2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Tore in der 91. und 94. Minute: Raul Almeida Da Silva (Rot, hier im Spiel gegen Thalmassing) schoss den TSV Neutraubling zum nicht mehr für möglich gehaltenen Heimsieg.
Tore in der 91. und 94. Minute: Raul Almeida Da Silva (Rot, hier im Spiel gegen Thalmassing) schoss den TSV Neutraubling zum nicht mehr für möglich gehaltenen Heimsieg. – Foto: Christian Brüssel

Irres Comeback in der Bezirksliga: »Emotionen pur«

Ein Wechselbad der Gefühle – Freitag schenkt Neutraubling den Sieg in der Nachspielzeit her, Montag dreht er ein verloren geglaubtes Spiel

Neutraubling. Es gibt diese Fußballspiele, an die erinnern sich die Beteiligten noch Jahre später. Solche, bei denen sich die ortsansässigen Fernsehanstalten auf die Zunge beißen dürften, dass sie kein Kamerateam vorbeigeschickt hatten. Zwischen dem TSV Neutraubling und dem FSV Prüfening Regensburg in der Bezirksliga Oberpfalz Süd ging an diesem verlängerten Wochenende genau so eines vonstatten. Stichwort: Drei-Tore-Comeback in der Nachspielzeit. Inklusive dreier Platzverweise versteht sich.

Als am gestrigen Montag um 17.56 Uhr Schiedsrichter Marco Gruber aus Zandt in seine Pfeife blies um das Spiel zu beenden, hätten die Emotionen auf dem Rasen gegensätzlicher nicht sein können. Die einen lagen sich himmelhoch jauchzend in den Armen, die anderen sanken zu Tode betrübt zu Boden – um es frei nach Goethe zu paraphrasieren. „Unheimlich stolz auf das Geleistete“ ist Marc Müller, Trainer der siegreichen Neutraublinger, und konnte noch tags darauf seine Emotionen kaum unterdrücken. Rückblickend auf die Geschehnisse des Vortages machte er eine „enorme Willensleistung“ und einen „brutalen Charakter“ aus: „Es steckt Leben in dieser Mannschaft!“

Die Chronologie der Ereignisse. Ein verletzungsbedingten Ausscheiden seines Stürmers Peter Dizdar beim Aufwärmen war eine erste Hiobsbotschaft für den TSV Neutraubling. Auf dem Rasen setzte die Heimmannschaft die Vorgaben des Trainers gut um: giftig sein in den Zweikämpfen, schnell über die Außen nach vorne kommen. Es entwickelte sich eine flotte und gleichverteilte Bezirksliga-Partie, in der große Torchancen zunächst rar gesät waren. Hitzige Zweikämpfe prägten das Bild. Es folgten die nächsten Nackenschläge für Neutraubling. Erst bekam Kapitän Marcel Scherl immer schlechter Luft und ging vom Feld, und unmittelbar vor dem Pausenpfiff brachte eine gelb-rote Karte an Benny Eckert den Gastgeber in die Bredouille.

Der erste Abschnitt hatte Kraft gekostet und viele Neutraublinger Spieler waren früh an ihrem Limit. Nichtsdestotrotz machten sie so weiter bisher, doch den Kräfteverschleiß sowie die zahlenmäßige Unterzahl konnten sie bald nicht mehr kaschieren und ließen Prüfening mehr und mehr die Oberhand gewinnen. Der FSV machte seine Sache dann gut und erzielte gegen Spalier stehende Hausherren schließlich das 1:0 (Roman Hagengruber/57.). Eine Viertelstunde später brachte Maxi Röhrl den Gast endgültig auf die Gewinnerstraße. Hätte man seine Angriffe konsequenter zu Ende gespielt, wäre wohl das entscheidende 0:3 gefallen. Eine Notbremse brockte Prüfenings Innenverteidiger Djingue Gueye die Rote Karte ein (76.). Mit zehn gegen zehn ging es in die Schlussphase. Jene hatte es in sich. Zwei frisch eingewechselte Kicker brachten nochmals Schwung ins Neutraublinger Spiel. Es war zu erkennen, dass der TSV die „Es geht immer weiter“-Mentalität beherzigte. Allerdings tickte die Zeit unaufhörlich gegen sie.

90 Minuten regulär vorbei, immer noch stand es 0:2 und niemand glaubte mehr an ein Neutraublinger Comeback. Eine gute Einzelleistung inklusive Distanzschusses von Raul Almeida Da Silva brachte die totgelaubte Heimelf in der 91. Minute zurück ins Spiel. Und als der Ball keine 90 Sekunden später wieder im Tor der Gäste lag, war der Jubel bereits riesengroß. Hier bekam Prüfening eine Freistoßflanke unzureichend geklärt und Alexsander Lich sagte Danke.

Doch das war es immer noch nicht. Die vierte Minute der Nachspielzeit brach an: Arthur Mendes da Silva dribbelt sich ab der Mittellinie an seinen Aufpassern vorbei bis hin zu Tormann Markus Danhauser und legt uneigennützig quer, so dass der mitgelaufene Almeida Da Silva den Ball gerade noch so vor einem zurückgeeilten Prüfeninger ins Tor bugsiert. Die zweite Bude der brasilianischen Neuerwerbung. Ekstase pur. Daraufhin sah Gästetrainer Serkan Aygün in Rage seine zweite Gelbe Karte – ergo der dritte Feldverweis des Spiels. Vier Minuten später war Schluss.

„Das waren Emotionen pur“, schildert Neutraublings Coach Marc Müller: „Freitag noch ein bisschen im Tal der Tränen, waren wir gestern obenauf.“ Nach zuletzt zwei Remis feiert der Absteiger also auf spektakuläre Art und Weise seinen ersten Saisonsieg in der Bezirksliga. „Da wächst was zusammen. Die Jungs sind mega und ich bin wahnsinnig stolz auf sie. Darauf müssen wir aufbauen und von Spiel zu Spiel schauen“, formuliert es Müller abschließend.

„Mir wäre es auch recht, wenn wir mal in der regulären Spielzeit 1:0 oder 2:0 gewinnen und so die Punkte holen“, lacht Spartenleiter Alex Eirich. Er sieht es wie Müller, hier wachse etwas zusammen und man sei inmitten des Umbruchs auf dem richtigen Weg. Geschichten, die eben nur der Fußball schreibt.

Aufrufe: 016.8.2022, 10:45 Uhr
Florian WürtheleAutor