physiotherapeuten, also insgesamt rund zehn Leute."

Wie wurden Sie einbezogen?

Eul: "Das Spiel wird sonntags analysiert, bestimmte Szenen werden herausgeschnitten und markiert, damit man das Ergebnis der Mannschaft vor dem Training präsentieren kann. Auf die herausgearbeiteten Muster ist dann das wöchentliche Training abgestimmt. Am Montag setzt man sich mit dem Videoanalysten zusammen und bespricht bereits den kommenden Gegner. Das war in meinem Fall der FC Aarau. Meine Aufgabe war es, die Videos gemeinsam mit Imke zu analysieren und das Training mit ihr zu konzipieren."

Wie viele Stunden beansprucht das gesamte Paket?

Eul: "Ich habe mich täglich morgens um 10 Uhr mit Imke getroffen, um das Wesentliche für die Woche zu besprechen. Das Training ist gegen 20.30 Uhr zu Ende. Wir haben zwar nicht immer durchgearbeitet, aber man ist gedanklich nonstop mit Fußball generell und mit der Mannschaft im Besonderen beschäftigt. Klar redet man auch hin und wieder über Privates, aber nur sehr selten. Wir hatten ansonsten nichts anderes im Kopf als das Spiel gegen Aarau, die ganze Woche über."

Wie endete das Spiel gegen die Frauen des FC Aarau?

Eul: "Wir haben 5:0 gewonnen. Ich kann nur sagen: Die intensive Analyse über die ganze Woche hinweg hat gefruchtet. Es ist tatsächlich alles so eingetroffen, wie wir es in der Theorie durchgespielt hatten. Die Spielerinnen haben die taktischen Vorgaben an dem Tag überragend umgesetzt. Wir mussten von außen kaum eingreifen, das war wirklich erstaunlich."

Inwieweit ist das Niveau des Schweizer Erstligisten Young Boys Bern mit deutschen Spitzenteams vergleichbar?

Eul: "Die Bernerinnen haben sehr gute Spielerinnen, von denen einige definitiv Bundesliganiveau haben. Insgesamt entspricht das vermutlich gehobenem Zweitligaformat. Im Kader stehen sechs oder sieben U19-Nationalspielerinnen. Der Altersdurchschnitt betrug gegen Aarau 20,8 Jahre, die Mannschaft ist also extrem jung, in ihr steckt viel Potenzial."

Was haben Sie mitgenommen für den Niederrheinligisten CfR Links?

Eul: "Zum einen helfen mir die Erfahrungen persönlich, weil ich die A-Lizenz machen möchte. Zum anderen habe ich für meine Tätigkeit beim CfR viele Anregungen aus Bern mitgenommen, die ich nicht Eins-zu-eins umsetzen kann, allein aus Zeit- und Materialgründen. Ich kann mir schließlich nicht jedes Spiel auf Video mit dem entsprechenden Analyseumfang anschauen. Meine Tätigkeit wird nicht wesentlich anders aussehen, als in den Monaten vor meiner Hospitation, ich werde aber versuchen, bestimmte Abläufe zu optimieren. Es war auch von Vorteil, dass Imke genau wie ich im 4-3-3-System spielen lässt."

Es geht also weniger um Trainingsübungen?

Eul: "Ja, es geht vielmehr um die Art und Weise, wie wir aus jeder Position mehr herausholen können, wie die Spielerinnen agieren. Das könnte etwa die Außenverteidigerin betreffen und deren Offensivverhalten."

Haben die CfR-Spielerinnen die Qualität, die von Ihnen angestrebten taktischen Feinheiten umzusetzen?

Eul: "Ja, die haben sie. In der Niederrheinliga ergeben sich zwangsläufig mehr Räume als in den höherklassigen Ligen, in denen die Teams intensiver verschieben und so die zu bespielenden Räume sehr eng werden. Dieses Wissen, das ich mir in Bern angeeignet habe, möchte ich künftig stärker nutzen."

Zusammengefasst: Die zehn Tage in Bern haben sich gelohnt?

Eul: "Auf jeden Fall, etwa was taktische Details betrifft. Ein Beispiel: Eine Verteidigerin, die jeden Zweikampf gewinnt, hat auf den ersten Blick alles richtig gemacht. Aber bei genauerem Hinsehen kann es sein, dass sie den Ball zuvor hätte abfangen und den Zweikampf bei besserem Stellungsspiel hätte vermeiden können. Bern war eine Reise wert."

Richard Thomsen führte das Gespräch.

Aufrufe: 08.4.2023, 21:30 Uhr
RP / Richard ThomsenAutor